In der Praxis werden wir immer wieder gefragt, wer die 60 Prozent Witwenrente bekommt. In der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es die kleine und die groรe Witwen- bzw. Witwerrente.
Die groรe Witwenrente betrรคgt im Regelfall 55 Prozent der Rente, die der oder die Verstorbene bezogen hat oder hรคtte beziehen kรถnnen. Die vielzitierte 60-%-Quote existiert weiterhin โ allerdings nur unter bestimmten รbergangsbedingungen der โalten Rechtslageโ. Wer diese erfรผllt und die Voraussetzungen fรผr die groรe Witwenrente erfรผllt, erhรคlt 60 statt 55 Prozent.
Inhaltsverzeichnis
Alte Rechtslage: Wann 60 Prozent gelten
Die 60-%-Witwenrente gilt, wenn zwei Kriterien gleichzeitig erfรผllt sind: Die Ehe (oder eingetragene Lebenspartnerschaft) wurde vor dem 1. Januar 2002 geschlossen und mindestens eine der beiden Personen wurde vor dem 2. Januar 1962 geboren.
Treffen beide Punkte zu, richtet sich die Hinterbliebenenversorgung nach dem โalten Rechtโ โ und die groรe Witwenrente belรคuft sich auf 60 Prozent der maรgeblichen Rente. Das gilt gleichermaรen fรผr Witwer und fรผr รผberlebende eingetragene Lebenspartner.
Voraussetzungen fรผr die groรe Witwenrente im รberblick
Unabhรคngig davon, ob 55 oder 60 Prozent gelten, setzt die groรe Witwenrente typische Zugangsvoraussetzungen voraus. Anspruch besteht, wenn die hinterbliebene Person die Altersgrenze erreicht hat, erwerbsgemindert ist oder ein minderjรคhriges Kind erzieht; auch die Betreuung eines volljรคhrigen, sich nicht selbst unterhaltenden behinderten Kindes kann anspruchsbegrรผndend sein.
Die Altersgrenze wird seit 2012 schrittweise angehoben und liegt โ abhรคngig vom Todesjahr โ bei bis zu 47 Jahren.
Fรผr Todesfรคlle im Jahr 2025 liegt die maรgebliche Grenze bei 46 Jahren und 4 Monaten. Wer die groรe Witwenrente wegen Kindererziehung oder wegen Erwerbsminderung erhรคlt, ist von der Altersgrenze nicht betroffen.
Kleine Witwenrente: Abgrenzung und Dauer
Die kleine Witwenrente ist die zeitlich befristete Variante. Nach neuem Recht wird sie grundsรคtzlich 24 Monate gezahlt und betrรคgt 25 Prozent der maรgeblichen Rente.
Fรผr Fรคlle nach altem Recht ist die kleine Witwenrente nicht befristet; an der 25-%-Quote รคndert sich jedoch nichts. Diese Differenzierung erklรคrt, warum im Alltag hรคufig zwischen โalterโ und โneuerโ Rechtslage unterschieden wird.
Das Sterbevierteljahr: Drei Monate volle Rente
Zu Beginn der Hinterbliebenenversorgung steht das sogenannte Sterbevierteljahr. Fรผr die drei Kalendermonate nach dem Sterbemonat wird die Hinterbliebenenrente in Hรถhe von 100 Prozent der Rente des oder der Verstorbenen gezahlt.
Eigene Einkรผnfte der hinterbliebenen Person werden in dieser Zeit nicht angerechnet. Der Vorschuss auf das Sterbevierteljahr kann innerhalb von 30 Tagen รผber den Renten-Service der Deutschen Post beantragt werden; er wird spรคter mit der Hinterbliebenenrente verrechnet.
Anrechnung von Einkommen: Freibetrรคge und Kรผrzungen
Nach dem Sterbevierteljahr wird eigenes Einkommen auf die Witwen- bzw. Witwerrente angerechnet. Maรgeblich ist ein monatlicher Freibetrag, der jรคhrlich zum 1. Juli angepasst wird.
