Kindergeld wirkt im Alltag wie eine feste Größe. Viele Familien rechnen damit, bis ein Kind „einfach irgendwann“ aus dem System herausfällt. Genau darin liegt die häufigste Fehlerquelle: Der Anspruch endet nicht nur mit dem Erreichen einer Altersgrenze, sondern oft schon dann, wenn eine Lebensphase formal abgeschlossen ist, eine Pause zu lang wird oder eine Erwerbstätigkeit den Status als „berücksichtigungsfähiges Kind“ verändert. Wer das zu spät bemerkt oder Änderungen nicht meldet, riskiert Zahlungsstopps und Rückforderungen.
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Was „Anspruch verlieren“ in der Praxis bedeutet
Juristisch geht es nicht darum, ob das Kindergeld „gebraucht“ wird, ob Eltern Unterhalt zahlen oder ob das Kind eigenes Geld verdient. Entscheidend ist, ob die gesetzlichen Voraussetzungen im jeweiligen Zeitraum vorliegen.
Fällt eine Voraussetzung weg, hebt die Familienkasse die Festsetzung auf oder ändert sie. Das hat zwei typische Folgen: Entweder die Zahlung endet ab einem bestimmten Monat, oder bereits gezahltes Kindergeld wird als Überzahlung zurückgefordert.
Beides kann auch dann passieren, wenn die Familie subjektiv davon ausging, alles sei unverändert – etwa weil das Kind noch immatrikuliert ist, die Prüfung aber schon offiziell bestanden wurde.
Die Altersgrenzen: Warum am Ende oft der Monat zählt
Kindergeld wird monatsweise betrachtet und ausgezahlt. Altersgrenzen greifen deshalb in der Regel so, dass der Anspruch bis zum Ende des Monats läuft, in dem der maßgebliche Geburtstag liegt.
Eine Besonderheit kann entstehen, wenn der Geburtstag auf den ersten Tag eines Monats fällt: Dann ist die Altersgrenze zu Monatsbeginn bereits erreicht, und dieser Monat zählt nicht mehr. Das klingt kleinlich, entscheidet aber in Einzelfällen über eine letzte Zahlung.
Im Grundsatz gilt: Bis 18 ist Kindergeld die Regel. Danach wird es an Bedingungen geknüpft, die typischerweise bis maximal 21 oder 25 Jahre reichen – und in bestimmten Fällen auch darüber hinaus.
Bis 18: Der Anspruch endet selten „überraschend“, aber er ist nicht automatisch unsterblich
Bei minderjährigen Kindern ist der Anspruch vergleichsweise stabil. Dennoch kann er wegfallen, wenn die grundlegenden Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, etwa weil Zuständigkeiten in grenzüberschreitenden Fällen wechseln oder weil die Berechtigung der antragstellenden Person entfällt. In den meisten Familien tauchen die komplizierteren Fragen aber erst ab Volljährigkeit auf.
Ab 18: Ohne anerkannten Grund kein Kindergeld mehr
Mit dem 18. Geburtstag wird Kindergeld nicht automatisch gestrichen, es wird aber häufig prüfintensiver. Ab dann braucht es einen anerkannten Lebenssachverhalt, der das Kind weiterhin „berücksichtigungsfähig“ macht. In der Praxis sind das vor allem Schul- und Berufsausbildung, Studium, bestimmte Praktika mit Berufsbezug, kurze Übergangszeiten zwischen Ausbildungsabschnitten, die nachweisliche Suche nach einem Ausbildungs- oder Studienplatz, Arbeitsuchendmeldung bis 21 und – als Sonderfall – eine Behinderung, die eine eigenständige Existenzsicherung verhindert.
Bedeutet: Sobald Ihr Kind keinen dieser anerkannten Gründe mehr erfüllt, endet der Anspruch – unabhängig davon, ob es „gefühlt“ noch in einer Orientierungsphase ist.
Wenn Schule, Ausbildung oder Studium enden: Der häufigste Moment, in dem Kindergeld verloren geht
Viele Familien orientieren sich am Vertragsende der Ausbildung, an der Exmatrikulation oder am letzten Vorlesungstag. Kindergeldrechtlich ist jedoch oft ein anderes Datum maßgeblich: Bei betrieblicher Ausbildung oder Studium endet der Kindergeldanspruch regelmäßig in dem Monat, in dem das Kind schriftlich über das Gesamtergebnis der Abschlussprüfung informiert wird.
Das kann deutlich früher liegen als das formale Ende des Ausbildungsvertrags oder eine fortbestehende Immatrikulation. Wer dann weiter Kindergeld erhält, ohne dass ein neuer Berücksichtigungsgrund greift, läuft in eine Überzahlung hinein.
