Der Wechsel vom Jobcenter zum Sozialamt ist fรผr viele Menschen ein einschneidender Schritt. Hรคufig steckt dahinter eine gesundheitliche Verschlechterung oder das Erreichen der Altersgrenze. Gleichzeitig tauchen viele Fragen auf: Wer zahlt kรผnftig? Muss ich einen neuen Antrag stellen? รndern sich Betrรคge und Regeln? Und wie verhindere ich eine Lรผcke in den Leistungen?
Inhaltsverzeichnis
Unterschiede zwischen Bรผrgergeld und Sozialhilfe
Zwei unterschiedliche Systeme: Jobcenter (SGB II) und Sozialamt (SGB XII)
Jobcenter und Sozialamt sichern in Deutschland den Lebensunterhalt von Menschen, die ihn nicht selbst decken kรถnnen. Sie arbeiten jedoch auf der
Grundlage verschiedener Gesetzbรผcher: Das Jobcenter zahlt Bรผrgergeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Anspruch haben erwerbsfรคhige Leistungsberechtigte, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermรถgen bestreiten kรถnnen und dem Arbeitsmarkt grundsรคtzlich zur Verfรผgung stehen. Erwerbsfรคhig ist nach der gรคngigen Definition, wer unter den รผblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden tรคglich arbeiten kann.
Das Sozialamt ist zustรคndig fรผr Leistungen nach dem Zwรถlften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Dazu gehรถren insbesondere
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel SGB XII) sowie Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel SGB XII).
Anspruch besteht, wenn jemand dauerhaft oder vorรผbergehend nicht erwerbsfรคhig ist und Einkommen und Vermรถgen den Lebensunterhalt nicht decken.
Ausschlaggebend fรผr die Abgrenzung ist also, ob jemand als erwerbsfรคhig gilt oder nicht. Dies wird in der Fachliteratur immer wieder hervorgehoben.
Wann das Sozialamt statt des Jobcenters zustรคndig ist
Im Alltag fรผhrt eine Reihe typischer Konstellationen dazu, dass nicht mehr das Jobcenter, sondern das Sozialamt zahlt.
Erreichen der Altersgrenze
Wer die gesetzliche Altersgrenze erreicht hat und seinen Lebensunterhalt nicht aus Rente und sonstigem Einkommen bestreiten kann, hat Anspruch auf Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Die Altersgrenze ist in ยง 41 SGB XII geregelt und steigt โ abhรคngig vom Geburtsjahrgang โ schrittweise an.
Mit Erreichen dieser Altersgrenze scheidet die betroffene Person aus dem Bรผrgergeld-System aus. Lรคuft der Hilfebedarf weiter, wird das Sozialamt mit der Grundsicherung im Alter zustรคndig.
Die Bundesagentur fรผr Arbeit weist in ihren Weisungen darauf hin, dass Menschen, die Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII erhalten, keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach dem SGB II haben.
Dauerhafte volle Erwerbsminderung
Ein weiterer hรคufiger Grund fรผr den Wechsel ist eine dauerhafte volle Erwerbsminderung.
Das betrifft Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, bei denen dauerhaft angenommen wird, dass sie weniger als drei Stunden tรคglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kรถnnen. Diese Personen kรถnnen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII erhalten, wenn ihr Einkommen und Vermรถgen nicht ausreichen.
Ob eine dauerhafte volle Erwerbsminderung vorliegt, stellt in der Regel die Deutsche Rentenversicherung fest. Viele Betroffene kommen aus dem Bรผrgergeld-Bezug; das Jobcenter veranlasst dann ein medizinisches Gutachten und fordert hรคufig zur Beantragung einer Erwerbsminderungsrente auf. Wird die volle und dauerhafte Erwerbsminderung anerkannt, ist das Sozialamt zustรคndig.
Vorรผbergehende volle Erwerbsminderung ohne erwerbsfรคhige Angehรถrige
Etwas anders liegt der Fall, wenn jemand zwar voll erwerbsgemindert ist, dies aber nur vorรผbergehend (also nicht auf Dauer) und keine erwerbsfรคhige Person in der Bedarfsgemeinschaft lebt. In solchen Situationen kommt Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel SGB XII in Betracht.
