Schwerbehinderung: Von diesen Kannleistungen sagt Dir niemand etwas

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Viele Betroffene wissen zwar, dass schwerbehinderte Menschen Anspruch auf bestimmte Rechte und Nachteilsausgleiche haben, doch kaum jemand kennt die entscheidenden Details. Ein Großteil der vorhandenen Integrationsamt-Leistungen bleibt ungenutzt, weil die Behörden selten proaktiv informieren und Betroffene die Möglichkeiten nicht kennen.

Kann-Leistungen der Integrationsämter

Zu den Rechten bei Schwerbehinderung gehören Unterstützungen, die direkt die Arbeitsfähigkeit stabilisieren. Das Integrationsamt darf nicht nur eingreifen, es muss prüfen, sobald der Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Menschen bedroht ist.

Dazu zählen technische Arbeitshilfen, Arbeitsassistenz, Mobilitätszuschüsse und Maßnahmen zur besseren Kommunikation. Viele Anträge scheitern nicht am Anspruch, sondern an fehlender Kenntnis über die vorhandenen Möglichkeiten.

Die Kannleistungen des Integrationsamts bilden den größten, aber am wenigsten erklärten Leistungskatalog dieser Behörde. Dazu gehören ergonomische Arbeitsplatzhilfen, digitale Kommunikationsassistenz, Jobcoaching, Konfliktmoderation sowie Lohnkostenzuschüsse an Arbeitgeber.

Kann-Leistungen sind es, weil sie unter das Ermessen der Behörde fallen. Das bedeutet, die Mitarbeiter können im konkreten Fall zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten entscheiden, je nachdem, wie sie die Situation einschätzen.

Ermessen ist keine Willkür

Dieses Ermessen folgt aber klaren rechtlichen Kriterien: Die Leistungen müssen geeignet sein, einen gefährdeten Arbeitsplatz zu sichern oder eine realistische Rückkehr ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Wer konkrete Bedarfe beschreibt und deren Nutzen für die Arbeitsfähigkeit nachvollziehbar macht, erhöht die Bewilligungschancen deutlich.

Fünf Beispiele aus der Beratungspraxis, die verdeutlichen, was möglich ist

Eine Verkäuferin mit Tinnitus erhält nach Nachweis ihrer Reizüberempfindlichkeit eine akustische Signalanlage, die ihre Belastbarkeit dauerhaft verbessert. Ein Lagerarbeiter mit Autismus profitiert von einer strukturierten Arbeitsplatzanpassung, nachdem das Integrationsamt zunächst fälschlich auf andere Träger verwiesen hatte.

Eine Verwaltungsangestellte mit Multipler Sklerose setzt eine dauerhafte Arbeitsassistenz durch, weil dokumentiert wurde, welche Tätigkeiten sie ohne Hilfe nicht mehr zuverlässig ausführen kann.

Ein Busfahrer mit Depressionen erreicht ein finanziertes Belastungscoaching, das seine Dienstfähigkeit stabilisiert. Eine Lehramtsanwärterin mit Angststörung erhält eine begleitende Assistenz und prüfungsbezogene Nachteilsausgleiche, nachdem sie die Auswirkungen auf ihren Ausbildungsalltag präzise beschrieben hat.

Mögliche Kann-Leistungen der Jobcenter bei gesundheitlichen Einschränkungen

Auch Jobcenter verfügen über flexible Leistungsinstrumente, wenn gesundheitliche Probleme oder eine anerkannte Schwerbehinderung die berufliche Teilhabe beeinträchtigen. Diese Maßnahmen gehören zwar nicht zu den klassischen Nachteilsausgleichen schwerbehinderter Menschen, können aber entscheidend sein, um den Weg in Arbeit realistisch zu gestalten.

Jobcenter dürfen arbeitsmarktbezogene Gesundheitskosten übernehmen, wenn diese zweifelsfrei der Eingliederung dienen und kein anderer Kostenträger zuständig ist. Das umfasst zum Beispiel Therapiefahrten oder Stabilisierungsmaßnahmen im Rahmen eines individuellen Eingliederungskonzeptes.

Ebenso können Jobcenter technische Hilfsmittel finanzieren, die für den Einstieg in eine Tätigkeit unverzichtbar sind, etwa ergonomische Module oder digitale Assistenzsysteme. Hinzu kommen Coachingangebote, Mobilitätszuschüsse oder Eingliederungszuschüsse für Arbeitgeber, wenn gesundheitliche Einschränkungen das Einstellungsrisiko erhöhen.

