Wann beginnt beim Krankengeld die 3. Jahresfrist wieder neu?

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Die Antwort auf die Frage, wann beim Krankengeld die โ€ž3-Jahresfristโ€œ wieder neu beginnt, ist komplizierter, als viele denken. Entscheidend ist, ob es um dieselbe oder um eine andere Krankheit geht, ob bereits 78 Wochen Krankengeld ausgeschรถpft wurden und ob bestimmte Wartezeiten eingehalten wurden.

Gesetzlich Versicherte erhalten Krankengeld, wenn sie lรคnger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfรคhig sind und der Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung mehr leisten muss.

Rechtsgrundlage ist ยง 48 SGB V. Dort steht: Krankengeld wird wegen derselben Krankheit hรถchstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren gezahlt, gerechnet ab dem Tag, an dem die Arbeitsunfรคhigkeit wegen dieser Krankheit zum ersten Mal festgestellt wurde.

Diese Dreijahreszeitrรคume nennt man โ€žBlockfristenโ€œ. Innerhalb einer Blockfrist werden alle Krankengeldzeiten wegen derselben Erkrankung auf die Hรถchstdauer von 78 Wochen zusammengerechnet โ€“ auch wenn die Krankschreibungen unterbrochen waren.

Die erste Blockfrist: Start ab der ersten Krankschreibung

Die erste 3-Jahresfrist beginnt immer mit dem Tag, an dem Sie wegen einer bestimmten Krankheit erstmals arbeitsunfรคhig geschrieben werden. Nicht entscheidend ist, wann das erste Mal Krankengeld gezahlt wird, sondern wann die Arbeitsunfรคhigkeit beginnt; die ersten sechs Wochen Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers zรคhlen zeitlich mit in die Blockfrist hinein.

Ein Beispiel verdeutlicht das Prinzip:
Wird jemand am 10. Oktober 2022 wegen Krankheit X zum ersten Mal arbeitsunfรคhig geschrieben, lรคuft die erste Blockfrist fรผr diese Krankheit vom 10. Oktober 2022 bis zum 9. Oktober 2025. Innerhalb dieses Zeitraums kann maximal 78 Wochen Krankengeld fรผr Krankheit X gezahlt werden; Zeiten von Lohnfortzahlung werden zeitlich mitgerechnet, auch wenn dort noch kein Krankengeld flieรŸt.

Wichtig ist also: Die 3-Jahresfrist hรคngt immer an der Krankheit und dem Datum der ersten Krankschreibung wegen dieser Krankheit.
Wann beginnt die 3-Jahresfrist wieder neu โ€“ ganz grundsรคtzlich?

Es gibt drei Konstellationen, in denen von einem โ€žNeubeginnโ€œ der Dreijahresfrist gesprochen wird:
1. Es beginnt eine neue Blockfrist fรผr dieselbe Krankheit, weil der vorherige Dreijahreszeitraum abgelaufen ist.
2. Es liegt eine andere, neue Krankheit vor โ€“ dann entsteht fรผr diese neue Diagnose ein eigener Dreijahreszeitraum.

Fรผr dieselbe Krankheit wird nach Aussteuerung erneut Krankengeld mรถglich; hierfรผr greift zusรคtzlich die sogenannte 6-Monats-Regel aus ยง 48 Abs. 2 SGB V.

Diese drei Fรคlle mรผssen sauber voneinander unterschieden werden, weil sie rechtlich unterschiedlich behandelt werden.

Neue Blockfrist fรผr dieselbe Krankheit: Automatisch nach drei Jahren

Fรผr dieselbe Krankheit gilt: Die Blockfrist lรคuft starr drei Jahre ab dem ersten Tag der Arbeitsunfรคhigkeit. Endet diese erste Blockfrist, beginnt am folgenden Tag automatisch die nรคchste Blockfrist fรผr dieselbe Krankheit โ€“ unabhรคngig davon, ob Betroffene zu diesem Zeitpunkt krankgeschrieben sind oder gesund arbeiten.

