Schwerbehinderung: So sichern Sie sich 5 Extra-Urlaubstage

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Der ยง 208 des Sozialgesetzbuches IX definiert, dass Menschen mit Schwerbehinderung in Deutschland Anspruch auf zusรคtzlichen bezahlten Urlaub haben. Bei fรผnf Arbeitstagen pro Woche sind das fรผnf Urlaubstage mehr pro Jahr. Arbeiten Beschรคftigte an mehr oder weniger als fรผnf Tagen pro Woche, wird entsprechend anteilig gerechnet (Beispiel: 3-Tage-Woche โ†’ 3 zusรคtzliche Tage; 6-Tage-Woche โ†’ 6 zusรคtzliche Tage pro Jahr).

Was sind die Voraussetzungen

Voraussetzung ist ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50. Der Nachweis erfolgt in der Praxis รผber den Schwerbehindertenausweis oder den Feststellungsbescheid. Wichtig: Der Anspruch entsteht ab dem Zeitpunkt, ab dem die Schwerbehinderteneigenschaft festgestellt ist (auch rรผckwirkend, wenn der Bescheid rรผckwirkend gilt).

Der Ausweis ist nicht die Anspruchsvoraussetzung selbst, sondern der Nachweis dafรผr. Teilen Sie die anerkannte Schwerbehinderung zeitnah dem Arbeitgeber mit, damit der Anspruch korrekt berรผcksichtigt werden kann.

Der Urlaubsanspruch ist verpflichtend

Dieser zusรคtzliche Urlaubsanspruch fรผr Menschen mit Schwerbehinderung verpflichtet den Arbeitgeber. Er ist nicht verhandelbar und nicht abdingbar, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Wichtig ist, dass Sie den Anspruch aktiv geltend machen und sich dies mรถglichst schriftlich bestรคtigen lassen. Tarif- oder Betriebsvereinbarungen kรถnnen mehr Zusatzurlaub vorsehen โ€“ weniger nicht.

Zusatzurlaub ist ein Nachteilsausgleich

Menschen mit Schwerbehinderung sind im Arbeitsalltag hรคufig besonders belastet. Die zusรคtzlichen Urlaubstage schaffen hier einen Ausgleich, indem fรผr die besondere Belastung eine zusรคtzliche Erholung gewรคhrt wird. Dies soll die langfristige Gesundheit und die Arbeitsfรคhigkeit der Betroffenen unterstรผtzen.

Es gelten die gleichen Regeln wie beim gesetzlichen Mindesturlaub

Beim Zusatzurlaub fรผr Menschen mit Schwerbehinderung gelten grundsรคtzlich die gleichen Regeln wie beim gesetzlichen Mindesturlaub. Der Urlaub ist im laufenden Kalenderjahr zu nehmen. Eine รœbertragung auf das Folgejahr ist nur bei dringenden Grรผnden mรถglich (z. B. betriebliche Grรผnde, Krankheit).
Wichtig zur Verfallfrist:

  • Die oft genannte โ€ž15-Monate-Regelโ€œ gilt nicht generell, sondern typischerweise bei durchgehender Arbeitsunfรคhigkeit; dann verfรคllt der Urlaub 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres.
  • Unabhรคngig davon muss der Arbeitgeber Beschรคftigte rechtzeitig und konkret auf offene Urlaubsansprรผche hinweisen und sie zur Inanspruchnahme auffordern. Das setzt voraus, dass der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung (und damit vom Zusatzurlaub) weiรŸ oder sie offenkundig ist. Ohne diese Kenntnis kann der Zusatzurlaub trotz fehlender Hinweise verfallen.

Unterjรคhriger Anspruch (bei Anerkennung im laufenden Jahr)

Wird die Schwerbehinderteneigenschaft unterjรคhrig festgestellt oder endet sie im Laufe des Jahres, entsteht der Zusatzurlaub anteilig: 1/12 pro vollem Monat mit anerkannter Schwerbehinderteneigenschaft. Bruchteile ab 0,5 werden auf einen vollen Tag aufgerundet (entsprechend der Regelung beim Mindesturlaub).

Zusatzurlaub gilt anteilig auch bei Teilzeit

Der Zusatzurlaub gilt selbstverstรคndlich auch bei Teilzeitbeschรคftigung. Entscheidend ist nicht die Stundenanzahl, sondern die Anzahl der regelmรครŸigen Arbeitstage pro Woche. Beispiel: Teilzeit mit drei festen Arbeitstagen pro Woche โ†’ drei zusรคtzliche Urlaubstage pro Jahr. Bei unregelmรครŸigen Modellen (Wechselschichten/rollierende Plรคne) wird auf die durchschnittliche Anzahl der Arbeitstage pro Woche abgestellt.

Keine Verrechnung mit Sonderurlaub

Der zusรคtzliche Urlaub fรผr Menschen mit Schwerbehinderung ist ein eigenstรคndiger gesetzlicher Anspruch. Arbeitgeber dรผrfen diesen nicht mit anderen Sonderurlaubstagen (z. B. aus Anlass wie Umzug oder Hochzeit) verrechnen. Tarifliche oder betriebliche Mehrleistungen bleiben davon unberรผhrt.

Worauf mรผssen Sie achten?

Sie mรผssen bei Ihrem Arbeitgeber den Zusatzurlaub beantragen, er wird nicht automatisch gewรคhrt. Informieren Sie Ihren Arbeitgeber rechtzeitig รผber die geplanten Urlaubstermine. Wird Ihre Schwerbehinderteneigenschaft rรผckwirkend anerkannt, sollten Sie den anteiligen Zusatzurlaub fรผr das laufende bzw. zuletzt betroffene Jahr umgehend geltend machen. Bewahren Sie Bescheide und Korrespondenz mit dem Arbeitgeber als Nachweis auf.

Zusatzurlaub lรคsst sich kombinieren

Die zusรคtzlichen Urlaubstage lassen sich mit anderen Freistellungen planerisch kombinieren, etwa mit Gleitzeit oder dem Abbau von รœberstunden (sofern vertraglich geregelt). Achtung: Wรคhrend einer stufenweisen Wiedereingliederung (โ€žHamburger Modellโ€œ) besteht in der Regel weiterhin Arbeitsunfรคhigkeit โ€“ Erholungsurlaub wird in dieser Phase nicht gewรคhrt. Urlaub kann vor oder nach der Wiedereingliederung genommen werden.

Bei Problemen hilft die Schwerbehindertenvertretung

In Betrieben oder Dienststellen mit mindestens fรผnf schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Beschรคftigten wird eine Schwerbehindertenvertretung gewรคhlt. Diese ist Ihre Anlaufstelle fรผr Fragen rund um Ihre Einschrรคnkung und Ihre Rechte am Arbeitsplatz.

Gilt der Zusatzurlaub auch bei Gleichstellung?

Bei einem Grad der Behinderung von 30 oder 40 kรถnnen Sie am Arbeitsplatz mit Schwerbehinderten gleichgestellt werden, wenn Ihr Arbeitsverhรคltnis wegen der Behinderung gefรคhrdet ist oder Sie wegen der Behinderung Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu finden.

Mit der Gleichstellung erhalten Sie viele Schutzrechte (z. B. besonderer Kรผndigungsschutz). Aber: Auch bei einer Gleichstellung besteht kein Anspruch auf zusรคtzliche Urlaubstage nach ยง 208 SGB IX.