Anwohner klagten gegen Wohngruppe für Menschen mit Schwerbehinderung

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Der Umgang mit Menschen, die unter psychischen, geistigen oder körperlichen Einschränkungen leiden, oder denen diese zugeschrieben wurden, hat teilweise eine sehr dunkle Geschichte.

Ihnen wurde die gesellschaftliche Teilhabe verwehrt, sie wurden diskriminiert, isoliert und im Nationalsozialismus massenhaft systematisch ermordet.

Inklusion und Teilhabe

Heute sollen Gesetze den Betroffenen die volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen, Inklusion soll die Ausgrenzung dieser Menschen beenden, und sie sollen ein Leben in Würde nach ihren Bedürfnissen leben können.

Ressentiments bestehen immer noch

Doch nach wie vor gibt es Nichtbetroffene, die die Nähe zu den Betroffenen als störend empfinden und verhindern wollen, dass Psychiatrisierte und psychiatrische Einrichtungen sich in der Nachbarschaft befinden.

Sozialtherapeutisches Zentrum im Wohngebiet

Ein solcher Fall beschäftigte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, und dieses entschied, dass die Einrichtung eines sozialtherapeutischen Zentrums zur Unterbringung von Menschen mit Behinderungen in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig ist. (1 ME 90/22).

Nachbarin legt Beschwerde ein

In Hannover wurde eine Baugenehmigung erteilt für ein sozialtherapeutisches Zentrum. Dort sollten Menschen mit Behinderungen leben. Unter diesen sollten sich auch solche befinden, die wegen einer Selbstgefährdung in die Einrichtung eingewiesen würden.

41 Wohnplätze sollte das Zentrum umfassen, darunter 17 im beschützten Bereich.

Eine Nachbarin beantragte Eilrechtsschutz und begründete diesen damit, dass die Baugenehmigung für die Einrichtung unzulässig sei. Das Verwaltungsgericht Hannover wies den Antrag zurück, und die Nachbarin richtete eine Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Lüneburg.

“Baugenehmigung ist rechtmäßig”

Sie kam mit ihrer Beschwerde nicht durch, denn das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschied ebenso wie das Veraltungsgericht Hannover und begründete dies ausführlich.

Eine Anlage für soziale Zwecke im allgemeinen Wohngebiet sei als Regelnutzung zulässig. Das Projekt diene der sozialen Fürsorge für Menschen, die besondere Unterstützung und Betreuung bedürften.

Im Vordergrund stünde das Wohl der Betroffenen und deren individuellen Bedürfnisse.

“Unfreiwilligkeit spielt keine Rolle”

Dabei sei es unerheblich, dass manche der Bewohner unfreiwillig in die Einrichtung eingewiesen würden. Denn auch solche Einrichtungen seien in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig, die einen unfreiwilligen Aufenthalt ermöglichten.

Es komme bei der Zulassung nicht auf die Freiwilligkeit des Aufenthalts an.

Fazit

Das Oberverwaltungsgericht hielt sich in seinem Urteil strikt an die Baunutzungsverordnung, ging aber in der Begründung auch auf die Inklusion ein.

So argumentierte es ausdrücklich, dass die Lebensqualität der Betroffenen Vorrang habe. Dies lässt sich als indirekter Verweis darauf verstehen, dass das Wohl der Bewohner wichtiger ist als die gefühlsmäßige, möglicherweise unbewusste Abneigung der Nachbarin gegenüber Menschen, die einer Vorstellung von “Normalität” nicht entsprechen.

Es ist zu begrüßen, dass sich das Gericht hier nicht von vermeintlichen Sorgen einer Nachbarin leiten ließ, sondern auf die Menschenrechte der Betroffenen hinwies.

Selbstverständlich müssen Menschen mit Behinderungen in einem allgemeinen Wohngebiet leben können, wo es ihnen möglich ist, ihr tägliches Leben zu gestalten, so wie es auch Menschen ohne Behinderungen in einem allgemeinen Wohngebiet tun.