Schwerbehinderung: So kann man sich von Zuzahlungen befreien lassen

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Gesetzlich krankenversicherte Personen ab 18 Jahren sind verpflichtet, sich an den Ausgaben fรผr medizinische Leistungen in Form von Zuzahlungen zu beteiligen. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bleiben grundsรคtzlich davon befreit.

Die Rechtsgrundlage dafรผr bildet ยง 62 SGB V, der auch die sogenannten Belastungsgrenzen festlegt: Sobald ein festgelegter Hรถchstbetrag erreicht ist, kรถnnen Versicherte sich fรผr das laufende Kalenderjahr von weiteren Zuzahlungen befreien lassen.

Die Belastungsgrenze ist auf zwei Niveaus festgesetzt:

  • 2 Prozent der jรคhrlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt fรผr regulรคre Fรคlle
  • 1 Prozent bei bestehender chronischer Erkrankung

Sรคmtliche gesetzlich vorgeschriebenen Zuzahlungen (z. B. fรผr Medikamente, Heilmittel, Hilfsmittel, Krankenhausaufenthalte) zรคhlen dabei. Freiwillige Kosten oder Eigenanteile fรผr bestimmte Leistungen (z. B. Zahnersatz ohne รคrztliche Verordnung) bleiben unberรผcksichtigt.

Belastungsgrenzen: 2 Prozent oder 1 Prozent bei chronischer Erkrankung

Die Hรถhe der Zuzahlungen wird gedeckelt, um Versicherte vor รผbermรครŸigen finanziellen Belastungen zu schรผtzen. Die entscheidende GrรถรŸe ist die persรถnliche Belastungsgrenze, die sich anhand des Einkommens aller Personen ermittelt, die im gemeinsamen Haushalt leben.

  • 2-Prozent-Grenze: Gilt in der Regel fรผr alle Versicherten.
  • 1-Prozent-Grenze: Gilt fรผr chronisch Kranke, sofern bestimmte Kriterien erfรผllt sind (siehe unten).

Sobald die Summe aller anrechenbaren Zuzahlungen diese Grenze รผberschreitet, kann ein Antrag auf Befreiung bei der Krankenkasse gestellt werden. Fรผr das jeweils laufende Kalenderjahr mรผssen nach Genehmigung keine weiteren Zuzahlungen mehr geleistet werden. Zu viel gezahlte Betrรคge werden zudem erstattet.

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Kriterien fรผr eine chronische Erkrankung

Als chronisch erkrankt gilt, wer mindestens ein Jahr lang jeden Kalendervierteljahr รคrztlich behandelt wurde und zugleich eines der folgenden Merkmale erfรผllt:

  1. Vorliegen eines Pflegegrades 3, 4 oder 5
  2. Ein festgestellter Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 Prozent oder eine Minderung der Erwerbsfรคhigkeit (MdE) von mindestens 60 Prozent
  3. Kontinuierlicher Bedarf an medizinischer Versorgung (z. B. regelmรครŸige Einnahme verordneter Medikamente, Einsatz von Heil und Hilfsmitteln), wobei ohne diese MaรŸnahmen eine Verschlechterung des Gesundheitszustands eintrรคte

Um die 1-Prozent-Grenze nutzen zu kรถnnen, ist der Krankenkasse eine รคrztliche Bescheinigung vorzulegen, die den chronischen Krankheitszustand sowie eine therapiegerechte Behandlung bestรคtigt. Liegen Pflegegrad, GdB oder MdE vor, sind Kopien der entsprechenden Bescheide einzureichen.

Berechnung der persรถnlichen Belastungsgrenze

Fรผr die Ermittlung der Belastungsgrenze zรคhlt das gemeinsame Jahresbruttoeinkommen aller Personen, die in einem Haushalt leben. Bei verheirateten Paaren oder eingetragenen Lebenspartnerschaften werden die Einkommen addiert; Kinder finden grundsรคtzlich bis zum Ende des Jahres Berรผcksichtigung, in dem sie 18 Jahre alt werden. Nichtverheiratete Paare werden getrennt betrachtet.

