Überschuldet im Bürgergeld‑Bezug – Diese Wege führen zur Restschuldbefreiung

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Viele Menschen, die Bürgergeld beziehen, stecken in der Schuldenfalle. Sie leben am Existenzminimum und haben keine Möglichkeit, bestehende Schulden abzubezahlen. Stattdessen werden die Schulden immer größer. Können Sie jetzt auch während des Bürgergeld-Bezugs Insolvenz anmelden?

Diese Frage beantworten wir Ihnen in diesem Beitrag. Wir zeigen Ihnen, welche Möglichkeiten Sie haben, um eine Lösung für Überschuldung zu finden, während Sie Bürgergeld beziehen, und worauf Sie gegenüber dem Jobcenter achten müssen.

Auch bei Bürgergeld können Sie Privatinsolvenz beantragen

Zuerst einmal: Verbraucherinsolvenz ist auch für Menschen möglich, die am Existenzminimum leben. Auch wenn Sie Bürgergeld oder andere Sozialleistungen beziehen können Sie Insolvenz mit anschließender Restschuldbefreiung beantragen. Folgende drei Punkte müssen Sie dabei beachten.

Zahlungsunfähigkeit ist Voraussetzung

Um eine Insolvenz zu eröffnen, müssen Sie erstens zahlungsunfähig sein. Kriterium ist lediglich, dass Sie fällige Zahlungspflichten nicht erfüllen können. Dafür ist weder ein bestimmtes Mindesteinkommen nötig noch eine bestimmte Höhe der Schulden.

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Wer übernimmt die Verfahrenskosten

Zweitens müssen Sie die Kosten des Inolvenzverfahrens selbst tragen, auch wenn Sie Bürgergeld beziehen. Wenn Sie diese Kosten nicht unmittelbar tragen können, sollten Sie einen Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten stellen. Beantragen Sie schon mit dem Insolvenzantrag die Stundung nach § 4a InsO: Reicht Ihr Vermögen voraussichtlich nicht aus, trägt zunächst die Staatskasse alle Gerichts‑ und Verwaltergebühren.

Erst nach der Restschuldbefreiung prüft das Gericht, ob Sie in zumutbaren Raten zurückzahlen können; bleibt Ihre finanzielle Lage angespannt, entfällt die Zahlung ganz.

Außergerichtliche Lösungen müssen gescheitert sein

Grundlage eines Insolvenzverfahrens ist drittens, dass eine Einigung mit den Gläubigern, die Schulden außergerichtlich zu regulieren, nicht möglich war. Sie müssen eine solche Einigung also nachweislich versucht haben und damit gescheitert sein.

Dafür reicht keine persönliche Aussage von Ihnen, sondern es bedarf einer Bescheinigung einer anerkannten Schuldnerberatungsstelle oder eines Anwalts. Diese Bescheinigung geben Sie zusammen mit Ihrem Insolvenzantrag ab.

Wird Bürgergeld gepfändet?

Kann Ihnen, wenn die Insolvenz eröffnet ist, das Bürgergeld gepfändet werden? Nein! Denn Bürgergeld ist eine Sozialleistung, die nur für Hilfebedürftige gilt, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen finanziellen Mitteln sichern können.

Bei einer Pfändung muss aber das Existenzminimum gesichert sein. Die Sozialleistung für den Lebensunterhalt sichert der Gesetzgeber deshalb davor, dass Ihre Gläubiger sie einstreichen. Das gilt während einer Privatinsolvenz auch für Nachzahlungen zur Grundsicherung. Auch diese fallen unter den Pfändungsschutz, wie der Bundesgerichtshof 2018 entschied (VII ZB 21/17).

Richten Sie ein P-Konto ein

Sie sollten in der Privatinsolvenz unbedingt ihr Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) umwandeln. Finanzinstitute sind verpflichtet, Ihnen diese Umwandlung zu gewähren. Im Unterschied zu einem normalen Girokonto ist auf dem P-Konto ein Freibetrag vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt. Das gilt auch für den Insolvenzverwalter. Über den geschützten Betrag können Sie frei verfügen und müssen dies nicht mit dem Insolvenzverwalter absprechen.

Schuldenbefreiung beim Jobcenter

Die Restschuldbefreiung einer Privatinsolvenz gilt auch gegenüber dem Jobcenter. Dabei geht es vor allem um zwei Situationen. Erstens können Sie Schulden beim Jobcenter haben, weil die Behörde Ihnen ein Darlehen gewährte – zum Beispiel, um Mietschulden zu begleichen. Zweitens kann das Jobcenter Überzahlungen zurückfordern, wenn Sie mehr Leistungen erhielten, als Ihnen zustehen.

Voraussetzung für die Restschuldbefreiung ist, dass das Jobcenter hier ein Insolvenzgläubiger ist. Die Schulden müssen also vor der Insolvenzeröffnung entstanden sein.

Verbraucher‑ und Regelinsolvenzen, die seit dem 1. Oktober 2020 eröffnet werden, enden regelmäßig nach drei Jahren. Danach werden sämtliche noch offenen Verbindlichkeiten erlassen – unabhängig davon, ob während der Wohlverhaltensphase Geld an die Gläubiger geflossen ist. Nur gravierende Obliegenheitsverstöße (z. B. verschwiegenes Einkommen, neue Schulden) können die Befreiung verhindern oder verzögern.

Ausnahmen nach § 302 InsO

Die Restschuldbefreiung erfasst nicht alle Schulden. Weiter wirksam bleiben insbesondere:

  • Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen (z. B. Körperverletzung, Betrug),
  • rückständiger Unterhalt, den der Schuldner absichtlich nicht gezahlt hat,
  • Geld‑ und Ordnungsstrafen sowie Bußgelder,
  • Steuer‑ und Zollschulden, falls dafür eine rechtskräftige Verurteilung wegen Steuerstraftaten vorliegt,
  • zinslose Darlehen, die speziell zur Finanzierung der Verfahrenskosten gewährt wurden.

Diese Ansprüche können Gläubiger auch nach der Insolvenz noch vollstrecken.

Aufrechnung des Jobcenters

Jobcenter versuchen jedoch bisweilen trotz Privatinsolvenz bestehende Schulden von Bürgergeld-Beziehern einzutreiben, und zwar mittels einer sogenannten Aufrechnung. Diese ist im Paragraf 387 und den folgenden Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch festgelegt. Das Jobcenter verrechnet dann seine Ansprüche mit denen des Bürgergeld-Beziehers und kürzt die laufend ausgezahlten Leistungen.

Wann darf das Jobcenter aufrechnen?

Das Jobcenter kann dabei aber nicht die Regelungen der Privatinsolvenz außer Kraft setzen oder austricksen. Die Behörde darf also während der Privatinsolvenz keine Zwangsvollstreckung einleiten. Anders sieht es nur aus, wenn eine Aufrechnung bereits bei der Insolvenzeröffnung bestand. Dann dürfen Leistungen gekürzt oder einbehalten werden.

Unvollkommene Verbindlichkeit statt Zahlungszwang

Ist im Insolvenzverfahren die Restschuldbefreiung erteilt, dann werden die Forderungen der Gläubiger zu unvollkommenen Verbindlichkeiten. Das gilt auch für das Jobcenter. Sie können die Forderungen zwar als Gläubiger noch erfüllen, der Gläubiger kann die Zahlung aber nicht mehr erzwingen.

Das Jobcenter darf dann also seine Forderungen nicht mehr mit den ausgezahlten Leistungen der Bürgergeldes verrechnen. Die Forderung des Jobcenters ist nicht mehr wirksam und durchsetzbar.