Studie zu Hartz IV: Ausländer sollen schlechter behandelt werden

Lesedauer 3 Minuten

Wissenschaftler der Universität Siegen befragten über 2600 Deutsche zu den Sanktionen bei Hartz IV. Das Ergebnis zeigte, dass Leistungsbezieher mit einem ausländische klingenden Namen doppelt härter bestraft werden sollen, als vermeintlich deutsche Leistungsbezieher.

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Strafen bei Hartz IV wird das Thema kontrovers diskutiert. Auch die neue Bundesregierung will im Grundsatz an den Sanktionen festhalten. Forscher und Forscherinnen der Uni Siegen wollten herausfinden, wie die grundsätzliche Haltung bei diesem Thema ist.

Sanktionen bei Hartz IV noch immer ein Instrument

Wer in Deutschland Hartz IV bezieht und sich nicht an die geltenden Mitwirkungspflichten hält, riskiert eine Leistungskürzung. Extreme Kürzungen erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 2019 jedoch für menschenunwürdig und damit verfassungswidrig.

Sie stellten Fragen zum Kontrollsystem und den Sanktionshöhen. Die Studie zeigte, dass nicht nur fehlende Motivation bestraft wird, sondern die Sanktionshöhe auch dann höher ist, wenn es um Menschen mit ausländischen Namen geht.

In einer repräsentativen Studie der Universität Siegen haben WissenschaftlerInnen nun erforscht, wie die Bevölkerung in Deutschland zu diesen Sanktionen steht. Unter welchen Bedingungen würden sie also wem die Leistungen wie stark kürzen?

„Uns interessierte die Meinung der Bevölkerung vor allem deswegen, weil die Akzeptanz sozialpolitischer Maßnahmen bedeutsam für den sozialen Zusammenhalt und das Gerechtigkeitsempfinden ist“, erklärte Philipp Linden, Doktorand im Forschungsprojekt “Medikalisierung und Psychologisierung sozialer Probleme” der Uni Siegen, in der die Studie durchgeführt wurde.

Mehr als 77 Prozent der Befragten halten zwar grundsätzlich eine Sanktion von hypothetischen Sozialleistungsbeziehern innerhalb der Grundsicherung für angemessen. Dabei würden die meisten Befragten (54 %) allerdings maximal 30 Prozent der Bezüge kürzen.

„Die Ergebnisse unserer Studie zeigen damit auch – in Übereinstimmung mit dem Urteil des BVerfG – dass als Sanktionen verhängte Leistungskürzungen extremer Höhe keine Zustimmung in der Öffentlichkeit finden“, so Linden.

Fehlende Motivation soll härter bestraft werden

In der Studie wurde darüber hinaus deutlich, dass Leistungsbezieher, die wenig oder keine Motivation bei der eigenständigen Jobsuche zeigen, von den Befragten höher bestraft werden, als solche, die hoch motiviert sind.

Außerdem zeigte sich: Wer beim ersten Termin im Jobcenter nicht erscheint, erhält in der Studie durchschnittlich 17 Prozent weniger Leistung. Wer auch den zweiten Termin nicht einhält, dem werden bereits durchschnittlich 29 Prozent monatlich abgezogen. Bei älteren Sozialleistungsbeziehern und solchen, bei denen die Kündigung aufgrund einer Erkrankung erfolgte, verringert sich die Akzeptanz von Sanktionen dagegen stark.

Ausländisch klingende Namen sollen härter bestraft werden

Aber nicht nur die Motivation und das Verpassen von Terminen war für die Bewertung der Sanktionshöhe ausschlaggebend. Unter der Bedingung, dass die beschriebene Person als gering motiviert wahrgenommen wird oder vermehrt Termine verpasst, wurden Leistungsbezieher stärker sanktioniert, wenn sie einen ausländischen Namen hatten.

Die vermutete Herkunft des Leistungsbeziehers spielte offenbar bei der Entscheidung eine ausschlaggebende Rolle. Die Befragten kürzten dem fiktiven Herr Bergmann bei Regelverstößen mit 26 Prozent durchschnittlich weniger stark die Leistungen als dem fiktiven Herr Yildirim mit einer durchschnittlichen Sanktionshöhe von 33 Prozent.

In den wenigen Fällen, in denen Befragte die Leistungen von Beziehern komplett streichen wollten, waren die Leidtragenden ebenfalls häufiger Menschen mit ausländischem Namen. „Hieraus ergibt sich eine doppelte Bestrafung für Personen, die einen ausländisch klingenden Namen haben, was im Grundgesetz und Sozialrecht explizit nicht vorgesehen ist“, erklärt Linden.

Rassistischer Befund bei den Sanktionen

„Der Befund zeigt jedoch, dass es de facto in der Bevölkerung auch diskriminierende Faktoren gibt, die das Verständnis von Hilfewürdigkeit und folglich auch von Sanktionen in der Grundsicherung beeinflussen“, sagt Linden.

„Diese Erkenntnis verdient vor allem Aufmerksamkeit, weil wir zumindest nicht ausschließen können, dass Einstellungen, die Menschen mit Migrationshintergrund qua Status härter sanktionieren, auch unter den FallmanagerInnen in Jobcentern zu finden sein können.“

Diskriminierung auch in den Jobcentern?

Weitere Forschung solle hier ansetzen, um zu überprüfen, ob es entsprechende Praktiken in den Jobcentern gibt und um gegebenenfalls Schulungsmaßnahmen in diesem Bereich evaluierend zu begleiten. „Der Gesetzgeber sollte im Zuge einer anstehenden Reform der Sanktionspraxis weiterhin veränderte Rahmenbedingungen schaffen, die nicht nur extreme Eingriffe in das Existenzminimum generell verhindern, sondern die auch die LeistungsbezieherInnen vor Diskriminierung schützen: sei es nach Herkunft, Geschlecht oder Alter.“

An der Online-Vignettenstudie nahmen 2621 Befragte teil. Ihnen wurden fiktive Fallbeispiele inklusive fiktiver Fehlverhalten vorgelegt, aufgrund derer sie eine aus ihrer Sicht angemessene Sanktionshöhe zwischen 0 und 100 Prozent auswählen sollten. (Abstract zur Studie)

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

Wird geladen ... Wird geladen ...