Umgekehrt gibt es Entlastung: Verzögert sich eine Ausbildung aus nachvollziehbaren Gründen, kann der Anspruch fortbestehen – vorausgesetzt, die Familienkasse wird informiert und die Verzögerung belegt.
Übergangszeiten: Kurze Pausen sind erlaubt, lange Pausen sind riskant
Zwischen zwei Ausbildungsabschnitten gibt es im Leben vieler junger Menschen Lücken: zwischen Abitur und Studium, zwischen Ausbildung und weiterführender Qualifikation, zwischen Bachelor und Master. Kindergeld kann in einer solchen Übergangszeit weiterlaufen, allerdings nur für maximal vier volle Kalendermonate – und nur, wenn der nächste Abschnitt tatsächlich innerhalb dieser Frist beginnt.
Sobald die Pause länger wird, muss ein anderer Berücksichtigungsgrund greifen. Häufig ist das die nachgewiesene Ausbildungs- oder Studienplatzsuche. Ohne diesen Nachweis wird die Zeit über vier Monate hinaus kindergeldrechtlich zur „Leerstelle“ – und genau dort verlieren viele Familien den Anspruch, ohne es sofort zu merken.
Ausbildungs- oder Studienplatzsuche: Anspruch ja, aber nur mit belastbaren Nachweisen
Wenn Ihr Kind eine Ausbildung oder ein Studium nicht beginnen oder fortsetzen kann, weil kein Platz verfügbar ist, kann Kindergeld weiter gezahlt werden. Die Familienkasse erwartet dann aber, dass ernsthafte Bemühungen erkennbar sind.
Das kann über Bewerbungen, Absagen, Nachweise der Berufsberatung oder eine Registrierung als ausbildungsplatzsuchend bei Agentur für Arbeit oder Jobcenter laufen. Wer hier „nur mündlich“ sucht oder die Dokumentation schleifen lässt, riskiert den Anspruch, weil es am Nachweis scheitert – nicht zwingend an der tatsächlichen Situation.
Nebenjob, Vollzeitjob, Zweitausbildung: Wann Arbeit den Anspruch kippt
Ein verbreiteter Irrtum lautet: „Wenn mein Kind verdient, fällt Kindergeld weg.“ So pauschal stimmt das nicht. Kindergeld hängt grundsätzlich nicht daran, ob und wie viel das Kind verdient. Der Knackpunkt entsteht erst, wenn das Kind bereits eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen hat und danach eine weitere Ausbildung macht. Dann wird eine Erwerbstätigkeit relevant, weil sie den Anspruch ausschließen kann.
In dieser Konstellation gilt grob: Eine regelmäßige Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden ist anspruchsschädlich. Unkritischer sind Tätigkeiten bis 20 Stunden, geringfügige Beschäftigungen und Konstellationen, in denen die Erwerbstätigkeit in einem Ausbildungsdienstverhältnis stattfindet. Wer nach der ersten Qualifikation in eine zweite Ausbildung oder ein Zweitstudium wechselt und zugleich in eine stabile Vollzeittätigkeit rutscht, verliert häufig den Kindergeldanspruch – selbst wenn die zweite Ausbildung formal läuft.
Besonders heikel ist die Abgrenzung zwischen „Zweitausbildung“ und einer mehraktigen, einheitlichen Erstausbildung.
Klassisches Beispiel ist der konsekutive Weg Bachelor und Master. Nach der Rechtsprechung kann ein Master noch Teil der Erstausbildung sein, wenn er in engem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang zum Bachelor steht und das angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden soll.
Beginnt das Kind den Master hingegen nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt oder steht die Erwerbstätigkeit klar im Vordergrund, wird es schneller als Zweitausbildung bewertet – mit den genannten Arbeitszeitfolgen. Das ist keine akademische Spitzfindigkeit, sondern entscheidet in vielen Familien über mehrere tausend Euro.
Arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldet: Kindergeld bis 21 – aber nicht ohne Status
Wenn ein volljähriges Kind nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, kann Kindergeld bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres weitergezahlt werden, sofern es bei der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter als arbeitsuchend gemeldet ist. Wichtig ist der formale Status: Allein der Bezug von Bürgergeld ersetzt diese Voraussetzung nicht automatisch. Auch kleinere Tätigkeiten können unschädlich sein, solange das Kind weiterhin arbeitsuchend gemeldet ist und die übrigen Kriterien erfüllt.
Freiwilligendienst und Bundeswehr: Zwischen anerkanntem Dienst und „Überbrückung“
Ein anerkannter Freiwilligendienst kann den Kindergeldanspruch im volljährigen Alter sichern, selbst wenn das Kind gerade keine klassische Ausbildung absolviert. Allerdings gilt auch hier: Es muss sich um einen Dienst handeln, der rechtlich anerkannt ist; bloße „Bemühungen um eine Stelle“ im Freiwilligendienst genügen nicht automatisch.