Beispiele aus der Praxis für Leistungen des Jobcenters

In der Praxis zeigt sich oft, dass diese Leistungen oft sehr entscheidend sind: Eine Mutter mit chronischer Fatigue nutzt finanzierte Therapiefahrten, um ihre Belastbarkeit für eine Teilzeitstelle aufzubauen. Ein junger Mann mit ADHS stabilisiert seinen Arbeitsalltag dank eines strukturierten Jobcoachings. Eine schwerhörige Verwaltungsfachangestellte erhält ein Konferenzsystem, das ihre Teilhabe in Meetings ermöglicht.

Ein Mann mit Arthrose bekommt ein höhenverstellbares Arbeitsmodul, das seinen Einsatz im Betrieb erst möglich macht. Eine Verkäuferin in Wiedereingliederung kann notwendige Arztwege nur dank eines ergänzenden Mobilitätszuschusses bewältigen.

Wie Betroffene ihre Rechte durchsetzen

Wer die Rechte schwerbehinderter Menschen kennt, erreicht deutlich häufiger eine Bewilligung. Entscheidend ist, Einschränkungen nicht abstrakt zu schildern, sondern anhand konkreter Tätigkeiten im Arbeitsalltag zu belegen. Arbeitgeberaussagen, Gutachten und nachvollziehbare Beispiele erhöhen die Glaubwürdigkeit.

Besonders wirksam ist eine Darstellung der Folgen, wenn die beantragte Maßnahme verweigert würde – etwa drohende Arbeitsunfähigkeit oder eine Kündigung. Betroffene, die aktiv Lösungswege einbringen, durchbrechen die gängige Behördenträgheit.

Checkliste: So nutzt du die verdeckten Chancen des Integrationsamts

Wer sich vorbereitet, analysiert zuerst präzise, welche Tätigkeiten am Arbeitsplatz durch die Behinderung beeinträchtigt sind und welche Unterstützung diese Einschränkungen kompensiert. Danach zeigt man, warum die gewünschte Leistung den Arbeitsplatz sichert und warum andere Träger nicht zuständig sind.

Besonders überzeugend wirken Maßnahmen, die kleine Kosten verursachen, aber große Risiken – wie Arbeitsunfähigkeit oder Kündigung – vermeiden. Akteneinsicht klärt Missverständnisse, entdeckt Falschzuordnungen und stärkt das eigene Verfahren.

FAQ: Die fünf wichtigsten Fragen zu Leistungen des Integrationsamts

Darf das Integrationsamt auch unterstützen, wenn andere Stellen noch prüfen?
Ja. Das Amt darf und soll tätig werden, sobald das Arbeitsverhältnis gefährdet ist. Eine Ablehnung anderer Träger ist keine Voraussetzung.

Muss der Arbeitgeber zustimmen, bevor eine Maßnahme bewilligt wird?
Für Maßnahmen am Arbeitsplatz ist Kooperation sinnvoll, doch das Integrationsamt kann Leistungen zugunsten des schwerbehinderten Menschen auch ohne Zustimmung bewilligen.

Gilt Arbeitsassistenz nur für bestimmte Behinderungsarten?
Nein. Arbeitsassistenz steht allen schwerbehinderten Menschen offen, deren Arbeitsfähigkeit ohne diese Hilfe eingeschränkt wäre – unabhängig davon, ob die Einschränkung psychisch, motorisch oder kognitiv bedingt ist.

Was passiert, wenn bereits eine Kündigung ausgesprochen wurde?
Das Integrationsamt kann Kündigungen verhindern oder bestehende Schutzrechte stärken. Betroffene sollten sofort rechtliche Unterstützung suchen.

Wie lange dauern Entscheidungen über Kann-Leistungen des Integrationsamts?
Die Dauer schwankt stark. Vollständige Unterlagen, klare Begründungen und eine aktive Kommunikation beschleunigen das Verfahren spürbar.

Fazit: Wer seine Rechte kennt, sichert seine Zukunft

Viele Leistungen des Integrationsamts und arbeitsbezogene Nachteilsausgleiche bleiben ungenutzt, weil sie kaum kommuniziert werden. Betroffene, die ihre Rechte kennen und ihre Bedarfe präzise darstellen, schaffen sich berufliche Stabilität und verhindern, dass wichtige Hilfen an bürokratischen Blockaden scheitern.

Die oft nicht offen kommunizierten Kann-Leistungen von Integrationsamt und Jobcenter schützen nicht nur den aktuellen Arbeitsplatz, sondern stärken die langfristige Teilhabe schwerbehinderter Menschen. Information wird hier zur stärksten Form sozialer Selbstverteidigung.