Der kürzlich veröffentlichte „Bericht zum Beschwerdemanagement 2024“ des Jobcenters Wuppertal sorgt erneut für Unmut.. Insbesondere der Verein Tacheles e.V. wirft dem Jobcenter vor, die tatsächliche Lage der Menschen, die Bürgergeld beziehen müssen, nicht adäquat zu erfassen.
Schon im Vorjahr hatte Tacheles e.V. in einer ausführlichen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass durch statistische Methoden der Eindruck erweckt werde, es gebe “nur wenige Beschwerden” und dass die bestehenden Probleme der Betroffenen verharmlost würden.
Verharmlosung und wenige Bereitschaft zu Veränderungen
Aus Sicht von Tacheles zeigt das Jobcenter Wuppertal wenig Bereitschaft, sich ernsthaft mit den Sorgen und Nöten der Leistungsberechtigten auseinanderzusetzen.
Zwar werden formell nur jene Beschwerden erfasst, die schriftlich beim zentralen Beschwerdemanagement eingehen. Gleichzeitig finden sich jedoch Hinweise auf der Internetseite des Jobcenters, Beschwerden eher an die jeweilige Geschäftsstelle zu richten.
Damit sind die meisten Eingaben, die direkt in den Jobcenter-Außenstellen erfolgen, nicht Teil der zentral geführten Statistik.
Diese Vorgehensweise führt nach Ansicht von Tacheles e.V. dazu, dass viele Beschwerden in den Zahlen gar nicht auftauchen und so die Bedeutung der gemeldeten Probleme systematisch heruntergespielt wird.
Weshalb werden so viele Beschwerden als „unberechtigt“ eingestuft?
Eine weitere Kritik an dem Bericht sind die hohen Quoten an angeblich „unberechtigten“ Beschwerden. Laut dem Jobcenter sind es 80,2 Prozent, bei denen sich die Einwände letztlich nicht bestätigt hätten.
Tacheles e.V. bemängelt in diesem Zusammenhang, dass die Kriterien für die Bewertung, ob eine Beschwerde berechtigt ist oder nicht, nicht transparent offengelegt werden.
Dies führt zu der Vermutung, dass in vielen Fällen die Betroffenen für ihre Situation verantwortlich gemacht werden, obwohl die Ursache für die beschriebene Notlage (etwa verspätete Leistungszahlungen oder diskriminierende Äußerungen durch Jobcenter-Mitarbeiter zumindest teilweise in den internen Strukturen des Jobcenters liegen könnte.
Lesen Sie auch:
– Bürgergeld: Jobcenter lehnte alle Anträge und Hilfen konsequent ab
Aus Verzweiflung Beschwerdestelle angerufen
Menschen, die Leistungen vom Jobcenter erhalten, wenden sich häufig in äußerst schwierigen Situationen an die Beschwerdestelle. Typische Fälle sind Engpässe infolge verzögerter Antragsbearbeitungen, wodurch es kurzfristig an Geld für Lebensmittel oder das Begleichen von Miete und Energiekosten mangelt.
Ebenfalls berichten Betroffene von respektlosem oder gar diskriminierendem Verhalten seitens der Mitarbeitenden. Wenn Beschwerden über solche Vorkommnisse eingehen, würden sie oft mit dem Hinweis abgetan, es handle sich um “Einzelfälle” oder das Problem liege bei den Beschwerdeführenden selbst.
Dieses Vorgehen ist faktisch nicht seriös, wie man es von staatlichen Stellen erwarten würde, da es weder zu einer konstruktiven Problemanalyse noch zu Verbesserungen in den Strukturen des Jobcenters beiträgt.
Reform des Beschwerdemanagements gefordert
Bereits seit Längerem setzt sich Tacheles e.V. für eine grundlegende Neuausrichtung der Beschwerdestrukturen ein. Kern dieser Forderung ist ein Prozess, der Beschwerden tatsächlich als wertvolle Hinweise auf Missstände oder Optimierungsbedarf versteht.
Hierbei sollte nicht das Ziel sein, die Statistik möglichst kleinzuhalten, sondern ernsthaft an einer Verbesserung der Situation für Leistungsberechtigte zu arbeiten. Die Einführung einer städtischen Ombudsstelle, wie sie auch vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. empfohlen wird[1], wäre nach Auffassung von Tacheles e.V. ein Schritt in die richtige Richtung.
Eine solche unabhängige Stelle könnte Beschwerdefälle neutral bewerten und gegebenenfalls die notwendigen Reformen anstoßen.
Neue Geschäftsführung beim Jobcenter Wuppertal
Tacheles e.V. verbindet seine Kritik mit der Hoffnung, dass es unter der neuen Geschäftsführung im Jobcenter Wuppertal zu einem Umdenken kommen könnte.
Bereits seit Jahren legt der Verein aufklärende Stellungnahmen vor und weist auf die eklatante Diskrepanz zwischen offiziellem Beschwerdeaufkommen und der tatsächlichen Lebensrealität vieler Leistungsbeziehender hin.
Ob die Leitung des Jobcenters diese Signale aufnimmt und den Reformprozess einleitet, ist bislang unklar. Tacheles e.V. betont jedoch, dass eine ehrliche und lösungsorientierte Beschwerdebearbeitung im Sinne aller sein sollte.
Wie steht das Jobcenter Wuppertal im Vergleich zu anderen Jobcentern da?
Ein Blick über die Stadtgrenzen hinaus lässt Zweifel aufkommen, ob die offiziell niedrige Beschwerdequote des Jobcenters Wuppertal tatsächlich ein Ausdruck zufriedener Kundschaft ist.
So liegt Tacheles e.V. ein Bericht des Jobcenters Ennepe-Ruhr-Kreis aus dem Jahr 2023 vor, der bei rund einem Drittel der Leistungsberechtigten von Wuppertal insgesamt 542 Beschwerden listet.
In Wuppertal hingegen wurden bei fast der dreifachen Anzahl an Leistungsbeziehenden nur 175 Beschwerden erfasst.
Nach Einschätzung von Tacheles e.V. könnte dies darauf hinweisen, dass anderswo ein transparenterer und umfassenderer Umgang mit Beschwerden praktiziert wird, während in Wuppertal ausschließlich ein sehr begrenzter Teil der Eingaben in die offizielle Statistik aufgenommen wird.
[1] Empfehlung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V.:
Der Deutsche Verein spricht sich seit Längerem für Ombudsstellen aus, die unabhängig vom Verwaltungssystem agieren und die Belange der Bürgerinnen und Bürger aufgreifen können. Eine solche Einrichtung könnte nicht nur das Beschwerdemanagement entlasten, sondern auch zu mehr Vertrauen beitragen, da sie neutraler und transparenter agiert als eine Stelle, die direkt dem Jobcenter angegliedert ist.