Zuschuss, Pflegegeld und Ansprüche für pflegende Angehörige in 2025

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Wenn Mutter, Vater, Partnerin oder Partner plötzlich Pflege brauchen, stellen pflegende Angehörige ihr Leben häufig in kürzester Zeit um. Termine, Arbeitszeiten und finanzielle Pläne geraten ins Wanken.

Neben der emotionalen und organisatorischen Belastung drängt sich eine nüchterne, aber existenzielle Frage nach vorn: Wie bleibe ich sozial abgesichert, wenn ich weniger oder gar nicht mehr arbeiten kann?

Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt ordnet ein – und macht deutlich, wo Chancen liegen, wo Fallstricke lauern und welche Weichen früh gestellt werden sollten.

Der Einschnitt: Pflege verändert Arbeit und Alltag

Wer berufstätig ist und zugleich in die Nächstenpflege einsteigt, spürt die Doppelbelastung sofort. Der Tagesablauf richtet sich plötzlich nach Hilfebedarf, Therapieterminen und medizinischer Versorgung. Die erste Schlüsselfrage lautet daher, ob und in welchem Umfang die Erwerbstätigkeit weitergeführt werden kann.

Eine vorschnelle Kündigung ist nicht erforderlich, denn das Sozialrecht hält mehrere Instrumente bereit, mit denen sich Pflege und Beruf zumindest zeitweise miteinander vereinbaren lassen.

Tabelle: Alle Zuschüssen, Pflegeleistungen und Ansprüche für pflegende Angehörige in 2025/2026

Leistung Inhalt / Anspruch 2025
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung Bis zu 10 Arbeitstage Freistellung bei akutem Pflegefall, Lohnersatz durch Pflegeunterstützungsgeld. Sozialversicherung bleibt bestehen.
Pflegeunterstützungsgeld Lohnersatzleistung für maximal 10 Tage, gezahlt durch die Pflegekasse der pflegebedürftigen Person.
Familienpflegezeit Reduzierung der Arbeitszeit für bis zu 24 Monate, mindestens 15 Std./Woche. Kündigungsschutz während der Dauer. Sozialversicherung bleibt bestehen.
Pflegezeit Bis zu 6 Monate vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit, auch unter 15 Std./Woche. Kündigungsschutz für diese Zeit.
Zinsloses Darlehen Kann beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt werden. Deckt bis zu 50 % des Nettogehalts, muss zurückgezahlt werden.
Rentenversicherung durch Pflege Pflegekasse zahlt Beiträge zur Rentenversicherung, wenn mind. Pflegegrad 2 vorliegt und mindestens 10 Std./Woche an 2 Tagen gepflegt wird. Rentenpunkte werden gutgeschrieben.
Kranken- und Pflegeversicherung Möglichkeit der Familienversicherung (bei Ehepartner), ansonsten freiwillige gesetzliche Versicherung. Pflegekasse erstattet Mindestbeitrag.
Arbeitslosenversicherung Beiträge übernimmt die Pflegekasse, wenn mindestens 10 Std./Woche an 2 Tagen gepflegt wird und vorher Versicherungspflicht bestand.
Gesetzliche Unfallversicherung Automatischer Schutz über die Berufsgenossenschaft während der Pflegetätigkeit und auf Wegen im Zusammenhang mit der Pflege.
Brückenteilzeit Anspruch in Betrieben mit mehr als 45 Beschäftigten: Teilzeit für 1–5 Jahre mit Rückkehrrecht in Vollzeit. Arbeitgeber kann aus betrieblichen Gründen ablehnen.
Bürgergeld In der Regel kein Anspruch während der Pflegezeit, da das zinslose Darlehen vorrangig ist und als Einkommen angerechnet wird.

Der schnelle Hebel: Kurzzeitige Arbeitsverhinderung und Pflegeunterstützungsgeld

Für die ersten Schritte steht die kurzzeitige Arbeitsverhinderung zur Verfügung. Bis zu zehn Arbeitstage können Beschäftigte der Arbeit fernbleiben, um die Pflege zu organisieren oder eine akut aufgetretene Pflegesituation abzufedern.

Während dieser Zeit greift das Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung. Der Versicherungsschutz bleibt bestehen, was in der Krise Sicherheit gibt und Handlungsspielraum verschafft.