Im Beispiel von oben:
Erste Krankschreibung wegen Krankheit X am 10. Oktober 2022.
Erste Blockfrist: 10.10.2022 bis 09.10.2025. Die zweite Blockfrist beginnt automatisch am 10. Oktober 2025 und lรคuft bis 9. Oktober 2028.

Entscheidend ist nun: Ein โ€žNeubeginnโ€œ der Dreijahresfrist bedeutet nicht automatisch, dass auch ein neuer voller Anspruch von 78 Wochen Krankengeld besteht. Es kommt darauf an, ob in der vorherigen Blockfrist die 78 Wochen ausgeschรถpft wurden und ob die besonderen Voraussetzungen des ยง 48 Abs. 2 SGB V erfรผllt sind.

Neuer 3-Jahreszeitraum bei einer anderen Krankheit

Ganz anders ist die Situation, wenn es sich um eine komplett andere Krankheit handelt. Dann knรผpft das Gesetz nicht an die vorherigen Blockfristen an. Fรผr jede andere Erkrankung beginnt eine eigene 3-Jahresfrist mit der ersten Krankschreibung wegen dieser neuen Diagnose. Mehrere Blockfristen kรถnnen also nebeneinander laufen, wenn verschiedene Diagnosen vorliegen.

Wer beispielsweise 2022 wegen eines Bandscheibenvorfalls und 2023 erstmals wegen einer schweren Depression krankgeschrieben wird, hat fรผr jede Erkrankung einen eigenen Dreijahreszeitraum und damit getrennte 78-Wochen-Hรถchstgrenzen. Ob zwei Diagnosen als โ€ždieselbe Krankheitโ€œ gelten, hรคngt von der medizinischen und rechtlichen Bewertung ab. MaรŸgeblich ist, ob ein einheitliches Krankheitsgeschehen vorliegt.

Die 6-Monats-Regel: Wann gibt es wegen derselben Krankheit ein โ€žneuesโ€œ Krankengeld?

Die meisten praktischen Probleme entstehen an dem Punkt, an dem die 78 Wochen Krankengeld wegen einer Krankheit bereits ausgeschรถpft sind (โ€žAussteuerungโ€œ), die Betroffenen aber spรคter erneut wegen derselben Diagnose arbeitsunfรคhig werden.
ยง 48 Abs. 2 SGB V regelt fรผr diese Fรคlle, unter welchen Bedingungen wieder Krankengeld wegen derselben Krankheit gezahlt werden kann. Die Vorschrift verlangt im Kern zwei Dinge:

1. Erstens muss ein neuer Dreijahreszeitraum begonnen haben.
2. Zweitens muss der Versicherte nach der letzten Phase der Arbeitsunfรคhigkeit wegen dieser Krankheit mindestens sechs Monate lang nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfรคhig gewesen sein und in dieser Zeit erwerbstรคtig gewesen sein oder der Arbeitsvermittlung zur Verfรผgung gestanden haben (zum Beispiel mit Anspruch auf regulรคres Arbeitslosengeld I, nicht aber im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung).

Diese 6-Monats-Regel ist also eine zusรคtzliche Hรผrde, wenn die 78 Wochen bereits ausgeschรถpft wurden. Sie verhindert, dass ohne eine gewisse Stabilisierung des Gesundheitszustands nahtlos erneut ein voller Anspruch von bis zu 78 Wochen fรผr dieselbe Krankheit entsteht.

