Jeder zehnte Arbeitslosengeld-I-Bezieher benötigt zusätzlich Hartz IV
24.04.2012
Viele Bezieher des Arbeitslosengeldes Eins benötigen zusätzliche Hartz IV-Leistungen, weil die Arbeitslosengeldzahlungen der Bundesagentur für Arbeit nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt zu sichern. Über zehn Prozent der Erwerbslosen im Arbeitslosengeldbezug sind hiervon betroffen, wie eine aktuelle Auswertung der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt. Sozialverbände und Gewerkschafter fordern im Zuge dessen eine umfassende Reform der Arbeitslosenversicherung.
Obwohl normalerweise die Arbeitslosenversicherung dazu gedacht ist, im Falle einer eintretenden Erwerbslosigkeit den Lebensunterhalt zu gewährleisten, reicht die Pflichtversicherung nicht aus, um bei vielen Betroffenen die Lebensexistenz zu sichern. Ihnen bleibt dann nicht erspart, einen Antrag auf aufstockende Hartz IV Leistungen zu stellen. Zwar sei nach Angaben der BA der Anteil der Aufstocker im ALG-I-Bezug insgesamt gesunken, doch sind noch immer etwa zehn Prozent hiervon betroffen. So waren im November 2011 laut statistischen Berechnungen rund 75.000 Menschen von Zuzahlungen betroffen, wobei davon auszugehen ist, dass eine Vielzahl von Erwerbslosen in gleicher Situation aus Unwissenheit oder Schamgefühl keinen Hartz IV-Antrag stellen.
Bezieher des Arbeitslosengeldes I und II erhielten laut BA-Angaben durchschnittlich 511,79 Euro pro Monat aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung. Da dieser Betrag zu wenig ist, um sich zu ernähren und die Kosten der Unterkunft zu bezahlen, stockten die Betroffenen noch einmal im Schnitt in Höhe von 318,05 Euro mittels Hartz IV auf. Eine Sprecherin der BA behauptet, dass die meisten der Aufstocker „geringqualifizierte Beschäftigte“ sind, „die aus eher gering entlohnten Arbeitsverhältnissen kommen“. Anzunehmen ist, dass der Anteil derjenigen, die zuvor bei einer Leiharbeitsfirma gearbeitet haben, sehr hoch ist.
Trotz Arbeitslosenversicherung auf Hartz IV angewiesen
Wer mindestens in den letzten zwei Jahren vor dem Jobverlust ein Jahr sozialversicherungspflichtig oder freiwillig Arbeitslosen-versichert gearbeitet hat, hat einen Anspruch auf Zahlungen des Arbeitslosengeld I. (§ 142 SGB III). Der Satz beträgt bei einem anspruchsberechtigten Arbeitslosen mit mindestens einem Kind, für das Kindergeld bezogen wird, 67 Prozent vom durchschnittlich erzielten Brutto-Arbeitslohn. Alle anderen wird ein Satz von 60 Prozent zugesprochen. Ab Beginn der Arbeitslosigkeit wird das Arbeitslosengeld mindestens zwölf volle Monate (berechnet auf monatlich 30 Tage) gezahlt. Wer in dieser Zeit keinen neuen Arbeitsplatz findet, ist nach der Anspruchszeit auf das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) angewiesen. Aus den Daten geht hervor, dass die Aufstocker weit weniger ALG I Zahlungen erhielten, als der Durchschnitt zeigte. Im Januar 2012 bezogen die Anspruchsberechtigten im Schnitt 825 Euro.
Wird aufstockenes Hartz IV beantragt wird ist das Jobcenter zuständig
Muss ein Erwerbsloser ergänzende Leistungen beantragen, so werden er und die im Haushalt lebenden nicht mehr von der Arbeitsagentur sondern vom Jobcenter betreut. Diese sind ausschließlich für Hartz IV zuständig. „Die Leistungen der Menschen werde damit mit Füßen getreten“, kritisierte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Das sei eine „soziale Deklassierung“ der Menschen so Schneider. Die Betroffenen haben jahrelang als Wachmann oder Leiharbeiter gearbeitet, und müssen sich nun den unwürdigen Hartz IV Bedingungen unterziehen, kritisiert auch das Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB, Annelie Buntenbach. Die Gewerkschafterin fordert die schwarz-gelbe Koalition auf, die Abschiebung in die Jobcenter künftig zu verhindern, um künftig zu verhindern, dass die Aufstocker in die Jobcenter abgeschoben werden: "Wer von der Arbeitslosenversicherung Leistungen bezieht, muss auch dort betreut und vermittelt werden." Schließlich hätten die Anspruchsberechtigten genügend Arbeitslosenversicherungsbeiträge bezahlt, um würdig behandelt zu werden, so Buntenbach.
Der Anteil derjenigen die trotz Arbeit Hartz IV-Leistungen beziehen müssen, steigt seit Jahren. Beinahe gleich geblieben ist der Anteil derjenigen, die trotz Arbeitslosengeld einen Hartz-IV-Anspruch haben. So lag der Anteil im Jahre 2011 bezogen auf insgesamt 829.000 ALG I-Bezieher bei 9,9 Prozent. In den Jahren 2008 und 2009 lag die Quote bei 11 bzw. 10,6 Prozent.
Jeder vierte Beschäftigte, der arbeitslos wird, ist allerdings sofort auf Hartz IV angewiesen, weil die Betroffenen die Arbeitnehmer-Zeit nicht erreicht haben, in denen ein ALG-I Anspruch erwirkt wurde. Trotz Drängen der Opposition lehnt die Bundesregierung eine Reform der Arbeitslosenversicherung ab. (sb)
Bild: Rainer Sturm /Pixelio
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