Hier gilt: Lebt eine voll erwerbsgeminderte Person in einer Bedarfsgemeinschaft mit mindestens einer erwerbsfรคhigen Person, wird in der Regel Sozialgeld nach SGB II รผber das Jobcenter gezahlt. Lebt sie alleine oder ohne erwerbsfรคhige Angehรถrige, ist hรคufig das Sozialamt zustรคndig.
Besondere Konstellationen: Kinder, Pflege, Einrichtungen
Weitere typische Fรคlle fรผr den Leistungsbezug รผber das Sozialamt sind Kinder unter 15 Jahren, die nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit einem erwerbsfรคhigen Leistungsberechtigten leben, sowie Menschen in bestimmten Einrichtungen (zum Beispiel Langzeitpflege, besondere Wohnformen). Kinder in solchen Konstellationen kรถnnen Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII erhalten.
Bรผrgergeld oder Sozialhilfe: Unterschiede bei Leistungen und Regeln
Bรผrgergeld und Sozialhilfe haben das gleiche Ziel: den notwendigen Lebensunterhalt sichern. Dennoch gibt es einige wichtige Unterschiede, die beim Wechsel vom Jobcenter zum Sozialamt deutlich spรผrbar werden kรถnnen.
Regelsรคtze und Unterkunftskosten
Sowohl beim Bรผrgergeld als auch bei der Sozialhilfe werden Regelsรคtze gezahlt, die sich an einem bundesweit einheitlich festgelegten Regelbedarf orientieren.
Die Hรถhe der Regelsรคtze wird regelmรครig angepasst. Der Regelsatz ab 2026 erhรถht sich nicht, da im Bรผrgergeld wie auch in der Sozialhilfe eine Nullrunde stattfindet.
Auch das Sozialamt zahlt einen Regelbedarf sowie die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung. Die Angemessenheit richtet sich nach รถrtlichen Richtlinien der Kommunen. Zwar orientieren sich die Betrรคge an denselben bundesweiten Vorgaben, in der praktischen Umsetzung kรถnnen jedoch Abweichungen entstehen, zum Beispiel bei der Bewertung, ob eine Wohnung als angemessen gilt.
Einkommen, Vermรถgen und Unterhaltsverpflichtungen
In beiden Systemen wird geprรผft, welches Einkommen und Vermรถgen vorhanden ist. Allerdings unterscheidet sich der Blick auf Angehรถrige:
Bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung wird auf das Einkommen von Kindern oder Eltern erst ab einem Jahreseinkommen von รผber 100.000 Euro zurรผckgegriffen.
Fรผr viele Betroffene ist das eine Entlastung: Selbst wenn die Kinder gut verdienen, mรผssen sie nur unter bestimmten Bedingungen und in begrenzter Hรถhe Unterhalt leisten. Die Grundsicherung selbst bleibt in der Regel bestehen.
Beim Bรผrgergeld nach SGB II wird dagegen Einkommen und Vermรถgen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft berรผcksichtigt. Das Einkommen eines Partners oder einer Partnerin kann damit unmittelbar den Leistungsanspruch mindern.
Zu den Details der Vermรถgensfreibetrรคge, Karenzzeiten und Schonvermรถgen haben sich mit der Einfรผhrung des Bรผrgergeldes 2023 รnderungen ergeben. Da diese Regelungen immer wieder angepasst werden, sollte man im Einzelfall aktuelle Beratungsangebote nutzen.
Mitwirkungspflichten und Sanktionen
Wer Bรผrgergeld erhรคlt, muss in der Regel aktiv an der Eingliederung in Arbeit mitwirken, zum Beispiel durch Bewerbungen oder Maรnahmen zur beruflichen Integration. Die Grundsicherung fรผr Arbeitsuchende ist erklรคrtermaรen darauf ausgerichtet, Hilfebedรผrftigkeit zu verringern und durch Eingliederung in Arbeit zu beenden.