Neubeginn der Dreijahresfrist ohne 6-Monats-Regel: Wenn 78 Wochen noch nicht ausgeschรถpft wurden

Es gibt aber auch Konstellationen, in denen zwar eine neue Blockfrist beginnt, die 78 Wochen in der vorangegangenen Blockfrist jedoch noch gar nicht vollstรคndig verbraucht wurden. Dann entsteht in der neuen Blockfrist ein โ€žfrischerโ€œ Anspruch auf bis zu 78 Wochen Krankengeld, ohne dass die strengen Voraussetzungen des ยง 48 Abs. 2 SGB V erfรผllt sein mรผssen.
Die sozialgerichtliche Rechtsprechung und Fachkommentare stellen klar:

Beginnt eine neue Blockfrist, in der wegen derselben Krankheit bisher kein voller 78-Wochen-Bezug vorliegt, kann fรผr diese Krankheit innerhalb der neuen Blockfrist erneut ein volles Kontingent von 78 Wochen entstehen. Ob die Arbeitsunfรคhigkeit dabei unterbrochen war oder nicht, spielt keine Rolle.

In der Praxis sind solche Fรคlle allerdings hรคufiger theoretischer Natur, weil bei langandauernden chronischen Erkrankungen die 78 Wochen meist schon innerhalb der ersten Blockfrist voll ausgeschรถpft werden.

Zusammenspiel von 3-Jahresfrist und 78-Wochen-Grenze

Klar ist: Die 3-Jahresfrist und die 78-Wochen-Grenze greifen ineinander.
Innerhalb einer Blockfrist von drei Jahren kann wegen derselben Erkrankung maximal 78 Wochen Krankengeld gewรคhrt werden. Das schlieรŸt alle Episoden von Arbeitsunfรคhigkeit wegen dieser Krankheit in diesem Zeitfenster ein, auch wenn dazwischen Phasen vรถlliger Arbeitsfรคhigkeit liegen. Tritt wรคhrend einer laufenden Arbeitsunfรคhigkeit eine weitere Krankheit hinzu, verlรคngert das die Leistungsdauer nicht; die hinzugetretene Diagnose zรคhlt nicht als neuer Anspruchstrigger.

Erst wenn eine neue Blockfrist begonnen hat, stellt sich die Frage, ob fรผr dieselbe Krankheit ein erneuter Anspruch in voller Hรถhe entstehen kann. Hier entscheidet dann die 6-Monats-Regel, sobald in der vorangegangenen Blockfrist bereits 78 Wochen ausgeschรถpft wurden.

Typische Konstellationen โ€“ wie die Fristen praktisch verlaufen

Um die abstrakten Regeln greifbarer zu machen, lohnt sich der Blick auf typische Konstellationen, wie sie in der Beratungspraxis von Kassen, Sozialverbรคnden und Anwรคlten immer wieder vorkommen.

Sehr hรคufig ist der Fall, dass jemand wegen einer chronischen Erkrankung โ€“ etwa Krebs, schwerem Rheuma oder psychischen Stรถrungen โ€“ lange arbeitsunfรคhig bleibt und irgendwann โ€žausgesteuertโ€œ wird, weil 78 Wochen Krankengeld innerhalb von drei Jahren aufgebraucht sind. Wenn diese Person nach einiger Zeit wieder in Beschรคftigung kommt und sich der Gesundheitszustand stabilisiert, stellt sich spรคtestens beim nรคchsten Rรผckfall die Frage, ob erneut Krankengeld gezahlt wird.

Hier ist nun entscheidend, ob seit der letzten Arbeitsunfรคhigkeit wegen dieser Krankheit mindestens sechs Monate vergangen sind, in denen die Person entweder gearbeitet oder der Arbeitsvermittlung zur Verfรผgung gestanden hat, und ob inzwischen ein neuer Dreijahreszeitraum lรคuft.

Eine andere, praktische Konstellation: In der ersten Blockfrist gab es zwar mehrere Krankschreibungen wegen derselben Diagnose, insgesamt aber wurden nur, sagen wir, 30 Wochen Krankengeld gezahlt.

Wenn spรคter โ€“ vielleicht ein oder zwei Jahre nach Ende der ersten Blockfrist โ€“ erneut eine lรคngere Arbeitsunfรคhigkeit wegen dieser Krankheit eintritt, kann in der neuen Blockfrist ein neuer Anspruch bis zu 78 Wochen entstehen, weil in der vorherigen Blockfrist die Hรถchstdauer noch nicht ausgeschรถpft war.

