Die Hartz IV-Härtefallregelung greift nur in sehr wenigen Fällen.
(04.05.2010) Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar fest gestellt, dass die Höhe der Hartz IV Regelleistungen tatsächlich verfassungsgemäß ist, nicht jedoch die Bemessungsgrundlage. Zudem bemängelte das oberste deutsche Gericht darauf, dass für ALG II Bezieher eine "Härtefallklausel" für "unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligem und besonderem Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums" bisher nicht vorgesehen war. So hatten die Verfassungsrichter dem angeordnet eine entsprechende Härtefallregelung sofort einzuführen. Diese ist jedoch äußerst eng gefasst:
Arbeitslosengeld II Bezieher in Härtefällen können sofort Leistungen bei den entsprechenden SGB II-Behörden geltent machen. Diese Regelung greift allerdings nur bei "unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligem und besonderem Bedarf zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums, wenn der Bedarf so erheblich ist, dass mit den dem Hilfebedürftigen gewährten Leistungen – einschließlich der Leistungen Dritter – und unter Berücksichtigung der Einsparmöglichkeiten des Hilfebedürftigen das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet ist." Eine entsprechende Regelung hat nun der Deutsche Bundestag am 23 April geschaffen. Laut dem Erwerbslosenverein "Tacheles e.V." könnte eine Härtefallregelung für Hartz IV-Bezieher in folgen Fällen greifen:
1. Laufende erhebliche Kosten bei kranken und behinderten Menschen, z.B.:
– nicht verschreibungspflichtige Arznei-/Heilmittel (Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit (GA) 08/10).
– Putz-/Haushaltshilfe für Rollstuhlfahrer (GA 08/10 v.).
– medezinisch notwendige Verbandsstoffe, Salben, Pflegemittel, z.B. bei Neurodermitis (GA 08/10).
– Hygieneartikel bei AIDS und sonstigen Bedarfen (GA 08/10).
– Warmwasserkosten (auch mit Strom) wegen erhöhtem Hygienebedarf bei Krankheit.
– notwendige medizinische Fußpflege (ist nur bei Diabetes Kassenleistung).
– erhöhte Mobilitätskosten bei Behinderung (z.B. Taxi).
– Hörgerätebatterien, Reinigung- und Pflegekosten von Hilfsmitteln.
– Dolmetscherkosten bei Gehörlosen (außerhalb von § 17 Abs. 2 SGB I).
– im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht vorgesehene ärztliche oder zahnärztliche Behandlungen kann eine besondere Lebenslage sein (info also 2/2010, S. 61, LSG Bayern, L 7 B 668/08 AS PKH).
2. Umgangs- und Besuchskosten für Elternteile:
– Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechtes, wie Fahrt- und Übernachtungskosten (GA 08/10).
– Umgangs- und Besuchskosten auch bei Wohnsitz der Kinder im Ausland (LSG NRW L 9 AS 80/06 zu § 73 SGB XII).
– Kosten des Besuches Inhaftierter (LPK – SGB XII, § 73, Rz 6, Hauck/Noftz, SGB II, § 23 Rz 130, info also 2/2010, S. 59/60)
– Kosten des Besuches bei dauerhaftem Krankenhausaufenthalt von Kindern oder Partnern.
3. Differenzbetrag private- zur gesetzlichen Krankenversicherung:
Beträge für private Kranken- und Pflegeversicherungen bei privat Versicherten, die nicht vom SGB II-Träger übernommen werden (SG Chemnitz S 3 AS 462/10 ER). (Für den Zusatzbeitrag bei der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es eine eigengesetzliche Grundlage in § 26 Abs. 4 SGB II.)
4. Nachhilfeunterricht/Bildungskosten:
– Nachhilfe bei besonderen Anlass, z.B. bei langfristiger Erkrankung oder Todesfall in der Familie (GA 08/10)
– Nachhilfe, wenn ein Kind aufgrund schwieriger sozialer Umstände zusätzliche Hilfe benötigt, um nicht „sitzen zu bleiben” oder in einen anderen Schulzweig abzurutschen.
– Kosten für ein besonderes Schulprojekt, das über das ganze Schuljahr läuft, wenn z.B. regelmäßige eintägige Exkursionen nötig sind.
– Rechtsanwalt Uwe Klerks vertritt in info also 2/2010, dass aufgrund des „völligen Ermittlungsausfall im Hinblick auf den kinderspezifischen Bedarf” (BVerfG, s.o.) die notwendigen Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten zu den existenziellen, über die Härtefallregelung zu deckenden Bedarfe gehören (info also 2/2010 S. 56 ff).
5. Sonstige Fälle:
Bei besonderen überdurchschnittlichen Bedarfen z.B. bei Unter- oder Übergrößen an Bekleidung oder hohen Energieverbrauch an Haushaltsenergie aus zwingenden Gründen kann eine Härtfallgrund vorliegen (info also 2/2010 S. 62 ff). (Anmerkung von Tacheles e.V.: aus den Protokollen der Bundestagssitzung vom 23 April ist ersichtlich, dass die Bundesregierung grade bei Ober- und Untergrößen einen Riegel vorschieben will, näheres wissen wir noch nicht, da die gesetzliche Änderung noch nicht bekannt ist).
Die Bundesagentur für Arbeit weist darauf hin, dass ihre Liste zur Härtefallregelung nicht abschließend ist (GA 08/10). Außerdem stellt sie zurecht klar, dass bei Entscheidungen über Härtefälle die Literatur und Rechtsprechung zu § 73 und § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII heranzuziehen sind. Sozialgerichte müssen nun in Einfällen entscheiden, wann die Härtefallregelung zudem greifen kann. Die Liste kann daher nicht als abschließend angesehen werden. (Quelle u.a. Tacheles e.V.)
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