Beim Sozialamt stehen dagegen der reine Lebensunterhalt und zusรคtzliche Hilfen in besonderen Lebenslagen im Vordergrund. Die Pflicht zur Mitwirkung bleibt, etwa beim Nachweis von Einkommen, Vermรถgen und Wohnkosten.
Allerdings gibt es keine Vermittlung in Arbeit รผber das Sozialamt und keine arbeitsmarktbezogenen Sanktionen wie im SGB II. Leistungskรผrzungen kรถnnen dennoch erfolgen, wenn wesentliche Mitwirkungspflichten verletzt werden, etwa wenn notwendige Auskรผnfte dauerhaft verweigert werden.
Der Ablauf des Wechsels vom Bรผrgergeld in die Sozialhilfe
Theoretisch ist vorgesehen, dass der Wechsel vom Jobcenter zum Sozialamt ohne Leistungsunterbrechung erfolgt. In der Praxis erleben Betroffene jedoch hรคufig Unsicherheiten und Verzรถgerungen.
Feststellung der Erwerbsfรคhigkeit
Zu Beginn steht die Frage im Raum: Ist jemand erwerbsfรคhig oder nicht?
Beim Wechsel vom Jobcenter zum Sozialamt wird diese Frage meist durch medizinische Gutachten geklรคrt, etwa durch den รคrztlichen Dienst der Agentur fรผr Arbeit oder die Deutsche Rentenversicherung.
Die Fachliteratur betont, dass Erwerbsfรคhigkeit beziehungsweise Erwerbsunfรคhigkeit der entscheidende Maรstab fรผr die Zustรคndigkeit von Jobcenter und Sozialamt ist.
Leitet das Jobcenter ein Verfahren nach ยง 44a SGB II ein, wird zunรคchst geprรผft, ob eine Erwerbsunfรคhigkeit vorliegt. In den fachlichen Weisungen ist ausdrรผcklich festgehalten, dass die Leistungsbewilligung im SGB II erst aufgehoben werden darf, wenn mit dem Trรคger der Sozialhilfe Einvernehmen รผber dessen Zustรคndigkeit erzielt wurde.
Antragstellung beim Sozialamt
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie Hilfe zum Lebensunterhalt werden nur auf Antrag gewรคhrt. Viele Kommunen verlangen eine persรถnliche Vorsprache oder einen schriftlichen Antrag. Stรคdte wie Hannover erlรคutern in ihren Bรผrgerinformationen, dass Grundsicherung zunรคchst in der Regel fรผr zwรถlf Monate bewilligt wird; danach sind die wirtschaftlichen Verhรคltnisse erneut nachzuweisen.
Wichtig ist, dass der Antrag rechtzeitig gestellt wird. Im Bereich der Grundsicherung wirkt der Antrag zwar grundsรคtzlich auf den Monatsersten zurรผck, in dem alle Voraussetzungen erfรผllt sind.
Um dennoch kein Risiko einzugehen, sollten Betroffene den Antrag mรถglichst frรผh einreichen, idealerweise sobald absehbar ist, dass das Jobcenter nicht mehr zustรคndig sein wird.
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Bescheid prรผfenNahtlose Leistungsgewรคhrung: Vermeidung von Lรผcken
Mehrere Gerichtsentscheidungen und Fachanweisungen betonen, dass es beim Wechsel zwischen den Leistungstrรคgern keine Lรผcke in der Existenzsicherung geben darf. Dieses Prinzip der nahtlosen Leistungsgewรคhrung bedeutet: Der bisherige Trรคger muss weiterzahlen, bis der andere tatsรคchlich รผbernimmt.
Fรผr die Praxis heiรt das: Hรคlt das Jobcenter jemanden nicht mehr fรผr erwerbsfรคhig, darf es die Leistungen nicht einfach einstellen, solange nicht klar ist, dass das Sozialamt nahtlos รผbernimmt. Umgekehrt muss auch das Sozialamt weiterzahlen, wenn es eine Person fรผr erwerbsfรคhig hรคlt und der รbergang zum Jobcenter noch nicht geregelt ist.