Hier greift die 6-Monats-Regel des ยง 48 Abs. 2 SGB V nicht, weil sie ausdrรผcklich nur Fรคlle betrifft, in denen bereits 78 Wochen Krankengeld wegen derselben Krankheit bezogen wurden.

SchlieรŸlich gibt es Fรคlle, in denen wรคhrend einer Langzeiterkrankung eine weitere, eigenstรคndige Krankheit hinzukommt und spรคter die Hauptursache der Arbeitsunfรคhigkeit wird. Unter bestimmten Bedingungen kann fรผr diese hinzugetretene Krankheit in einer neuen Blockfrist ein eigenstรคndiger Krankengeldanspruch entstehen, ohne dass die โ€žalteโ€œ Erkrankung den Anspruch blockiert.

Sozialgerichte haben in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass ยง 48 Abs. 2 SGB V immer exakt an โ€ždieselbe Krankheitโ€œ anknรผpft; fรผr eine andere, wenn auch zunรคchst nur hinzugetretene Erkrankung kann eine neue Blockfrist mit eigener 78-Wochen-Grenze gelten.

Krankenkasse, ร„rzten und medizinischem Dienst

In der Praxis entscheiden nicht Versicherte selbst, ob eine Krankheit als โ€ždieselbeโ€œ oder als โ€žandereโ€œ Erkrankung gewertet wird und wann genau eine neue Blockfrist zu laufen beginnt. Diese Bewertung treffen die Krankenkassen, oft gestรผtzt auf Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes und auf die รคrztlichen Diagnosenschlรผssel der Arbeitsunfรคhigkeitsbescheinigungen.

Besonders wichtig ist dabei die Frage, ob es sich um ein einheitliches Krankheitsgeschehen handelt. So kรถnnen verschiedene Symptome, die scheinbar unterschiedliche Krankheiten darstellen, rechtlich als ein zusammenhรคngendes Grundleiden bewertet werden. Umgekehrt kann ein lรคngerer Zeitraum vollstรคndiger Genesung mit spรคterem Rรผckfall fรผr eine neue, eigenstรคndige Krankheit sprechen.

Betroffene, die mit der Einstufung ihrer Krankenkasse nicht einverstanden sind โ€“ etwa, weil die Kasse von โ€žderselben Krankheitโ€œ ausgeht und deshalb einen neuen Krankengeldanspruch ablehnt โ€“ sollten Widerspruchs- und Klagefristen beachten und sich im Zweifel frรผhzeitig sozialrechtlich beraten lassen.

Praktische Hinweise fรผr Krankengeld-Bezieher

Wer lรคngere oder wiederkehrende Erkrankungen hat, sollte sich frรผhzeitig mit den Begriffen โ€žBlockfristโ€œ, โ€ž78-Wochen-Grenzeโ€œ und โ€ž6-Monats-Regelโ€œ vertraut machen. Fรผr die konkrete Frage โ€žWann beginnt die 3-Jahresfrist beim Krankengeld wieder neu?โ€œ gilt zusammenfassend:

Die erste 3-Jahresfrist beginnt mit der allerersten Krankschreibung wegen einer bestimmten Krankheit.

Fรผr dieselbe Krankheit schlieรŸt sich nach Ablauf dieser drei Jahre automatisch die nรคchste Blockfrist an, unabhรคngig davon, ob Sie zu diesem Zeitpunkt krank oder gesund sind.

Fรผr jede andere, eigenstรคndige Krankheit beginnt mit der ersten Krankschreibung ein ganz neuer 3-Jahreszeitraum mit eigener 78-Wochen-Grenze.

Ob nach Aussteuerung wegen derselben Krankheit erneut Krankengeld gezahlt werden kann, hรคngt zusรคtzlich von der 6-Monats-Regel des ยง 48 Abs. 2 SGB V ab und davon, ob Sie in dieser Zeit gearbeitet oder der Arbeitsvermittlung zur Verfรผgung gestanden haben.