Westerwelles Feldzug gegen Erwerbslose

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Westerwelles Feldzug gegen Erwerbslose trägt Früchte

Seit Wochen läuft in Deutschland eine Hetzkampagne gegen Erwerbslose. Ständig geistern irgendwelche Zahlen durch die Medien, die nicht stimmen. Die Bild-Zeitung verunglimpft Arbeitslose in fiesester Art und Weise – und kaum einer reagiert darauf. Ich arbeite ehrenamtlich in der Beratung von Hartz IV Opfern und ich muß sagen, die Dinge, die die Jobcenter sich erlauben sind unter allem Niveau.

Ich bekomme immer mehr den Eindruck, Hartz IV und die Jobcenter sind faschistisch strukturiert. Ich fühle mich diffamiert und entwürdigt und ich verstehe einfach nicht, wieso kein Aufschrei durch das Land geht. Es ist mittlerweile so, daß in unserer örtlichen Tageszeitung immer wieder Menschen zu Wort kommen, die sich über die ewig fernsehenden, saufenden, rauchenden Arbeitslosen aufregen. Gerade heute wurde den Lesern die Frage gestellt, was unsere Stadt tun kann, um Geld zu sparen. Die weitverbreitete Antwort: "Die Hartz IV Empfänger stärker kontrollieren", oder "Hartz IV kürzen". Dabei wird das ALG II durch den Bund gezahlt. Die Menschen werden durch die Jobcenter so drangsaliert, daß es einfach nur als unerträglich zu bezeichnen ist. Ich betreue zur Zeit einen psychisch und körperlich kranken Mann. Nachdem wir endlich die Anerkenntnis seiner Behinderung hatten, schickt die Arge ihm mittlerweile zum X ten Mal die immer gleichlautende Vermittlung in eine Arbeitsgelegenheit als Helfer im Garten und Landschaftsbau. Wir waren bereits mehrfach mit Eilanträgen vor Gericht, weil er wegen der Nichtannahme gleich sanktioniert wurde – wir bekamen jedes Mal Recht, aber die Arge interessiert es nicht.

Er wird auch nach wie vor nach dem SGBII verwaltet, obwohl er eigentlich in der Reha-Abteilung nach dem SGBIII verwaltet werden müßte. Wir haben mittlerweile einen Antrag auf Vermittlung durch die Reha-Abteilung gestellt… Der nächste Fall ist eine Frau, die eine hohe Betriebskostennachzahlung zu leisten hatte. Die Arge lehnte ab. Die Frau traute sich nicht vor das Gericht, obwohl die Gerichte ja darüber bereits entschieden haben. Die Betroffene beantragte ein Darlehen, welches natürlich abgelehnt wurde. Ihr Vermieter schrieb ihr deswegen die Kündigung (was unerlaubt war). Die Arge schrieb darauf hin einen Brief, in dem sie schreibt: "Teilen sie uns bitte umgehend das Datum der Wohnungslosigkeit mit, damit wir die Mietzahlungen einstellen können…" Die Frau ist aus einer gewalttätigen Ehe geflohen und hat drei kleine Kinder! Die nächste Frau bekam einen Anruf von ihrer Sachbearbeiterin, die sie so bedrohte und einschüchterte, daß diese nur noch weinte. Diese Frau, auch körperlich krank und depressiv, wohnt sehr abgelegen. Die Sachbearbeiterin der Arge teilte ihr mit, sie werde dafür sorgen, daß ihr angemessenes Eigenheim zwangsversteigert wird und sie werde dafür sorgen, daß die (inkontinente) Frau in eine Gegend zieht, von der aus sie die Arge problemlos aufsuchen kann. Sie seien ja schließlich kein Wohlfahrtsinstitut, wo der Kunde auch noch bestimmen kann, wann er kommt – die Frau muß aber nunmal mit ihrem berufstätigen Sohn zur Arge fahren, weil es auch keinen öffentlichen Nahverkehr in dem Ort gibt. Wieso mußte ich mir vor einigen Jahren von zwei Pap`s sagen lassen, ich sei geisteskrank, weil ich immer nur irgendwelche Paragraphen im Kopf hätte und immer nur durch Widerstand auffallen würde?

Ich solle mal zu einem Psychiater gehen und meinen Geisteszustand untersuchen lassen… Mir wurde befohlen, ich solle meine rechtsaufklärenden Leserbriefe an die Zeitung unterlassen usw. Ich habe sie nicht unterlassen, aber unsere Zeitung druckt sie nicht mehr. Wieso? Keiner soll wissen, welche Rechte er hat. Das versuchte ich in den Leserbriefen zu vermitteln, eine Art Sozialberatung per Leserbrief. Wenn ich so die Foren durchstöbere, sehe ich, daß dieses Verhalten der Jobcenter überall Methode ist. Die Menschen werden aber daran krank! So werden Arbeitslose zu psychischen Wracks gemacht und sind überhaupt nicht mehr erwerbsfähig. Die tönen doch immer, man wolle die Arbeitslosen fit machen für den Arbeitsmarkt – ne, die machen die nur fertig. Ich bin froh, daß ich ein einigermaßen robustes Wesen habe und aufgrund einer körperlichen Erkrankung so gut wie unvermittelbar bin. Wie viele sich wohl schon das Leben genommen haben wegen Hartz IV? Ihr ahnt nicht, welch große Verzweifelung die Menschen fühlen. Die meisten kennen ihre Rechte nicht und sind so fertig, daß sie sich sowieso nicht mehr wehren können – aber wenn sie es denn doch tun, sind sie meistens erfolgreich. Zumindest sind alle Fälle im vergangenen Jahr, die ich bis zum Gericht betreut habe, erfolgreich verlaufen. Es tut mir leid, daß meine Ausführungen so lang wurden, aber ich mußte mich mal auskotzen! Wenn ich das bei "nicht-Betroffenen" anspreche, wird mir ja selten geglaubt. Wann setzen sich die Arbeitslosen endlich in Massen zur Wehr? (Ein Leserbeitrag von Katharina W., 20.02.2010)