Auf Zeit reduzieren: Familienpflegezeit mit Mindestumfang

Wer länger braucht, kann über die Familienpflegezeit die Arbeitszeit für bis zu 24 Monate reduzieren. Voraussetzung ist eine Wochenarbeitszeit von mindestens 15 Stunden.

Wichtig sind Fristen und Formalien: Spätestens acht Wochen vor Beginn müssen Arbeitgeber schriftlich informiert werden – mit Angaben zur gewünschten Dauer und zum Umfang der Reduktion.

Die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen ist durch eine Bescheinigung der Pflegekasse nachzuweisen. Während der Familienpflegezeit fließt weiterhin Lohn, wenn auch reduziert.

Gleichzeitig bleibt die volle soziale Absicherung bestehen: Arbeitgeber tragen die Sozialabgaben weiter mit, die Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen-, Unfall- und Rentenversicherung laufen fort.

Rente: Weniger Lohn, mehr Punkte – unter Bedingungen

Die Kehrseite der reduzierten Arbeitszeit ist eine geringere Einzahlung in die Rentenversicherung. Um diese Lücke abzumildern, schreibt die Pflegeversicherung der gepflegten Person zusätzliche Rentenpunkte gut.

Anspruch besteht, wenn mindestens Pflegegrad 2 vorliegt und die Pflege regelmäßig wenigstens zehn Stunden pro Woche an mindestens zwei Tagen erbracht wird.

Die Höhe der Gutschrift hängt von Dauer und Pflegegrad ab und davon, ob Pflegesachleistungen – also professionelle Unterstützung – in Anspruch genommen werden.

Den höchsten Zuschlag erhält, wer eine Person mit Pflegegrad 5 ein Jahr lang allein pflegt. Nach aktuellem Stand entspricht das einem monatlichen Rentenaufschlag von 36,77 Euro in Westdeutschland, in Ostdeutschland fällt er um 22 Cent niedriger aus.

Pflegezeit bis zur kompletten Freistellung

Geht die Pflege zeitlich über Teilzeitmodelle hinaus, erlaubt die Pflegezeit eine Reduktion der Arbeitszeit unter 15 Stunden oder eine vollständige Freistellung – maximal für sechs Monate.

Sozialrechtlich ändert sich damit die Lage spürbar. Bei vollständiger Freistellung entfällt das Gehalt, und finanzielle Reserven geraten unter Druck. Hinzu kommt, dass bei höheren Pflegegraden häufig zusätzliche professionelle Dienste nötig sind, die das Pflegegeld teilweise oder vollständig binden.

Als Stütze bleibt hier ein zinsloses Darlehen, das beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt wird. Es wird monatlich ausgezahlt, deckt grundsätzlich die Hälfte des wegfallenden Nettogehalts ab und ist befristet – mit der Pflicht zur Rückzahlung.

Ein Anspruch auf Bürgergeld besteht in der Regel nicht, weil das Darlehen vorrangig zu beantragen ist und bei einer Bürgergeldprüfung als Einkommen angerechnet wird.

Kranken- und Pflegeversicherung: Familienversicherung oder freiwillig – mit Erstattung

In der Pflegezeit gilt es, die Kranken- und Pflegeversicherung geordnet fortzuführen. Wer verheiratet ist, kann sich über die Ehepartnerin oder den Ehepartner familienversichern.

Ohne Familienversicherung ist eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung erforderlich; hier fällt in der Regel der Mindestbeitrag an.

Auf Antrag erstattet die Pflegeversicherung der gepflegten Person die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bis zur Höhe des Mindestbeitrags. Dieser Schritt erfolgt nicht automatisch. Es braucht einen aktiven Abschluss der Versicherung und einen gesonderten Antrag auf Erstattung.

Gesetzliche Unfallversicherung: Schutz bei Pflege und auf dem Weg

Pflegende Angehörige sind während der Nächstenpflege gesetzlich unfallversichert. Der Schutz greift bei Unfällen während der pflegerischen Tätigkeit, etwa beim Heben, Umlagern oder der Körperpflege, ebenso wie bei Wegeunfällen, beispielsweise auf dem Weg zur Apotheke, um Medikamente für die gepflegte Person abzuholen.

Entscheidend ist, den Vorfall gegenüber der erstbehandelnden Praxis oder dem Krankenhaus als Fall der Berufsgenossenschaft kenntlich zu machen.