Vom 1. Juli 2025 bis 30. Juni 2026 liegt er bei 1.076,86 Euro netto im Monat; fรผr jedes waisenrentenberechtigte Kind steigt der Freibetrag um 228,42 Euro. Nur der รผbersteigende Anteil wird berรผcksichtigt, und zwar zu 40 Prozent. Diese Systematik fรผhrt dazu, dass die tatsรคchliche Zahlleistung individuell unterschiedlich ausfรคllt.
Mindestdauer der Ehe und die โVersorgungseheโ
Fรผr Ehen, die ab dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden, gilt grundsรคtzlich eine Mindestdauer von einem Jahr. Bei einer kรผrzeren Ehedauer vermutet die Rentenversicherung eine Versorgungsehe; Ausnahmen โ etwa bei Unfalltod โ sind mรถglich und im Gesetz ausdrรผcklich vorgesehen.
Diese Regelung ist in ยง 46 Abs. 2a SGB VI verankert und wird von der Rentenversicherung in ihren Hinweisen regelmรครig erlรคutert.
Antrag, Nachzahlung und weitere wichtige Punkte
Die Hinterbliebenenrente wird nur auf Antrag gewรคhrt. Rรผckwirkende Zahlungen sind fรผr bis zu zwรถlf Kalendermonate vor dem Antragsmonat mรถglich.
Eine Wiederheirat beendet den Anspruch sowohl auf die kleine als auch auf die groรe Witwenrente; als Ausgleich kann eine Rentenabfindung als โStarthilfeโ fรผr die neue Ehe gezahlt werden, grundsรคtzlich in Hรถhe des 24-fachen der durchschnittlichen Monatsrente der zurรผckliegenden zwรถlf Monate (ohne Sterbevierteljahr).
Waren mehrere Ehen vorhanden, wird die Hinterbliebenenrente anteilig nach der Dauer der einzelnen Ehen aufgeteilt.
Rechenbeispiel: So wirkt die 60-%-Regel in der Praxis
Angenommen, die Rente des Verstorbenen betrรคgt 1.800 Euro. Bei 60 Prozent ergรคbe sich eine groรe Witwenrente von 1.080,00 Euro; nach neuem Recht mit 55 Prozent wรคren es 990,00 Euro.
Erzielt die hinterbliebene Person ein monatliches Nettoeinkommen von 1.300 Euro, รผbersteigt dies den ab 1. Juli 2025 gรผltigen Freibetrag von 1.076,86 Euro um 223,14 Euro.
Davon werden 40 Prozent angerechnet, also 89,26 Euro. Die Zahlleistung lรคge im alten Recht damit bei 990,74 Euro; nach neuem Recht bei 900,74 Euro. Das Beispiel nutzt die pauschale Anrechnungslogik der Rentenversicherung und verdeutlicht, warum die 60-%-Regel spรผrbar sein kann, die individuelle Zahlung aber vom eigenen Einkommen abhรคngt.
Fazit
Die 60-%-Witwenrente gibt es weiterhin โ aber ausschlieรlich fรผr Hinterbliebene, die unter die alte Rechtslage fallen, also vor dem 1. Januar 2002 geheiratet haben und bei denen mindestens eine Person vor dem 2. Januar 1962 geboren ist.
Zusรคtzlich mรผssen die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen fรผr die groรe Witwenrente erfรผllt sein. Ob am Ende 60 Prozent in voller Hรถhe ausgezahlt werden, hรคngt nach dem Sterbevierteljahr maรgeblich von der Einkommensanrechnung ab.
In Zweifelsfรคllen lohnt der Blick in die aktuellen Informationen der Deutschen Rentenversicherung โ oder eine individuelle Beratung, nicht zuletzt weil Freibetrรคge und Altersgrenzen mit der Zeit angepasst werden.