Bei Rente: Neue EU-KFZ-Richtlinie trifft vor allem Rentner und geringere Einkommen

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Die EU-Kommission hat einen Legislativvorschlag zur Änderung der Richtlinie 2014/45/EU eingebracht. Betroffen von dieser Neuregelung können besonders Menschen sein, die eine Rente beziehen, von Bürgergeld abhängig sind oder nur über ein geringes Einkommen verfügen.

Was ist genau geplant?

Die EU will, dass Pkw´s und leichte Nutzfahrzeuge ab einem Alter von zehn Jahren künftig jährlich zur Hauptuntersuchung (HU) müssen. Auf diese Weise will Brüssel nach eigenen Berechnungen die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten europaweit um rund ein Prozent reduzieren und zugleich Manipulationen an Kilometerständen sowie defekte Abgassysteme früher aufdecken.

Vor Inkrafttreten muss das Vorhaben jedoch sowohl das Europäische Parlament als auch den Rat der Mitgliedstaaten passieren.

Wie viele Fahrzeuge – und Halter – wären betroffen?

Allein in Deutschland wären mehr als 23 Millionen Pkw betroffen; das entspricht knapp der Hälfte des gesamten Bestands. Hinter diesen Zahlen stehen vor allem Menschen, die sich keinen Neuwagen leisten können.

Gerade Rentnerinnen und Rentner im ländlichen Raum sind häufig auf ältere Autos angewiesen, um Arzttermine, Einkäufe oder den Besuch von Angehörigen erledigen zu können.

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Was würde eine jährliche HU kosten?

Für die reine Prüfgebühr verlangen deutsche Prüforganisationen, abhängig von Bundesland und Anbieter, zwischen etwa 80 und 150 Euro. Hinzu kommen bei älteren Autos regelmäßig Reparaturen, die nötig sind, um die Plakette zu erhalten.

Rechnet man konservativ mit durchschnittlich 300 Euro pro Jahr für Verschleißteile und Instandsetzung, landet ein 74-jähriger Rentner mit einem 15-Jahre-alten Kleinwagen schnell bei rund 420 Euro jährlich – eine Summe, die sich spürbar in einem durchschnittlichen Altersrentenbezug von knapp 1 100 Euro netto bemerkbar macht.

Deutschlandweit ergäbe sich, so der ADAC, eine Mehrbelastung von bis zu 1,8 Milliarden Euro pro Jahr.

Bringt die zusätzliche Prüfung wirklich mehr Sicherheit?

Nach Daten des Statistischen Bundesamts waren 2023 weniger als ein Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle primär auf technische Defekte zurückzuführen.

Studien der Verkehrsunfallforschung an der TU Dresden zeigen zudem keinen messbaren Rückgang der Unfallzahlen in Ländern, die ihre Prüffristen bereits verkürzt haben.

Der ADAC bewertet den Vorstoß daher als unverhältnismäßig: Der Aufwand stehe “in keinem tragfähigen Verhältnis zum prognostizierten Sicherheitsgewinn.”

Deutliche Kritik von Verbänden

Die Kritik dagegen ist in Deutschland breit: Mehrere Europa- und Bundestagsabgeordnete unterschiedlicher Parteien kritisieren den Plan als „unnötige Belastung“.

Auch der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe und der Automobilclub von Deutschland weisen auf bereits strenge Prüfvorgaben in Deutschland hin. Der ADAC mahnt, dass eine Verkürzung der Prüffrist nicht die Frequenz, sondern die Qualität der Kontrollen verbessere.

Wie reagiert die Bundesregierung?

Der Bundesverkehrsminister hat in ersten Stellungnahmen durchblicken lassen, dass er „keinen unmittelbaren Handlungsbedarf“ sehe, weil das deutsche Zwei-Jahres-System gut funktioniere. Auch mehrere Landesverkehrsminister, etwa in Bayern und Brandenburg, fordern eine belastbare Begründung aus Brüssel, bevor man die nationale Praxis aufgibt.

Warum trifft der Plan besonders Rentnerinnen und Rentner?

Die Altersgruppe 65 plus verfügt zwar häufiger über ein Auto als noch vor zehn Jahren, doch ihr Nettobudget ist begrenzt.

Durchschnittlich erhalten Männer 1 309 Euro und Frauen 888 Euro Altersrente. Steigende Lebenshaltungs- und Energie­kosten haben bereits große Teile dieser Einkommen aufgezehrt. Eine verpflichtende jährliche HU könnte somit zur Wahl zwischen Mobilität und anderen Grundausgaben wie Heizung oder Medikamente werden.

Welche Alternativen werden diskutiert?

Verkehrsexperten schlagen vor, gezielt sicherheitsrelevante Komponenten – etwa Bremsen, Lenkung und Leuchtanlagen – digital zu überwachen und die Prüffrist ansonsten beizubehalten.

Denkbar wäre ebenso ein sozial gestaffeltes System, das Rentner mit kleiner Pension bei den Prüfgebühren entlastet. Andere Stimmen plädieren dafür, Ressourcen lieber in wirksamere Maßnahmen wie flächen­deckende Abbiegeassistenten für Lkw oder bessere Radwege zu investieren.

Wie geht es jetzt weiter?

Im anstehenden Gesetzgebungsprozess können Parlament und Rat den Entwurf noch ändern oder ganz kippen. Erfahrungsgemäß dauert eine solche Revision der HU-Richtlinie mindestens zwei Jahre; eine Umsetzung in nationales Recht wäre frühestens 2027 realistisch.

Sollte Deutschland die Pläne ablehnen, müsste die Bundesregierung entweder eine Ausnahmeregel erwirken oder gegebenenfalls ein Vertragsverletzungsverfahren riskieren. Betroffene Auto­halter haben daher noch Zeit – doch die Debatte um Kosten, Nutzen und soziale Gerechtigkeit dürfte sich weiter zuspitzen.

Fazit

“Mehr Sicherheit ist ein legitimes Ziel, doch der jetzige Vorschlag droht, die Schwächsten am Steuer zu überfordern”, mahnt der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt. Rentnerinnen und Rentner oder auch Geringverdiener, die ihr Fahrzeug für den Alltag brauchen, “wären von jährlich hunderten Euro Zusatzkosten betroffen, während der nachweisbare Sicherheitsgewinn gering bleibt”.

Ob Berlin und Brüssel einen Mittelweg finden, hängt nun davon ab, ob es gelingt, nachvollziehbare Fakten und soziale Fairness in Einklang zu bringen. Die Bundesregierung sollte dann sich überlegen, wie man die Kosten für Rentner und Menschen mit geringem Einkommen sozial abfedern kann, so die Forderung des Experten.