Arbeitsrecht: Ist eine Krankschreibung nach Kündigung verdächtig?

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Mehrere Krankschreibungen zwischen Kündigung und Ende des Arbeitsverhältnisses sind nicht von vornherein verdächtig. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ist allein dadurch noch nicht erschüttert, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschied (Az.: 5 Sa 1/23).

Nach Kündigung war Arbeitnehmer mehrmals krankgeschrieben

Es gab damit dem Chefarzt der orthopädischen Abteilung einer Rehaklinik recht. Die Klinik hatte ihm am 16. August 2021 mit der vertraglichen Frist von sechs Monaten zum 28. Februar 2022 gekündigt.

Nach der Kündigung war er mehrfach krank, so ab dem 20. September 2021 35 Tage lang wegen Stress und Burn-out.

Nach mehreren kürzeren Krankschreibungen, unter anderem wegen Migräne und einer Covid-19-Infektion, war der Orthopäde vom 9. bis 21. Februar 2022 nochmals länger krank. Seine Hausärztin begründete dies später unter anderem mit starken Kopf- und Nackenschmerzen sowie sehr hohen Blutdruckwerten. Danach hatte er bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses noch eine Woche Urlaub.

Arbeitgeber verweigerte Lohnfortzahlung

Für diese letzte Krankschreibung verweigerte die Rehaklinik die Lohnfortzahlung. Dagegen klagte der Orthopäde.

Wie schon das Arbeitsgericht Stralsund gab nun auch das LAG Rostock der Klage statt. Zwar könnten Arbeitgeber die Glaubwürdigkeit einer Krankschreibung anzweifeln. Aber: „Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist jedoch nicht allein deshalb erschüttert, weil diese einen Zeitraum innerhalb der Kündigungsfrist, insbesondere gegen Ende der Kündigungsfrist betrifft“, heißt es in dem Rostocker Urteil.

Dabei räumte das LAG ein, dass die Arbeitsmotivation zum Ende eines Arbeitsverhältnisses nachlassen könne.

LAG Rostock sieht Beweiswert der Bescheinigungen nicht erschüttert

„Daraus ist aber keinesfalls zu schließen, dass jede Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in diesem Zeitraum makelbehaftet ist und die Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitnehmer durch Offenlegung seiner Erkrankung, der gesundheitlichen Einschränkungen und der ärztlich verordneten Behandlung zu belegen ist.“

Auch dass der Orthopäde zu Beginn seiner letzten Krankschreibung eine zehnstündige Bahnreise zu seinem Heimatort und seiner Hausärztin unternommen habe, führe nicht zu berechtigten Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Anders als bei der Arbeit bestehe im Zug „die Möglichkeit, eine entspannte Körperhaltung einzunehmen und sich bei Bedarf etwas zu bewegen“.

Ob der Orthopäde während seines Resturlaubs nach dem 21. Februar 2022 weiter krank war, spiele für den Anspruch auf Lohnfortzahlung keine Rolle, betonte das LAG.

BAG: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis zur Zeit der Kündigung lassen Zweifel aufkommen

Erst nach dem Rostocker Urteil hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschieden, dass es den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttern kann, wenn nach einer Kündigung eine oder mehrere Bescheinigungen genau die Zeit bis zum Ende der Kündigungsfrist umfassen und der Arbeitnehmer danach sofort eine neue Tätigkeit aufnimmt (Urteil Az.: 5 AZR 137/23).

Während im Fall des Orthopäden keine durchgehende Arbeitsunfähigkeit während der Kündigungsfrist vorlag, hatte das LAG Rostock, ebenfalls noch vor dem Grundsatzurteil des BAG, auch in einem vergleichbaren Fall einem Dozenten recht gegeben (Urteil vom 15. August 2023, Az.: 5 Sa 12/23).

Neuer Job nach Kündigung

Auch die Arbeitsaufnahme bei einem neuen Arbeitgeber im unmittelbaren Anschluss an die Krankschreibung habe den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht erschüttern können.

„Der mit einem Arbeitgeberwechsel verbundene Neustart kann insbesondere bei psychosomatischen Beschwerden für eine Genesung durchaus hilfreich sein“, heißt es hierzu in dem Rostocker Urteil. Hiergegen hat der Arbeitgeber Nichtzulassungsbeschwerde beim BAG erhoben (dort Az.: 5 AZN 812/23) mwo/fle.

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