In der Realitรคt kommt es jedoch vor, dass Betroffene zwischen Jobcenter und Sozialamt hin- und hergeschickt werden. In solchen Situationen kann es hilfreich sein, schriftliche Bescheide zu verlangen und ggf. Widerspruch einzulegen oder rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen.
Typische Konflikte zwischen Jobcenter und Sozialamt
Konflikte entstehen hรคufig an der Schnittstelle zwischen SGB II und SGB XII. Fachbeitrรคge sprechen von einer systematischen Spannung: Die Zustรคndigkeit hรคngt von der Erwerbsfรคhigkeit ab, und รผber diese Einschรคtzung besteht zwischen Jobcenter und Sozialamt nicht immer Einigkeit.
Ein klassisches Problem ist der sogenannte โPing-Pong-Effektโ: Das Jobcenter hรคlt eine Person fรผr nicht erwerbsfรคhig und verweist an das Sozialamt. Dieses sieht das anders und verweist zurรผck ans Jobcenter. Rechtlich ist vorgesehen, dass in einem solchen Streit das Jobcenter zunรคchst weiterleistet, bis eine verbindliche Klรคrung vorliegt.
Fรผr Betroffene ist wichtig, sich davon nicht verunsichern zu lassen. Maรgeblich ist immer ein schriftlicher Bescheid, gegen den man Rechtsmittel einlegen kann. Mรผndliche Aussagen am Schalter haben keine vergleichbare Wirkung.
Was Betroffene konkret tun kรถnnen, um den รbergang gut zu bewรคltigen
Wer absehen kann, dass er vom Jobcenter zum Sozialamt wechseln wird โ etwa wegen Erreichen der Altersgrenze oder laufendem Renten- oder Reha-Verfahren โ sollte frรผhzeitig aktiv werden.
Hilfreich ist es, wichtige Unterlagen geordnet bereitzuhalten. Dazu gehรถren insbesondere aktuelle Mietvertrรคge und Nachweise zu Heizkosten, Kontoauszรผge, Bescheide รผber Renten oder andere Leistungen, Nachweise รผber Versicherungen sowie รคrztliche Unterlagen und Rentengutachten. Beim Erstkontakt mit dem Sozialamt beschleunigt eine vollstรคndige Unterlagenmappe die Prรผfung.
Sinnvoll ist auรerdem, sich beraten zu lassen. In vielen Stรคdten bieten Wohlfahrtsverbรคnde wie Caritas, Diakonie, AWO oder unabhรคngige Sozialberatungsstellen Unterstรผtzung bei Antrรคgen und Widersprรผchen an. Sozialverbรคnde wie VdK oder SoVD unterstรผtzen Mitglieder zudem rechtlich im Sozialrecht.
Wer unsicher ist, ob Jobcenter oder Sozialamt zustรคndig ist, sollte beide Stellen schriftlich ansprechen und sich Bescheide geben lassen. So lรคsst sich spรคter nachvollziehen, welche Stelle welche Entscheidung getroffen hat.
Sozialamt statt Jobcenter: Was sich im Alltag verรคndert
Der Wechsel vom Jobcenter zum Sozialamt verรคndert nicht nur den zustรคndigen Ansprechpartner, sondern meist auch den Alltag.
Der Druck zur Arbeitsaufnahme tritt deutlich in den Hintergrund.
Es gibt kein Kooperationsplan, keine Bewerbungsauflagen und keine Pflicht, an arbeitsmarktpolitischen Maรnahmen teilzunehmen. Wer dauerhaft voll erwerbsgemindert ist oder die Altersgrenze erreicht hat, wird nicht mehr in Richtung Arbeitsmarkt โgesteuertโ.
Dafรผr rรผckt eine andere Perspektive in den Vordergrund: Die Sicherung des Lebensabends oder das Leben mit einer lรคngerfristigen gesundheitlichen Einschrรคnkung. Viele Betroffene nutzen ergรคnzende Leistungen wie Hilfe zur Pflege, Hilfen zur Gesundheit oder Hilfen in besonderen Lebenslagen, die im SGB XII verankert sind und vom Sozialamt erbracht werden.
