Schwerbehinderung: Zuzahlungen minimieren – mit diesem Trick zahlen sie keinen Cent mehr

Lesedauer 4 Minuten

Wer regelmäßig Physio braucht, Hilfsmittel nutzt oder zur Reha muss, zahlt schnell dreistellige Beträge aus der eigenen Tasche. Das muss nicht sein. Wer seine persönliche Belastungsgrenze kennt, Quittungen ab Tag 1 sammelt und die Vorauszahlung nutzt, spart oft schon im Frühjahr jede weitere Zuzahlung – inklusive Erstattung von zu viel gezahlten Beträgen.

Was genau als Zuzahlung zählt – und wo die Deckel greifen

Zuzahlungen sind gesetzlich normiert. Grundregel: 10 Prozent des Preises, mindestens 5 Euro, höchstens 10 Euro, nie mehr als die tatsächlichen Kosten. Bei Heilmitteln wie Physiotherapie wird zusätzlich je Verordnung ein fixer Betrag fällig.

Bei Hilfsmitteln (Rollator, CPAP, Hörgerät u. a.) gelten ebenfalls 10 Prozent zwischen 5 und 10 Euro je Abgabe; Verbrauchshilfsmittel wie Inkontinenz- oder Stoma-Artikel sind auf maximal 10 Euro pro Monatsbedarf begrenzt – unabhängig von der Anzahl der Packungen. Im Krankenhaus zahlen Versicherte 10 Euro je Kalendertag, gedeckelt auf 28 Tage pro Jahr.

Fahrkosten sind ebenfalls zuzahlungspflichtig – pro Fahrt 10 Prozent, mindestens 5, maximal 10 Euro. Kinder bis unter 18 Jahren sind grundsätzlich befreit (Ausnahme: Fahrkosten), bei Schwangerschaftsleistungen entfallen Zuzahlungen ebenfalls.

Für Reha gilt: Übernimmt die Krankenkasse die Reha, werden 10 Euro je Tag fällig (ambulant wie stationär). Trägt die Deutsche Rentenversicherung die Kosten, fällt die Zuzahlung nur bei stationären Rehas an: 10 Euro pro Tag, höchstens 42 Tage im Jahr, bei Anschlussheilbehandlungen regelmäßig kürzer gedeckelt.

Ihre persönliche Belastungsgrenze: Der Schlüssel zur Befreiung

Der Wendepunkt ist die sogenannte Belastungsgrenze. Sie beträgt 2 Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Haushalts. Schwerwiegend chronisch Kranke werden halbiert und zahlen höchstens 1 Prozent.

Wichtig: Es handelt sich um eine Jahresgrenze. Sobald Ihre gesetzlich relevanten Zuzahlungen diese Schwelle erreichen, muss die Kasse für den Rest des Jahres alle weiteren Zuzahlungen erlassen – und bereits zu viel Gezahltes erstatten. Die Befreiung gilt immer nur für das laufende Kalenderjahr und muss jeweils neu beantragt werden.

Konkretes Rechenbeispiel: So viel sparen Sie wirklich

Wir rechnen das durch – einmal ohne und einmal mit Chroniker-Status:

Haushaltseinkommen p. a. Belastungsgrenze (2 % / 1 %)
24.000€ 480 € / 240 €

Fall A (ohne Chroniker-Status):

Eine Versicherte mit 24.000 € Jahreshaushaltseinkommen erreicht die Belastungsgrenze bei 480 €. Sie startet das Jahr mit einer stationären Reha (DRV, 21 Tage × 10 € = 210 €), erhält mehrere Physiorezepte (z. B. drei Verordnungen je 22 €, macht 66 €), nutzt ein neues Hilfsmittel (120 € Listenpreis → 10 € Zuzahlung) und bezieht Inkontinenzmaterial (10 € pro Monat × 6 = 60 €).

Bis Juni summieren sich so 346 € Zuzahlungen. Kommt im Sommer noch ein Krankenhausaufenthalt von 14 Tagen hinzu (140 €), sind 486 € erreicht – die Grenze ist überschritten. Die Kasse stellt einen Befreiungsausweis bis Jahresende aus, weitere Zuzahlungen entfallen. Die 6 € „zu viel“ werden erstattet.

Fall B (schwerwiegend chronisch krank):

Bei gleicher Ausgangslage ist die Grenze bereits bei 240 € erreicht. Nach der Reha (210 €) reichen schon ein einziges Physiorezept und ein Monat Verbrauchshilfsmittel (22 € + 10 €) – die Grenze fällt Anfang Februar. Ergebnis: Ab dann sind alle weiteren Zuzahlungen in diesem Jahr befreit.