Einnahmen, die angerechnet werden

  • Arbeitseinkommen und Einkรผnfte aus selbststรคndiger Tรคtigkeit
  • Arbeitslosengeld und Krankengeld
  • Renteneinkรผnfte (Altersrenten, Erwerbsunfรคhigkeitsrenten,
  • Hinterbliebenenrenten, Betriebsrenten usw.)
  • Mieteinnahmen
  • Kapital und Zinseinkรผnfte

Einnahmen, die nicht angerechnet werden

  • Pflegegeld
  • Eingliederungshilfe fรผr Menschen mit Behinderung
  • Kindergeld und Kinderzulage
  • Wohngeld
  • Elterngeld bis 300 Euro

Jรคhrlich werden Freibetrรคge pro berรผcksichtigter Person abgezogen. Fรผr das Jahr 2024 gelten folgende Werte:
6.363 Euro fรผr ddieEhe- oder Lebenspartner
9.312 Euro pro Kind

Entscheidend ist das Einkommen nach Abzug dieser Freibetrรคge. Von diesem bereinigten Betrag mรผssen chronisch kranke Menschen 1 Prozent als Zuzahlung leisten, alle anderen 2 Prozent.

Konkrete Rechenbeispiele

Beispiel: Familie mit zwei Kindern

  • Gemeinsames Jahresbruttoeinkommen: 55.000 Euro (z. B. 30.000 Euro Mann + 25.000 Euro Frau)
  • Freibetrag fรผr Ehegatten: 6.363 Euro
  • Freibetrรคge fรผr zwei Kinder: 9.312 Euro pro Kind, also 18.624 Euro insgesamt
  • Summe der Freibetrรคge: 6.363 Euro + 18.624 Euro = 24.987 Euro
  • Bereinigtes Familieneinkommen: 55.000 Euro โ€“ 24.987 Euro = 30.013 Euro
  • 2-Prozent-Grenze: 600,26 Euro
  • 1-Prozent-Grenze: 300,13 Euro

Beispiel: Rentnerin oder Rentner (alleinstehend)

  • Jahresbruttoeinkommen: 14.400 Euro
  • Keine Freibetrรคge (keine weiteren Personen im Haushalt)
  • 2-Prozent-Grenze: 288 Euro
  • 1-Prozent-Grenze: 144 Euro

Empfรคnger von Sozialhilfe, Bรผrgergeld und Grundsicherung

Bei Personen, die Hilfe zum Lebensunterhalt, Bรผrgergeld oder Grundsicherung beziehen, wird fรผr die gesamte Bedarfsgemeinschaft ein Bruttoeinkommen von 6.756 Euro angesetzt. Dieser Wert orientiert sich am monatlichen Regelsatz der Regelbedarfsstufe 1 (563 Euro x 12).

  • Jรคhrliche Belastungsgrenze: 135,12 Euro (2 Prozent)
  • Jรคhrliche Belastungsgrenze fรผr chronisch Kranke: 67,56 Euro (1 Prozent)

Antrag auf Zuzahlungsbefreiung: Vorgehensweise

Sobald die laufenden Zuzahlungen im Kalenderjahr die jeweilige Belastungsgrenze erreicht haben, ist ein schriftlicher Antrag bei der Krankenkasse einzureichen. Nach erfolgreicher Prรผfung stellt die Kasse einen Befreiungsbescheid (oft inklusive Befreiungsausweis) aus, der fรผr den Rest des Jahres von weiteren Zuzahlungen befreit. Bereits zu viel gezahlte Betrรคge werden erstattet.

Sรคmtliche Quittungen, Belege oder Apothekenaufstellungen รผber geleistete Zuzahlungen sollten gesammelt und als Original bei der Krankenkasse eingereicht werden.
Die Einkommensverhรคltnisse werden durch Kopien der jeweiligen Nachweise (z. B. Gehaltsabrechnungen, Rentenbescheide) dokumentiert.
Berรผcksichtigt werden ausschlieรŸlich gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlungen.

Eine automatische Benachrichtigung durch die Krankenkasse erfolgt nicht. Versicherte mรผssen ihre Zuzahlungen deshalb eigenstรคndig nachhalten. Grundsรคtzlich gilt die Befreiung jeweils nur fรผr ein Kalenderjahr und muss im Folgejahr erneut beantragt werden.

Vorauszahlung: Option fรผr planbar hohe Gesundheitskosten

Versicherte, die voraussehen kรถnnen, dass sie ihre persรถnliche Zuzahlungsgrenze im kommenden Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder รผberschreiten, haben die Mรถglichkeit, den Gesamtbetrag (Hรถchstbetrag) im Voraus an die Krankenkasse zu zahlen.

Im Anschluss stellen die Kassen sofort eine Befreiungsbescheinigung aus, sodass keine weiteren Zuzahlungen im laufenden Jahr nรถtig werden.

Zu beachten ist allerdings, dass keine anteilige Rรผckerstattung erfolgt, wenn die tatsรคchlichen Zuzahlungen letztlich unter dem vorab gezahlten Betrag bleiben.