Die Leistungen kรถnnen sich im Einzelfall geringfรผgig erhรถhen oder auch leicht verringern, je nach Art des bisherigen Bรผrgergeldbezugs, vorhandenen Renten und den kommunalen Angemessenheitsgrenzen bei den Unterkunftskosten.
Praxisbeispiel: Vom Jobcenter zum Sozialamt
Herr M., 59 Jahre alt, war viele Jahre als Lagerarbeiter tรคtig. Nach mehreren Operationen an der Wirbelsรคule ist er nur noch eingeschrรคnkt belastbar. Das Jobcenter zahlt ihm Bรผrgergeld, verlangt aber weiterhin Bewerbungsbemรผhungen und die Teilnahme an einer Maรnahme. Herr M. fรผhlt sich damit dauerhaft รผberfordert und klagt รผber zunehmende Schmerzen.
Auf Veranlassung des Jobcenters wird ein รคrztliches Gutachten erstellt. Der รคrztliche Dienst kommt zu dem Ergebnis, dass Herr M. voraussichtlich auf Dauer weniger als drei Stunden tรคglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann.
Das Jobcenter fordert ihn auf, eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Die Deutsche Rentenversicherung stellt schlieรlich eine unbefristete volle Erwerbsminderung fest.
Damit ist klar: Herr M. gilt dauerhaft als nicht erwerbsfรคhig. Das Jobcenter informiert das Sozialamt, Herr M. stellt dort einen Antrag auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Nach Prรผfung seiner Miete, seiner kleinen Rentenansprรผche und seines Vermรถgens bewilligt das Sozialamt die Leistung.
Die Zahlungen des Jobcenters enden, die Grundsicherung setzt direkt im Folgemonat ein. Fรผr Herrn M. verรคndert sich vor allem eines: Er muss keine Bewerbungsnachweise mehr fรผhren, sondern erhรคlt nun Unterstรผtzung, die auf seine dauerhafte gesundheitliche Einschrรคnkung zugeschnitten ist.
Fรผnf Fragen und Antworten zum Wechsel vom Bรผrgergeld zur Sozialhilfe
Frage 1: Wann erfolgt der Wechsel vom Bรผrgergeld zur Grundsicherung im Alter?
Antwort: Der Wechsel erfolgt in der Regel, wenn eine Person die gesetzliche Altersgrenze fรผr die regulรคre Altersrente erreicht hat und die eigenen Renten- und Einkommensteile nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt zu decken. Dann endet der Anspruch auf Bรผrgergeld und es kommt Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII in Betracht. Voraussetzung ist ein entsprechender Antrag beim Sozialamt, der idealerweise einige Monate vor dem Rentenbeginn gestellt wird.
Frage 2: Was passiert, wenn jemand gesundheitlich so eingeschrรคnkt ist, dass Arbeiten kaum noch mรถglich ist?
Antwort: In solchen Fรคllen prรผft zunรคchst das Jobcenter, ob weiterhin Erwerbsfรคhigkeit vorliegt. Es beauftragt ein Gutachten, oft รผber den รคrztlichen Dienst oder die Deutsche Rentenversicherung.
Wird eine volle und voraussichtlich dauerhafte Erwerbsminderung festgestellt, scheidet die betroffene Person aus dem Bรผrgergeld-System aus. Zustรคndig ist dann das Sozialamt fรผr die Grundsicherung bei Erwerbsminderung, soweit kein ausreichendes Einkommen oder Vermรถgen vorhanden ist. Wichtig ist, dass parallel zum Gutachten rechtzeitig ein Antrag beim Sozialamt gestellt wird.
Frage 3: Gibt es auch einen Wechsel zur Hilfe zum Lebensunterhalt, ohne dass eine dauerhafte Erwerbsminderung vorliegt?
Antwort: Ja. Wenn eine Person vorรผbergehend voll erwerbsgemindert ist und nicht mit einer erwerbsfรคhigen Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, kann Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zustรคndig sein.