Wer weiß, dass die Grenze sicher gerissen wird, sollte zu Jahresbeginn die voraussichtliche Summe als Vorauszahlung an die Kasse leisten. Der Befreiungsausweis kommt dann sofort – und Sie zahlen im ganzen Jahr keinen Cent Zuzahlung mehr am Tresen.

So führen Sie sich gezielt in die Befreiung: Quittungen, Antrag, Erstattung

Der Weg ist einfach. Quittungen ab dem 1. Januar sammeln – Heilmittel, Hilfsmittel, Reha, Krankenhaus, Fahrten. Beim Krankenhaus zusätzlich den Zahlungsnachweis (z. B. Kontoauszug) bereithalten. Sobald die Summe Ihre persönliche Grenze erreicht, den Antrag auf Zuzahlungsbefreiung stellen und die Einkommensunterlagen beilegen.

Viele Kassen erlauben auch den rückwirkenden Sammelantrag nach Jahresende: Quittungen und Nachweise einreichen, zu viel gezahlte Beträge werden dann erstattet.

Achtung Grenzfälle: Aufzahlungen zählen nicht

Nicht alles, was an der Kasse fällig wird, senkt die Belastungsgrenze. Aufzahlungen für Komfort oder Wunschleistungen – etwa edlere Varianten bei Hilfsmitteln über dem Sachleistungsstandard – sind keine Zuzahlungen im gesetzlichen Sinne.

Gleiches gilt für IGeL und Mehrkosten bei Zahnmaterialien außerhalb der Kassenleistung. In der Praxis heißt das: Bei Standardversorgung sind Hilfsmittel regelmäßig ohne Mehrkosten erhältlich; entscheiden sich Versicherte für teurere Ausführungen, zahlen sie diese Differenz selbst – und können sie nicht auf die Befreiungsgrenze anrechnen lassen.

Reha-Sonderfälle im Blick: Kasse vs. Rentenversicherung

Entscheidend ist, wer die Reha finanziert. Kassen-Reha: 10 Euro pro Tag, ambulant und stationär identisch. DRV-Reha: Zuzahlung nur stationär, 10 Euro pro Tag, maximal 42 Tage im Jahr (bei Anschlussheilbehandlung regelmäßig kürzer).

Für die Belastungsgrenze macht das keinen Unterschied – gezahlt ist gezahlt. Aber: Wer aufgrund einer anstehenden Reha sicher die Grenze reißt, fährt mit der Vorauszahlung besonders gut, weil der Befreiungsausweis dann schon beim Antritt vorliegt.

Servicekasten: Digitale Hilfe nutzen

Viele Kassen bieten einen Befreiungsrechner und App-Uploads für Quittungen an. Das spart Papier und gibt einen tagesaktuellen Überblick über die bereits angerechneten Beträge. Tipp: Direkt in der App prüfen, ob die Vorauszahlung zum Jahresstart möglich ist.

Mini-„Eigenanteil-Check“: In drei Antworten zur richtigen Strategie

Sind Sie schwerwiegend chronisch krank im Sinne der Chroniker-Richtlinie? Dann liegt Ihre Grenze bei 1 Prozent – Vorauszahlung zum Jahresstart zahlt sich meist sofort aus.
Wer ist Reha-Träger?
Bei DRV-Rehas zählen nur stationäre Tage, bei Kassen-Rehas jeder Tag. Planen Sie damit Ihren Grenzdurchbruch.
Handelt es sich um Hilfsmittel oder Verbrauchshilfsmittel?
Einmalige Hilfsmittel sind bei der Zuzahlung zwischen 5 und 10 Euro gedeckelt; Verbrauchshilfsmittel kosten maximal 10 Euro pro Monatsbedarf – ein schneller Weg Richtung Befreiung.

Finanzielle Vorteile auf den Punkt gebracht

Die gesetzlichen Zuzahlungsdeckel wirken – aber den vollen Vorteil haben nur diejenigen, die ihre Jahresgrenze aktiv managen. Chronikerinnen und Chroniker sind oft schon nach wenigen Wochen komplett befreit.

Haushalte ohne Chroniker-Status erreichen die 2-Prozent-Grenze häufig mit einer Kombination aus Reha, Krankenhaus und Hilfsmitteln im Laufe des Jahres. Wer die Vorauszahlung nutzt, spart nicht nur jeden weiteren Eigenanteil, sondern auch Nerven an Apothekentresen, in Sanitätshäusern und Reha-Kliniken.