Wer als schwerbehinderter Mensch in Deutschland lebt und einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 besitzt, kann unter bestimmten Voraussetzungen deutlich früher in den Ruhestand gehen. Doch der Weg zur sogenannten „Altersrente für schwerbehinderte Menschen“ ist an klare Bedingungen geknüpft.
Dieser Beitrag zeigt, was Sie beachten müssen, ab wann Sie abschlagsfrei oder mit Rentenabzug in den Ruhestand starten können – und wie Sie finanzielle Nachteile vermeiden.
Inhaltsverzeichnis
Wer gilt als schwerbehindert – und warum das so entscheidend ist
Nur Menschen mit einem anerkannten GdB von mindestens 50 gelten im rentenrechtlichen Sinne als schwerbehindert. Die Bescheinigung muss spätestens zum Rentenbeginn vorliegen. Eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen bei einem GdB von 30 oder 40 – wie sie etwa von der Agentur für Arbeit vorgenommen werden kann – reicht für diese spezielle Altersrente nicht aus.
Tipp: Wer plant, diese Rentenart zu nutzen, sollte die Anerkennung der Schwerbehinderung frühzeitig prüfen oder beantragen. Denn ohne offiziellen Bescheid besteht kein Anspruch auf die entsprechenden Vergünstigungen.
35 Jahre Versicherungszeit: Die zweite wichtige Hürde
Neben dem GdB ist die sogenannte Wartezeit ausschlaggebend. Wer vorzeitig in Rente gehen möchte, muss mindestens 35 Jahre im Rentensystem versichert gewesen sein. Dabei zählt nicht nur klassische Erwerbsarbeit.
Zu den anrechenbaren Zeiten gehören:
- Pflichtbeiträge aus Berufstätigkeit oder Minijobs mit Rentenbeitrag
- Kindererziehungszeiten
- Zeiten von Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug
- Schul, Ausbildungs oder Studienzeiten (unter bestimmten Bedingungen)
- Pflegezeiten und Ersatzzeiten (z. B. Kriegsdienst)
- Rentensplitting oder Versorgungsausgleich
Je breiter das Rentenkonto aufgestellt ist, desto einfacher wird es, die geforderten 35 Jahre zu erreichen.
Ab wann können schwerbehinderte Menschen in Rente?
Das Einstiegsalter für die Altersrente bei Schwerbehinderung richtet sich nach dem Geburtsjahrgang. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren die Altersgrenzen schrittweise angehoben – sowohl für den regulären (abschlagsfreien) als auch für den vorgezogenen Rentenbeginn.
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Abschlagsfreie Rente: Das reguläre Eintrittsalter
Menschen mit GdB 50 oder mehr können grundsätzlich zwei Jahre früher in Rente als andere – und das ohne Abzüge. Wer 1964 oder später geboren wurde, kann diese Rente frühestens mit 65 Jahren beziehen. Für ältere Jahrgänge gelten abgestufte Übergangsregelungen. Zum Beispiel:
- Jahrgang 1958: Abschlagsfreier Rentenbeginn mit 64 Jahren
- Jahrgang 1961: Ab 64 Jahren und 6 Monaten
- Jahrgang ab 1964: Frühestens mit 65 Jahren
Hinweis: Die detaillierten Tabellen der Deutschen Rentenversicherung geben exakt an, ab wann der abschlagsfreie Rentenbeginn möglich ist. Ein Link zu diesen Informationen sollte bei der persönlichen Planung genutzt werden.
Frühere Rente mit Abschlägen: Zwei Jahre eher – mit Einbußen
Ein früherer Rentenstart ist zwar möglich, kostet aber Geld. Wer zwei Jahre vor der individuellen abschlagsfreien Altersgrenze in den Ruhestand geht, muss monatlich auf 0,3 % verzichten – ein Leben lang. Das summiert sich auf maximal 10,8 % bei einem Rentenbeginn drei Jahre vor der regulären Grenze.
Beispielrechnung: Bei einer monatlichen Rente von 1.200 Euro entspricht der maximale Abschlag ca. 130 Euro monatlich – also mehr als 1.500 Euro jährlich. Für viele kann sich ein späterer Einstieg also lohnen.
