Schwerbehinderung: Kündigungsschutz gilt ab Feststellung, nicht ab Antrag

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Der besondere Kündigungsschutz für Beschäftigte mit einer Schwerbehinderung gilt erst, wenn das zuständige Amt die Schwerbehinderung festgestellt hat und nicht, während das Amt noch den gestellten Antrag auf Schwerbehinderung prüft. So urteilte das Arbeitsgericht Nordhausen und wies damit die Klage einer Verkäuferin gegen ihre Kündigung ab. (2 Ca 697/22)

Grad der Behinderung von 30 und Widerspruch

Die Betroffene arbeitete in Vollzeit als Verkäuferin und Kassiererin. Sie beantragte beim zuständigen Landratsamt die Feststellung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft. Das Amt stellte einen Grad der Behinderung von 30 fest. Die Frau legte Widerspruch ein.

Stationäre Behandlung

Die Betroffene wurde in der Folge stationär behandelt in einem Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie. Ihre Mutter schickte dem Arbeitgeber per Einschreiben eine Bescheinigung über den Klinikaufenthalt.

Kündigung

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis, und dieses betrug bei Ausspruch der ordentlichen Kündigung regelmäßig weniger als zehn Arbeitsstunden.

Die Betroffene erhebt einen Kündigungsschutzklage

Die Gekündigte erhob eine Kündigungsschutzklage. Sie argumentierte, der Arbeitgeber hätte sie nicht kündigen dürfen, da das Integrationsamt hätte beteiligt werden müssen. Der Bescheid des Landratsamtes, der lediglich einen Grad der Behinderung von 30 (und damit keine Schwerbehinderung) feststellte sei wegen des laufenden Widerspruchsverfahrens nicht bestandskräftig.

Schwerbehinderung muss festgestellt sein

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die Kündigung sei nicht wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam. Denn den besonderen Kündigungsschutz genössen erst einmal Arbeitnehmer, deren Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch bereits anerkannt sei.

Zum anderen könnten sich allerdings auch Arbeitnehmer darauf berufen, die vor Zugang der Kündigung einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderung gestellt hätten, und bei denen diese zu diesem Zeitpunkt objektiv vorlag.

Das bedeutet, dass das Versorgungsamt dem Antrag zum Zeitpunkt der Antragstellung für eine Zeit vor dem Kündigungszugang stattgibt, sofern der Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch Kenntnis von der Antragstellung hatte, beziehungsweise binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung über die Antragstellung informiert wurde.

Keine Zustimmung des Integrationsamtes bei einem Grad der Behinderung von 30

Beides war bei der Betroffenen nicht der Fall. Die Klägerin hätte rückwirkend lediglich einen Grad der Behinderung von 30 ausgewiesen und damit hätte es keiner Zustimmung des Integrationsamtes bedurft.

Den besonderen Kündigungsschutz genieße ein Arbeitnehmer nur, wenn es sich bei ihm um einen schwerbehinderten Menschen handle, der festgestellte Grad der Behinderung also bei mindestens 50 liege.

Schwerbehindert oder gleichgestellt

Um die Nachteilsausgleiche für Menschen mit Schwerbehinderung am Arbeitsplatz wahrnehmen zu können, muss eine Schwerbehinderung festgestellt sein. Bei einem Grad der Behinderung von 30 oder 40 können Sie einen Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung gleichgestellt, weil Sie ohne diese Gleichstellung Ihren Arbeitsplatz nicht behalten können, oder weil Sie die Gleichstellung zur Erlangung eines neuen, geeigneten Arbeitsplatzes brauchen.

Ohne Schwerbehinderung oder Gleichstellung besteht kein besonderer Kündigungsschutz

Beides war bei der Betroffenen nicht der Fall, und deswegen gelten hier die besonderen Nachteilsausgleiche für Menschen mit Schwerbehinderung nicht.

Ein laufendes Widerspruchsverfahren spielt nur eine Rolle, wenn zuvor eine Schwerbehinderung vorlag

Ob Sie sich dabei in einem Widerspruchsverfahren befinden, weil Sie einen niedrigeren Grad der Behinderung anzweifeln, spielt keine Rolle, wenn vor dem Verfahren kein Grad der Behinderung von mindestens 50 vorlag.

Ein Widerspruchsverfahren bedeutet, dass, solange es läuft, ein Bescheid noch nicht bestandskräftig ist. Solange der Bescheid noch nicht bestandskräftig ist, bleibt der Status Quo vor dem Bescheid erhalten. Doch vor dem Bescheid, dem sie widersprach, war bei der Betroffenen keine Schwerbehinderung festgestellt.