Verfassungswidrige Bürgergeld-Regelsätze: Gericht wies Klage ab

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Wir berichteten bei Gegen Hartz in der Vergangenheit bereits über Thomas Wasilewski, der zusammen mit dem Sozialverband VdK vor den Sozialgerichten für soziale Gerechtigkeit streitet.

Beide Kläger sind überzeugt, dass die im verhandelten Zeitraum gewährten Bürgergeld-Regelsätze der Sozialleistungen nach dem SGB II zu niedrig waren, um das sozioökonomische Existenzminimum sicherzustellen.

Ihr Ziel ist es, ein Verfahren vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe anzustrengen, da dieses grundsätzlich klären kann, ob die Höhe der Regelsätze verfassungswidrig ist.

Sozialgericht Düsseldorf weist Klage ab

Die Kläger betonen, dass die Regelsätze weder hinreichend berechnet noch rechtzeitig an die Inflation angepasst worden seien. Jetzt hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen.

Der Richter begründet dies damit, dass es einen gesetzlichen Gestaltungsspielraum gebe, um die Regelsätze des Bürgergeldes festzulegen. Wenn die Anhebung sich verzögere, dann enthalte der Regelsatz Ansparbeträge, um die Zeit bis zur nächsten Anpassung zu überbrücken.

Thomas Wasilewski und der VdK gehen außerdem davon aus, dass die Methode zur Berechnung der Regelsätze nicht mit dem in der Verfassung verankerten Schutz der Menschenwürde vereinbar ist. Für diese Entscheidung sieht sich das Sozialgericht Düsseldorf nicht zuständig, da es sich um Verfassungsfragen handelt.

Das Existenzminimum soll vor das Verfassungsgericht

Die Kläger gingen allerdings auch nie davon aus, dass das Sozialgericht in Düsseldorf klären könnte, ob die Höhe der Regelsätze mit dem Grundgesetz in Einklang steht.

Wasilewski vermutete darüber hinaus sogar, dass die Klage vor dem Sozialgericht erfolglos bleiben würde und sagte, laut der Zeitung Junge Welt: „Ich habe mit nichts anderem gerechnet.“

Tatsächlich geht es ihm überhaupt nicht um seine persönliche Situation, sondern der VdK und er führen ein Musterstreitverfahren. Sie wollen eine Entscheidung über das Verfassungsrecht erreichen und zudem in die Öffentlichkeit bringen, dass Menschen, die von Sozialleistungen abhängig sind, unter das Existenzminimum gedrückt werden.

Thomas Wasilewski spricht dieses Ziel, laut Junge Welt, auch deutlich aus: „Es geht mir nicht darum, ob ich diesen Prozess gewinne, sondern darum, dass sich etwas ändert in diesem Land.“

Er kennt die Situation Erwerbsloser, die Sozialleistungen beziehen von beiden Seiten, arbeitete zehn Jahre lang in der Arbeitsvermittlung und muss jetzt selbst wegen Erwerbsunfähigkeit Bürgergeld beziehen.

Thomas Wasilewski kennt die harte Realität

Er versorgt ehrenamtlich als Lkw-Fahrer Hilfebedürftige mit Essen bei der Tafel in Mönchengladbach und hat so einen Einblick in die Not von Menschen, die zur gemeinnützigen Suppenküche gehen, um nicht zu hungern.

Wasilewski machte selbst während der COVID-19 Pandemie die Erfahrung, dass die Regelsätze und Einmalzahlungen nicht ausreichten, um die Inflation und den Mehrbedarf auszugleichen.

Sein Engagement für die Rechte von Menschen am Existenzminimum betreibt er, so Wasilewski, „als ein Mensch, der sich seiner Pflichten in einer Demokratie bewusst ist.“ Er appelliert auch an andere, ebenso zu handeln und sich aktiv gegen soziale Missstände einzusetzen.

Studien liefern harte Belege

Sozialverbände wie der VdK unterstützen Wasilewski aus gutem Grund. Studien, die Sozialverbände wie der Paritätische in Auftrag gaben, zeigten, dass die Regelsätze beim Bürgergeld (früher Hartz IV) rund 150–170 Euro höher sein müssten, um das Minimum der sozioökonomischen Existenz zu gewährleisten.

Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz stellte 2020 fest, dass „die Regelbedarfe realistisch nicht für eine gesundheitsfördernde Ernährung entsprechend der DGE-Empfehlungen ausreichen”. 2023 forderte er, die Berechnung auf diesen Fakt einzustellen, was aber nicht geschah.

Der Regelbedarf wird nämlich nicht nach dem Minimum für eine gesunde Ernährung berechnet, sondern am Schnitt der ärmsten 15 Prozent der Bevölkerung.

Das sind aber genau diejenigen, die bei den Suppenküchen privater Initiativen Schlange stehen, weil sie keine vollwertige Ernährung leisten können.

Die nächste Instanz: Landessozialgericht

Das Scheitern der Klage vor dem Gericht Düsseldorf ist für Wasilewski und den VdK kein Grund aufzugeben, sondern lediglich eine Etappe im Weg durch die Instanzen.

Als Nächstes werden die Kläger vor das Landessozialgericht ziehen und von dort wird es vermutlich vor das Bundessozialgericht gehen. Offen bleibt, ob die Kämpfer für soziale Gerechtigkeit es letztlich schaffen, dass die kargen Regelsätze Thema des Verfassungsgerichts werden.

Jedenfalls hat Wasilewski bereits etwas erreicht, das ihm wichtig ist, und das ist eine mediale Öffentlichkeit für die Not, in der sich Bürgergeld-Bezieher empfinden. Er trat in der Sendung „Hart aber fair“ auf und konfrontierte dort die Floskeln des CDU-Politikers Philipp Amthor mit der Realität.

Auch wir von Gegen Hartz haben ein Video-Interview mit ihm geführt, in dem er sich für einen fairen Umgang mit Sozialleistungsbeziehenden aussprach. Dabei kritisierte er das gesellschaftliche Klima, in dem oft gegen diejenigen getreten wird, die kein Geld und keine Lobby haben.

Gegen Hartz unterstützt ausdrücklich den juristischen Kampf gegen die niedrigen Regelsätze und für einen Sozialstaat, der die Existenz derjenigen sichert, die ihn am meisten benötigen.