Beim freiwilligen Wehrdienst ist die Lage differenziert. Die Grundausbildung kann nach den Verwaltungshinweisen als Ausbildungsmaßnahme berücksichtigt werden.
Der weitergehende Dienst als Soldatin oder Soldat begründet jedoch nicht automatisch einen Anspruch. Anspruch kann dennoch bestehen, wenn parallel ein anderer Berücksichtigungsgrund vorliegt, etwa eine nachweisliche Ausbildungs- oder Studienplatzsuche. Der Bundesfinanzhof hat in einer Entscheidung aus 2025 genau an dieser Schnittstelle herausgearbeitet, wie eng die Anforderungen an den Nachweis und den zeitlichen Zusammenhang sein können.
Ehe, eingetragene Partnerschaft und eigenes Einkommen: Kein Automatismus, aber Detailregeln bleiben
Die Heirat Ihres Kindes führt heute nicht dazu, dass Kindergeld automatisch wegfällt. Verheiratete Kinder werden unter denselben Voraussetzungen berücksichtigt wie unverheiratete.
Ebenso gilt: Eigenes Einkommen des Kindes ist grundsätzlich unschädlich. Relevant wird Erwerbstätigkeit – wie beschrieben – vor allem nach Abschluss der ersten Ausbildung, wenn es um weitere Qualifikationen geht, oder bei Kindergeld wegen Behinderung, weil dort die finanzielle Eigenständigkeit geprüft wird.
Auslandsaufenthalte: Anspruch kann bestehen – und kann trotzdem verloren gehen
Auslandssachverhalte sind einer der häufigsten Gründe für Nachfragen, Verzögerungen und Aufhebungen. Kindergeld kann auch über Ländergrenzen hinweg gezahlt werden, etwa wenn Eltern in Deutschland steuerlich oder sozialversicherungspflichtig gebunden sind.
Gleichzeitig werden Ansprüche häufig mit ausländischen Familienleistungen abgestimmt, manchmal wird nur ein Differenzbetrag gezahlt, und es werden zusätzliche Nachweise verlangt. Wer den Auslandsstatus nicht sauber dokumentiert oder Änderungen nicht mitteilt, riskiert, dass die Familienkasse den Anspruch nicht weiter festsetzt.
Auch ein Au-pair-Aufenthalt kann kindergeldrechtlich funktionieren, allerdings typischerweise nur dann, wenn ein Sprachkurs in einem bestimmten Umfang nachgewiesen wird. Fehlt dieser, wird der Aufenthalt schnell als „Arbeit im Ausland“ gewertet – und dann fällt der Ausbildungsbezug weg.
Behinderung: Anspruch über 25 hinaus – aber nur, wenn die Voraussetzungen wirklich erfüllt sind
Für erwachsene Kinder mit Behinderung kann Kindergeld auch über die sonstige Altersgrenze hinaus gezahlt werden. Entscheidend ist, dass die Behinderung vor dem maßgeblichen Alter eingetreten ist und dass das Kind wegen der Behinderung finanziell nicht in der Lage ist, seinen notwendigen Lebensbedarf aus eigenen Mitteln zu decken.
Nach Erreichen der üblichen Altersgrenzen kommt hinzu, dass es weiterhin eine Person geben muss, an die Kindergeld ausgezahlt werden kann. Hier prüft die Familienkasse besonders genau, welche Mittel dem Kind zur Verfügung stehen und wie der Bedarf zu bestimmen ist.
Mitteilungspflichten, Fragebögen und Rückforderungen: So entsteht der finanzielle Schaden
Viele Rückforderungen entstehen nicht durch „falsches Verhalten“, sondern durch fehlende Kommunikation. Die Familienkasse prüft regelmäßig, ob die Voraussetzungen noch vorliegen, und fordert Nachweise an. Wer nicht fristgerecht reagiert, riskiert, dass Zahlungen unterbrochen werden, obwohl der Anspruch eigentlich noch besteht. Umgekehrt gilt: Wer Änderungen nicht meldet, kann Überzahlungen ansammeln, die später vollständig zurückverlangt werden.
Wichtig ist außerdem die zeitliche Grenze bei Nachzahlungen: Kindergeld kann zwar rückwirkend beantragt werden, die rückwirkende Auszahlung ist jedoch auf sechs Monate begrenzt. Wer eine Anspruchsphase zu spät „einreicht“, kann daher Geld verlieren, obwohl der Anspruch dem Grunde nach bestand.
Quellen
Bundesagentur für Arbeit, „Merkblatt Kindergeld“ (PDF; u. a. Arbeitsuchendmeldung bis 21, Berufsausbildung bis 25, Übergangszeit 4 Monate, Ausbildungsende, Erwerbstätigkeit/20-Stunden-Grenze, Freiwilligendienst, Grundausbildung im freiwilligen Wehrdienst)




