Schwerbehinderung: Grad der Behinderung bei Arthrose – Das steht zu

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Arthrose ist eine degenerative Gelenkerkrankung. Ursache ist ein Abrieb des Gelenkknorpels. Dieser kann zu Steifheit, Bewegungseinschrรคnkungen, Funktionsbeeintrรคchtigungen und starken Schmerzen fรผhren. Je nachdem, wie sehr die Beschwerden die Teilhabe an der Gesellschaft einschrรคnken kann eine Arthrose einen Grad der Behinderung von Null bis 100 bedeuten.

Primรคre und sekundรคre Arthrose

Primรคre Arthrose ist am meisten verbreitet. Die Ursache ist unbekannt. Sekundรคre Arthrose entsteht hingegen als Folge einer anderen Erkrankung oder einer Verletzung. Solche Verletzungen kรถnnen Knochenbrรผche oder Risse des Meniskus sein, Gicht und andere Stoffwechselerkrankungen kรถnnen ebenfalls zu einer Arthrose fรผhren, ebenso entzรผndliche Gelenkerkrankungen wie zum Beispiel eine rheumatoide Arthritis. Auch eine รœberlastung des Gelenks durch Sport oder kรถrperliche Arbeit fรผhrt zu Arthrosen.

Alle Gelenke kรถnnen betroffen sein

Grundsรคtzlich kann sich eine Arthrose an allen Gelenken des Kรถrpers entwickeln. Bei einigen Gelenken tritt sie jedoch sehr selten auf, bei anderen weit hรคufiger. Am verbreitetsten ist eine Arthrose in den Hand- und Fingergelenken und hier besonders in den Fingermittelgelenken und im Daumsattelgelenk.

Ebenfalls hรคufig sind Hรผft- und Kniearthrosen. Sie kรถnnen die Gehfรคhigkeit erheblich einschrรคnken, und zu Schmerzen, Steifheit und Bewegungseinschrรคnkungen fรผhren. Wรคhrend die Hรผftarthrose primรคr bei รคlteren Menschen auftritt, sind von einer Kniearthrose auch Menschen mittleren Alters nicht selten betroffen.

Schulter- und Wirbelsรคulenarthrosen zรคhlen ebenfalls noch zu den hรคufigeren Formen. Beide sind mit Schmerzen. Steifheit und Bewegungseinschrรคnkungen verbunden.

Grad der Behinderung bei Arthrose โ€“ Das ist wichtig

Die Hรถhe des Grades einer Behinderung bei einer Arthrose hรคngt von der Stรคrke der Schmerzen und der Einschrรคnkung der Mobilitรคt ab. Ein anerkannter Grad der Behinderung berechtigt sie zu steuerlichen Vorteilen sowie zu Rehabilitationen und Nachteilsausgleichen.

Damit ihr Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung erfolgreich sein kann, brauchen sie medizinische Nachweise wie Rรถntgenbilder und รคrztliche Befundberichte. Fachรคrzte dafรผr sind Orthopรคden.

Was sollten Sie im Vorfeld tun?

Ein Antrag auf einen Grad der Behinderung hat umso grรถรŸere Aussichten auf Erfolg, je besser Sie ihn vorbereiten. Prรผfen Sie deshalb, wie stark Ihre Arthrose Sie im Alltag beeintrรคchtigt und notieren Sie dies am besten in einem Tagebuch.

Kรถnnen Sie ohne fremde Hilfe oder Hilfsmittel wie Stock oder Krรผcken Treppen steigen und wie lange brauchen Sie dafรผr? Wie weit kรถnnen Sie gehen, mit und ohne Hilfsmittel, ohne sich ausruhen zu mรผssen und / oder Schmerzen zu empfinden.

Wie stark sind die Schmerzen, auch nach รคrztlicher Einschรคtzung? Reichen Schmerzmittel fรผr leichtere und mittlere Schmerzen aus oder mรผssen Sie regelmรครŸig beziehungsweise phasenweise Mittel gegen starke und sehr starke Schmerzen nehmen?

Mรผssen Sie hรคufiger wegen Ihrer Arthrose arbeitsunfรคhig geschrieben werden? Welche Bewegungseinschrรคnkungen haben Sie im Alltag, zum Beispiel beim Autofahren oder beim Benutzen รถffentlicher Verkehrsmittel? Besprechen Sie all dies mit Ihren ร„rzten.

Worauf sollten Sie achten?

Ein Grad der Behinderung bezieht sich nicht unmittelbar auf die Ursache der Einschrรคnkungen, sondern darauf, wie stark die Beeintrรคchtigungen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschweren.

