Millionen Rentner müssen trotz Rente weiterarbeiten

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In Deutschland steigt die Zahl der Erwerbstätigen im Rentenalter kontinuierlich an. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung waren Ende 2022 rund 1,35 Millionen der insgesamt 18,6 Millionen Rentner berufstätig. Besonders betroffen sind die Altersgruppen zwischen 65 und 74 Jahren, bei denen 13 Prozent weiterhin arbeiten. Jenseits des 75. Lebensjahres sinkt die Erwerbsquote jedoch merklich.

Die Zahlen sind stark gestiegen

Eine Untersuchung des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass die Zahl der Erwerbstätigen über 70 Jahre zwischen 2020 und 2023 von 469.000 auf 599.000 gestiegen ist. Diese Entwicklung ist Ausdruck sowohl einer steigenden Lebenserwartung als auch finanzieller Zwänge und persönlicher Motive. Laut der Statistik arbeiten 33 Prozent dieser Menschen aus finanziellen Gründen, während 29 Prozent ihre berufliche Tätigkeit aus Freude an der Arbeit fortsetzen.

Finanzielle Zwänge durch geringe Renten

Viele Rentner arbeiten, weil ihre Altersbezüge nicht ausreichen, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Bertha G., 69 Jahre alt, veranschaulicht diese Problematik. Mit einer monatlichen gesetzlichen Rente von 913 Euro und einem geringen Zuverdienst aus ihrer Arbeit als Reinigungskraft und Alltagsassistentin kommt sie insgesamt auf 1.350 Euro monatlich.

Trotz dieser Summe muss sie sparsam wirtschaften, um über die Runden zu kommen. Solche Fälle verdeutlichen, dass die gesetzliche Altersvorsorge für viele Menschen nur eine Existenzsicherung darstellt.

Niedrige Renten durch unterbrochene Erwerbsbiografien

Frauen sind häufig von Altersarmut betroffen, insbesondere wenn sie Kinder erzogen oder Pflegearbeit geleistet haben. Solche Sorgearbeit führt häufig zu lückenhaften Erwerbsbiografien und niedrigen Renten. Laut Bruno Steinmann von der Arbeiterwohlfahrt sind solche Lebensläufe ein Hauptrisikofaktor für Altersarmut.

Diese Umstände verstärken das Risiko sozialer Isolation, da finanzielle Mittel für Freizeitaktivitäten oder Geschenke oft fehlen.

Persönliche Erlebnisse und Lebensentscheidungen

Die persönliche Geschichte von Harald S., einem 74-jährigen Rentner, zeigt weitere Hintergründe für Erwerbstätigkeit im Alter. Nach Arbeitslosigkeit und einer Scheidung in der Lebensmitte fielen seine Rentenansprüche gering aus.

Mit einer gesetzlichen Rente von 905 Euro bleibt ihm keine Wahl, als weiterzuarbeiten. Als Fahrer für die Johanniter kann er monatlich bis zu 1.000 Euro hinzuverdienen, was ihm finanzielle Sicherheit und persönliche Erfüllung bietet.

Steigende Sozialhilfequote unter Rentnern

Die Zahl der Rentner, die zusätzlich Sozialhilfe beziehen, erreicht immer neue Höchstwerte. Im ersten Quartal 2024 lag sie bei nahezu 720.000. Diese Entwicklung zeigt, dass immer mehr Menschen selbst mit Grundsicherung ihre Lebenshaltungskosten nicht decken können.

Diskussion um Rentenreformen

Um Altersarmut entgegenzuwirken, diskutieren Politiker und Experten über Rentenreformen und das Renteneintrittsalter. Während FDP-Politiker wie Jens Teutrine eine Anhebung des Rentenalters befürworten, kritisieren Vertreter der SPD wie Lina Kassautzki diesen Ansatz als sozial unausgewogen. Der Fokus sollte stattdessen auf einer Verbesserung der gesetzlichen Renten liegen, um allen Rentnern ein auskömmliches Leben zu ermöglichen.

Arbeitgeber setzen auf erfahrene Rentner

In Zeiten des Fachkräftemangels erkennen Unternehmen das Potenzial  älterer Arbeitnehmer. Der Erfahrungsschatz und die Zuverlässigkeit von Rentnern gelten als wertvolle Ressourcen. Dennoch betonen Betroffene wie Bertha G., dass der Wiedereinstieg ins Berufsleben freiwillig bleiben sollte. Niemand sollte gezwungen sein, aus finanziellen Zwängen weiterzuarbeiten.

Beratung und Unterstützung für Rentner

Spezielle Projekte für Senioren zum Beispiel von der Arbeiterwohlfahrt bieten  umfassende Beratung zu Themen wie Grundsicherung, Sozialhilfe und Nebenverdienstmöglichkeiten. Die steigende Nachfrage nach solchen Beratungsangeboten zeigt den Bedarf an individueller Unterstützung.

Finanzielle Anreize für längeres Arbeiten

Die Bundesregierung plant finanzielle Anreize, um Rentner für eine längere Erwerbstätigkeit zu motivieren. Gewerkschaften kritisieren diese Vorstöße jedoch, da sie die strukturellen Probleme des Rentensystems nicht lösen.

Neben finanziellen Maßnahmen ist eine gesellschaftliche Aufwertung von Lebensleistungen notwendig. Die Diskussion über die soziale Gerechtigkeit im Rentensystem muss fortgesetzt werden, um langfristig eine Altersversorgung zu schaffen, die ein Leben in Würde ermöglicht.