Das betrifft etwa Menschen, die aufgrund einer schweren Erkrankung fรผr einen รผberschaubaren Zeitraum nicht arbeiten kรถnnen, aber allein wohnen. Lebt dagegen eine erwerbsfรคhige Person im selben Haushalt und bildet mit der betroffenen Person eine Bedarfsgemeinschaft, bleibt hรคufig das Jobcenter zustรคndig, und die erwerbsunfรคhige Person erhรคlt Sozialgeld.
Frage 4: Muss das Jobcenter sofort aufhรถren zu zahlen, wenn das Sozialamt ins Spiel kommt?
Antwort: Nein. Grundsรคtzlich soll es keine Lรผcke in der Existenzsicherung geben. Solange die Zustรคndigkeit nicht abschlieรend geklรคrt ist, hat der bisherige Leistungstrรคger weiterzuzahlen.
Hรคlt das Jobcenter jemanden fรผr nicht mehr erwerbsfรคhig, darf es Leistungen nicht einfach einstellen, wenn das Sozialamt noch nicht bewilligt hat. Umgekehrt muss das Sozialamt helfen, wenn es jemanden fรผr nicht erwerbsfรคhig hรคlt und das Jobcenter (noch) nicht รผbernimmt. Betroffene sollten immer auf schriftlichen Bescheiden bestehen und sich bei drohenden Lรผcken beraten lassen.
Frage 5: Wie lรคuft der Wechsel ganz praktisch ab und was sollten Betroffene tun?
Antwort: Praktisch beginnt der Wechsel oft mit einem Hinweis des Jobcenters, dass eine Erwerbsminderungsrente zu beantragen sei oder dass Erwerbsfรคhigkeit bezweifelt wird. Parallel sollten Betroffene selbst aktiv werden, Unterlagen wie Mietvertrag, Nachweise zu Heizkosten, Kontoauszรผge, Rentenbescheide und รคrztliche Unterlagen zusammenstellen und beim Sozialamt einen Antrag auf Grundsicherung oder Hilfe zum Lebensunterhalt stellen.
Wachsende Bedeutung der Sozialhilfe
Die Sozialhilfeausgaben in Deutschland sind in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes gaben die Trรคger im Jahr 2024 netto rund 20,2 Milliarden Euro fรผr Leistungen nach dem SGB XII aus, etwa 14,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Den grรถรten Anteil hatte die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung mit 11,4 Milliarden Euro.
Diese Entwicklung zeigt, dass immer mehr Menschen โ vor allem รคltere Personen und dauerhaft Erwerbsgeminderte โ auf Leistungen des Sozialamts angewiesen sind. Zugleich macht sie deutlich, wie wichtig ein reibungsloser รbergang vom Jobcenter zum Sozialamt ist.
Aus Sicht der Betroffenen darf ein Zustรคndigkeitswechsel niemals dazu fรผhren, dass Miete, Strom oder Lebensmittel nicht mehr bezahlt werden kรถnnen.
Kurz & Knapp: Wechsel gut vorbereiten, Rechte kennen, Hilfe nutzen
Der Wechsel vom Jobcenter zum Sozialamt ist in erster Linie eine Folge rechtlicher Einordnung: Wer erwerbsfรคhig ist, bleibt im System des Bรผrgergeldes; wer es nicht mehr ist oder die Altersgrenze erreicht, fรคllt in den Bereich der Sozialhilfe.
Damit dieser รbergang nicht in Unsicherheit oder Leistungslรผcken mรผndet, ist es wichtig, einige Punkte zu beachten: Wer gesundheitliche Probleme hat oder sich der Altersgrenze nรคhert, sollte frรผhzeitig klรคren, welcher Leistungstrรคger in Zukunft zustรคndig sein wird.
Antrรคge beim Sozialamt sollten rechtzeitig gestellt werden, um eine Rรผckwirkung innerhalb des Monats, aber vor allem eine durchgehende Zahlung sicherzustellen.
Bei Unklarheiten und Streit zwischen Behรถrden helfen Sozialberatungsstellen, Sozialverbรคnde und โ wenn nรถtig โ Fachanwรคltinnen und Fachanwรคlte fรผr Sozialrecht.