An diesem Punkt sollten Sie genau erfassen und mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen, in welchen Bereichen Sie sich wegen der Arthrosen einschrรคnken mรผssen. Mรผssen Sie auf viele Sportarten verzichten wie zum Beispiel Laufen oder Fahrrad fahren? Nehmen Sie an Wanderungen oder Tanzveranstaltungen nicht mehr teil, weil dies Ihre Gelenke รผberlastet oder nicht mehr mรถglich ist?

Sammeln Sie medizinische Nachweise

Zu den medizinischen Nachweisen gehรถren Rรถntgenbilder, MRT-Berichte, รคrztliche Diagnosen und auch bereits durchgefรผhrte Behandlungen wie zum Beispiel Physiotherapien, mรถglicherweise auch Entlassungsberichte aus Krankenhรคusern oder Reha-Einrichtungen.

So stellen Sie den Antrag

Den Antrag auf die Feststellung des Grades der Behinderung stellen Sie beim zustรคndigen Versorgungsamt. Dieses stellt Formulare dafรผr zur Verfรผgung. In diesen schildern Sie akribisch, wie Ihre Arthrose Ihre Mobilitรคt, Selbststรคndigkeit und berufliche Tรคtigkeit einschrรคnkt.

Diesen Antrag senden Sie ein und behalten sauber geordnete Kopien Ihrer eingeschickten Unterlagen. Wenn das Versorgungsamt Rรผckfragen hat oder weitere Unterlagen verlangt, dann organisieren Sie dies so schnell wie mรถglich โ€“ umso schneller kann รผber Ihren Antrag entschieden werden.

Prรผfen Sie den Bescheid

Nach einer gewissen Zeit erhalten Sie einen Bescheid des Versorgungsamtes รผber den festgestellten Grad der Behinderung. Sind Sie damit nicht zufrieden, dann kรถnnen Sie innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen.

Einzel-GdB und Gesamt-GdB

Bei verschiedenen Einschrรคnkungen wird zuerst der Einzelgrad jeder Behinderung festgestellt. Danach werden diese auf ihre Wechselwirkungen รผberprรผft und als Gesamtgrad der Behinderung bewertet. Der Einzel-GdB einer Arthrose richtet sich nach Ihrer Art und Schwere, nach den betroffenen Gelenken und am Ende nach den daraus entstehenden Einschrรคnkungen.

Ein breites Spektrum

Eine leichte Arthrose im Kniegelenk beispielsweise fรผhrt zu einem Einzel-GdB. Eine ausgeprรคgte Kniearthrose mit starken Schmerzen, eingeschrรคnkten Bewegungen und erheblich beeintrรคchtigter Gehfรคhigkeit kann hingegen mit einem Einzel-GdB von bis zu 80 bewertet werden.

Ob mehrere Arthrosen insgesamt einen hรถheren Grad der Behinderung ergeben, liegt daran, ob sich die jeweiligen Beschwerden gegenseitig verstรคrken oder nebeneinander stehen. Tendenziell verstรคrken sich Arthrosen in mindestens drei groรŸen Gelenken wie Hรผfte, Knie und Schulter derart gegenseitig, dass der Grad der Behinderung รผber 50 ergeben kann. Damit haben Sie einen Status als Schwerbehinderter mitsamt den damit verbundenen Nachteilsausgleichen.

Geringe, mittlere und schwere Arthrose

Als groben Rahmen kรถnnen Sie folgende Muster nehmen: Eine gering ausgeprรคgte Arthrose mit leichten Beschwerden fรผhrt zu einem Grad der Behinderung von zehn bis 20. Eine mittlere Arthrose mit deutlich eingeschrรคnkter Bewegung entspricht ungefรคhr einem Grad der Behinderung von 20 bis 40. Eine schwere Arthrose, die sowohl die Lebensfรผhrung als auch die Bewegungsfรคhigkeit erheblich einschrรคnkt, wird in der Regel mit einem Grad der Behinderung von 40 bis 100 bewertet.

Welche Merkzeichen sind bei einer Arthrose mรถglich?

Im Schwerbehindertenausweis werden besondere Merkzeichen eingeschrieben, die jede fรผr sich bestimmte Nachteilsausgleiche rechtfertigen. Bei Arthrosen sind die Merkzeichen G, aG und B mรถglich.

Das Merkzeichen G

Dieses Merkzeichen steht fรผr eine erhebliche Gehbehinderung. Betroffene sind in ihrer Bewegungsfรคhigkeit im StraรŸenverkehr sowie beim Gehen und Stehen erheblich beeintrรคchtigt. Um dieses Merkzeichen รผberhaupt erhalten zu kรถnnen, ist ein Grad der Behinderung von mindestens 50 notwendig.

