Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat eine weitere Berufungsklage abgewiesen, in der eine Betroffene einen erhöhten Regelsatz zum Bürgergeld wegen der Preissteigerungen forderte. (AZ: L 18 AS 279/23). Das Gericht sieht keine Unterdeckung der Regelleistungen durch steigende Verbraucherpreise. Allerdings anerkannte das Gericht, dass die Regelbedarfsstufen hinter der Inflation zurückgeblieben sei.
Inhaltsverzeichnis
Wie war die Klage begründet?
Die Klägerin begründete ihren Anspruch auf einen um 53 Euro pro Monat höheren Regelsatz damit, dass Lebensmittel wesentlich verteuert seien und es die höchste Inflation seit 30 Jahren gebe. Das Gericht folgte ihr in dem Punkt, dass die Erhöhung der Regelbedarfsstufen hinter der aktuellen Inflation zurückgeblieben sei.
Wie war die Grundsituation?
Die Klägerin ist alleinerziehend und bezog 2022 laut Regelbedarfsstufe 1 eine Regelleistung über 449 Euro pro Monat. Sie selbst behauptete nicht, dass das Jobcenter ihr weniger als diese gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen gewähre.
Was forderte die Klägerin?
Die Klägerin forderte hingegen, das zuständige Jobcenter dazu zu verurteilen, ihr für September und Oktober 2022 jeweils 53 Euro erhöhte Regelleistungen zu gewähren.
Wie lautete die Begründung der Ablehnung?
Das Gericht lehnte die Klage ab. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die durchschnittliche Preissteigerung im strittigen Zeitraum nicht zu einer evident unzureichenden Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimus geführt hätte.
Wann sind Sozialleistungen unzureichend?
Belegbar unzureichend seien Sozialleistungn nur dann, wenn offensichtlich sei, dass sie insgesamt Hilfsbedürftigen kein menschenwürdiges Leben ermöglichten – physisch, sozial und kulturell.
“Höhe des Regelbedarfs im strittigen Zeitraum ausreichend”
Im strittigen Zeitraum hielt das Gericht die Höhe des Regelbedarfs für ausreichend. Er hätte den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Der Staat hätte, um die Menschenwürde zu schützen und seinem Auftrag zur sozialstaatlichen Gestaltung gerecht zu werden, die materiellen Voraussetzungen zu erfüllen, um ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen. Dies gelte für diejenigen, denen die notwendigen materiellen Mittel dafür fehlten.
“Verlässige Zahlen und schlüssige Berechnungen”
Grundsätzlich basiere der Regelsatz auf transparenten Berechnungen, die tragfähig seien und verlässliche Zahlen zur Grundlage hätten. Dies genüge, um die Bemessung der Leistungshöhe zu rechtfertigen, so die Richter am Landessozialgericht Berlin-Brandenburg.
“Es gab reguläre Erhöhungen”
Dem Gericht zufolge hätte es 2022 eine Einmalzahlung von 200 Euro gegeben, um mögliche aktuelle Preissteigerungen auszugleichen. Dies sei geschehen, ohne die Entwicklung der Regelbedarfsstufen abzuwarten und hätte die zusätzlichen Kosten durch Pandemie und Inflation berücksichtigt.
Kein Anspruch auf zusätzliche Leistungen
Ein Anspruch auf zusätzliche Leistungen darüber hinaus bestünde für die Klägerin nicht. Der Gesetzgeber hätte gerade im Hinblick auf Preissteigerungen durch die Inflation im Januar 2023 einen neuen Anpassungsmechanismus für die Regelsätze eingeführt. Damit hätte der Gesetzgeber in einem zumutbaren Zeitraum ein inflationsgeschütztes Grundsicherungsniveau geschaffen. Daher werde die Regelsatz-Klage abgewiesen. (Hinweis Tacheles e.V.)
- Über den Autor
- Letzte Beiträge des Autors
Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.