Renten- und Arbeitslosenversicherung in der Pflegezeit: Anspruch sichern, Formulare nutzen

Auch ohne Erwerbseinkommen werden während der Pflegezeit Rentenbeiträge über die Pflegeversicherung des Pflegebedürftigen gutgeschrieben.

Dafür versendet die Pflegekasse einen Fragebogen zur sozialen Sicherung nicht erwerbsmäßig tätiger Pflegepersonen.

Er ist zwingend auszufüllen; bleibt er liegen oder kommt nicht an, sollte aktiv nachgefragt werden. In der Arbeitslosenversicherung übernimmt die Pflegeversicherung die Beiträge, wenn die Pflege mindestens zehn Stunden pro Woche an wenigstens zwei Tagen erfolgt und vor Aufnahme der Pflege bereits Beiträge in die Arbeitslosenversicherung gezahlt wurden.

So bleibt der Versicherungspfad auch in der Auszeit nachvollziehbar geschlossen.

Nach Familienpflegezeit oder Pflegezeit: Rückkehrrecht, Brückenteilzeit und Unsicherheiten

Mit dem Ende von Pflegezeit oder Familienpflegezeit endet der besondere Kündigungsschutz. Arbeitgeber müssen zwar zur ursprünglichen Vertragslage zurückkehren, doch wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit dauerhaft nicht mehr geleistet werden kann, hängt viel von der betrieblichen Realität ab.

In Unternehmen mit mehr als 45 Beschäftigten besteht ein Anspruch auf Brückenteilzeit zwischen einem und fünf Jahren, verbunden mit dem Recht, danach zur vorherigen Arbeitszeit zurückzukehren. Allerdings kann der Arbeitgeber die Verringerung aus betrieblichen Gründen ablehnen.

In der Folge sind Kündigungen oder einvernehmliche Vertragsauflösungen nicht ausgeschlossen. Arbeitslosengeld lässt sich erst dann beziehen, wenn eine reale Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt besteht; andernfalls bleibt als Option das Bürgergeld – mit allen damit verbundenen Prüfungen.

Sorgearbeit, Rentenbiografien und das Risiko Altersarmut

In der Beratungspraxis zeigt sich, dass insbesondere Frauen durch Sorgearbeit – Kinderbetreuung und Pflege – überproportional häufig Erwerbsunterbrechungen und Teilzeitphasen anhäufen. Die Rentenpunkte aus der Pflegeversicherung mindern zwar Einbußen, können sie aber selten ausgleichen. Das Risiko von Altersarmut steigt.

Hier stößt rechtliche Beratung an Grenzen; gefordert sind politische Weichenstellungen. Dr. Utz Anhalt adressiert diese “Leerstelle mit klaren Forderungen und bündelt Betroffenenstimmen, um Rahmenbedingungen und Leistungen in der Nächstenpflege nachhaltig zu verbessern.”

Handlungssicherheit gewinnen: Früh planen, sauber dokumentieren, aktiv beantragen

Für pflegende Angehörige zahlt sich frühzeitige Planung aus. Wer rechtzeitig mit dem Arbeitgeber spricht, Fristen beachtet und Nachweise strukturiert einholt, gewinnt Zeit und reduziert Konflikte.

Formulare der Pflegekasse zur sozialen Sicherung sollten konsequent bearbeitet werden; bleibt Post aus, ist Nachhaken angezeigt. Bei Unfällen im Pflegesetting muss der BG-Bezug gegenüber der ärztlichen Erstversorgung ausdrücklich benannt werden.

Wer sich freiwillig gesetzlich krankenversichert, stellt parallel den Erstattungsantrag bei der Pflegeversicherung der gepflegten Person. Und wer Pflegezeit mit vollständiger Freistellung plant, kalkuliert das zinslose Darlehen realistisch ein – als Überbrückung mit klarer Rückzahlungsverpflichtung.

Pflege schultern, Absicherung in Anspruch nehmen

Die Nächstenpflege verlangt Angehörigen viel ab. Das Recht bietet Instrumente, um Arbeit und Pflege vorübergehend zu verbinden und die soziale Absicherung zu erhalten. Doch nichts wirkt automatisch.

Wer informiert handelt, Fristen wahrt und Anträge zielstrebig stellt, schützt Einkommen, Rentenansprüche und Versicherungsstatus.