Infrage kommen hier Betroffene, deren Arthrosen fortgeschritten sind, die starke Schmerzen verspรผren und demzufolge eingeschrรคnkt in ihren Bewegungen und ihrer Gehfรคhigkeit sind. Mit besonderen Belastungen der Gehfรคhigkeit sind zudem Menschen mit Knie-, Wirbelsรคulen- und Hรผfarthrosen am stรคrksten betroffen.

Das Merkzeichen aG

Das Merkzeichen aG steht fรผr auรŸergewรถhnlich gehbehindert und reicht รผber das Merkzeichen G hinaus. Die Beeintrรคchtigungen der Bewegungsfรคhigkeit sind hier so groรŸ, dass die Betroffenen in erheblichem Umfang auf fremde Hilfe angewiesen sind.

Voraussetzung fรผr dieses Merkzeichen bei einer Arthrose ist ein Grad der Behinderung von mindestens 70. Bei Arthrosen muss dafรผr eine komplizierte Erkrankung vorliegen, die zur fast vollstรคndigen oder kompletten Gehunfรคhigkeit fรผhrt.

Das Merkzeichen B

Das B im Merkzeichen steht fรผr Begleitperson. Dieses Merkzeichen ist denjenigen vorbehalten, die infolge ihrer Behinderung in erheblichem Umfang auf Hilfe einer Begleitperson angewiesen sind. Voraussetzung ist ein Grad der Behinderung von mindestens 70.

Arthrosepatienten mit diesem Merkzeichen haben schwere Erkrankungen in der Lendenwirbelsรคule, die starke Schmerzen verursachen und die Bewegung erheblich einschrรคnken.

Was bringen die Merkzeichen?

Jedes Merkzeichen ist mit spezifischen Nachteilsausgleichen verbunden. Wir stellen Ihnen einige davon vor, die bei einer Arthrose Entlastung bringen.

Menschen, die oft den รถffentlichen Nahverkehr nutzen, kรถnnen mit dem Merkzeichen G eineย Wertmarkeย erwerben. Diese kostet jรคhrlich rund 90 Euro und berechtigt dafรผr zur kostenlosen Nutzung des รถffentlichen Nahverkehrs in ganz Deutschland.

Das Merkzeichen aG ermรถglicht unter anderem das Parken auf ausgewiesenen Behindertenparkplรคtzen (blauer EU-Parkausweis), verbunden mit einer Befreiung von der Kfz-Steuer oder alternativ zum Erwerb einer Wertmarke fรผr den รถffentlichen Nahverkehr.
Der blaue EU-Parkausweis ist eine enorme Erleichterung im Alltag, denn die Behindertenparkplรคtze sind oft so angelegt, dass Sie einen extra kurzen Weg zu ihrem Ziel haben.

Beim Merkzeichen B kann eine Begleitperson kostenlos mit Ihnen im Nah- und Fernverkehr mitfahren. So ist gewรคhrleistet, dass Sie Reisen bewรคltigen und/oder bei der Orientierung Unterstรผtzung bekommen.

Kurz und knapp

Eine Arthrose kann eine Behinderung verursachen, wenn sie dazu fรผhrt, dass Sie nur eingeschrรคnkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kรถnnen. Der Grad der Behinderung und auch die Frage, ob eine Schwerbehinderung mit einem GdB von mindestens 50 vorliegt, entscheidet sich nach der Schwere der Arthrose, den betroffenen Gelenken und den aus der Arthrose entstehenden Beeintrรคchtigungen.

Was kรถnnen Sie tun?

Vielen Betroffenen ist unklar, ob bei Ihnen รผberhaupt Anzeichen fรผr eine Behinderung vorliegen. Das liegt auch am Wesen dieser Gelenkerkrankung selbst. Es handelt sich um einen VerschleiรŸ des Gelenkknorpels.

Viele Menschen haben lรคngst eine Arthrose und merken รผberhaupt nichts, abgesehen von einem โ€žKnackenโ€œ im entsprechenden Gelenk. Dann wieder kann eine lange unerkannte Arthrose abrupt zu extremen Schmerzen und massiver Einschrรคnkung der Beweglichkeit fรผhren, zum Beispiel, weil ein Stรผck des brรผchigen Knorpels abgebrochen ist.

Im gesunden Zustand ist der Knorpel ein Puffer, der eine reibungslose Bewegung der Gelenke ermรถglicht. Brechen jetzt aber Stรผckchen ab, dann reiben sie, und das erzeugt Schmerzen. Die Beschwerden kรถnnen wenige Tage anhalten und dann aufhรถren; sie kรถnnen sich aber auch รผber Monate hinziehen.

Deshalb sollten Sie als Arthrosepatient unbedingt mit Ihrem behandelnden Orthopรคden klรคren, ob in Ihrem Fall ein Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung sinnvoll ist.