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Gibt es Ausnahmen? Vertrauensschutz für ältere Jahrgänge
Personen, die vor dem 1. Januar 1955 geboren wurden und deren Schwerbehinderung bereits am 1. Januar 2007 anerkannt war, konnten unter bestimmten Bedingungen noch von älteren Regelungen profitieren. Dazu gehörten abschlagsfreie Renten bereits mit 63 oder sogar vor dem 63. Lebensjahr. Solche Regelungen sind jedoch weitgehend ausgelaufen und betreffen heute nur noch Einzelfälle.
GdB später anerkannt – lässt sich die Rente rückwirkend umstellen?
Wird die Schwerbehinderung erst nach dem Renteneintritt anerkannt, stellt sich für viele die Frage: Lässt sich eine bereits laufende Altersrente rückwirkend in eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen umwandeln?
Antwort: In bestimmten Fällen ist das möglich – insbesondere, wenn durch die neue Einstufung ein früherer, abschlagsfreier Rentenbeginn zulässig gewesen wäre. Eine individuelle Prüfung durch die Rentenversicherung ist unerlässlich. Wer dadurch Abschläge rückgängig machen kann, spart unter Umständen über Jahre hinweg Tausende Euro.
So stellen Sie den Antrag – und vermeiden teure Fehler
Die Rente beginnt nicht automatisch. Sie muss aktiv beantragt werden – am besten drei bis vier Monate vor dem gewünschten Startdatum. Zuständig ist die Deutsche Rentenversicherung. Eine gute Vorbereitung zahlt sich aus: Wer alle Unterlagen beisammen hat, kann Verzögerungen vermeiden und sich frühzeitig über mögliche Abschläge, Hinzuverdienstgrenzen oder Steuerpflichten informieren.
Wichtig: Die Schwerbehinderung muss zum Rentenbeginn vorliegen, nicht erst im Laufe des Rentenbezugs. Ein späterer Bescheid kann unter Umständen nicht rückwirkend berücksichtigt werden.
Individuelle Beratung: Warum Sie nicht auf eigene Faust rechnen sollten
Viele Betroffene unterschätzen die Komplexität des Rentensystems. Deshalb ist eine professionelle Beratung dringend zu empfehlen. Die Deutsche Rentenversicherung bietet kostenfreie und individuelle Termine an. Alternativ helfen auch Sozialverbände wie der VdK oder SoVD – allerdings oft nur gegen Mitgliedsbeitrag. Auch unabhängige Rentenberater sind eine Option, arbeiten jedoch auf Honorarbasis.
Was ist mit Nebenverdiensten? Neue Regeln seit 2023
Seit der FlexiRente gelten großzügigere Hinzuverdienstgrenzen. Auch bei vorgezogenen Altersrenten für schwerbehinderte Menschen können Sie zusätzlich verdienen – etwa durch einen Minijob oder eine Teilzeittätigkeit. Die genaue Höhe des erlaubten Zuverdiensts hängt von der jeweiligen Rentenart ab.
Tipp: Wer weiterarbeitet, sollte sich bei der Rentenversicherung beraten lassen, um keine ungewollten Rentenkürzungen zu riskieren.
Kranken und Pflegeversicherung im Ruhestand
Rentnerinnen und Rentner bleiben in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert – allerdings in der sogenannten Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Der Beitrag wird direkt von der Rente abgezogen. Auch Pflegeversicherungsbeiträge fallen an. Wer zuvor privat versichert war, sollte den Übergang frühzeitig mit der Krankenkasse klären.
Mit guter Planung früher in Rente – trotz Einschränkungen
Ein GdB von 50 kann der Schlüssel zu einem früheren Ruhestand sein – aber nur, wenn auch die restlichen Voraussetzungen stimmen. 35 Versicherungsjahre und ein rechtzeitig vorliegender Anerkennungsbescheid sind Pflicht. Wer vorzeitig in Rente geht, muss mit lebenslangen Abschlägen rechnen, kann aber unter Umständen auch clever gegensteuern.
Unser Rat: Informieren Sie sich frühzeitig, lassen Sie sich individuell beraten und nutzen Sie alle Spielräume, die das Gesetz bietet. So sichern Sie sich einen finanziell planbaren Ruhestand – trotz gesundheitlicher Einschränkungen.