In Deutschland haben Menschen mit bestimmten chronischen Erkrankungen die Möglichkeit, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Unter bestimmten Bedingungen ist dies sogar ohne finanzielle Abschläge möglich. In diesem Artikel zeigen wir die Voraussetzungen, die dafür notwendigen Schritte und die unterschiedlichen Optionen für Betroffene.
Inhaltsverzeichnis
Was ist eine chronische Erkrankung?
Eine chronische Erkrankung liegt vor, wenn eine Person mindestens ein Jahr lang einmal pro Quartal wegen derselben Krankheit ärztliche Behandlung benötigt. Laut dem Gemeinsamen Bundesausschuss trifft dies auf über ein Drittel der deutschen Bevölkerung zu.
Chronische Erkrankungen können sowohl physischer als auch psychischer Natur sein und haben oft erhebliche Auswirkungen auf den Alltag und die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen.
Welche chronischen Krankheiten ermöglichen einen früheren Renteneintritt?
Folgende Erkrankungen können als chronisch anerkannt werden und unter bestimmten Voraussetzungen zu einem früheren Renteneintritt führen:
- Diabetes mellitus: Eine Stoffwechselerkrankung, die den Blutzuckerspiegel betrifft.
- Rheumatoide Arthritis: Eine entzündliche Gelenkerkrankung, die zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führt.
- Asthma bronchiale: Eine chronische Atemwegserkrankung mit Atemnot und Husten.
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder koronare Herzkrankheit.
- Multiple Sklerose: Eine neurologische Erkrankung, die das zentrale Nervensystem betrifft.
- Chronische Rückenleiden: Lang anhaltende Rückenschmerzen oder Wirbelsäulenerkrankungen.
- Krebserkrankungen: Bösartige Tumorerkrankungen, die langfristige Therapien erfordern.
- Folgen eines Schlaganfalls: Bleibende Beeinträchtigungen nach einem Hirninfarkt.
- Migräne: Schwere, wiederkehrende Kopfschmerzen mit Begleitsymptomen.
Psychische Erkrankungen: Dazu gehören Depressionen, Angststörungen und Burnout-Syndrome.
Diese Liste ist jedoch nicht abschließend. Es gibt weitere chronische Erkrankungen, die je nach Ausprägung und Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit berücksichtigt werden.
Feststellung des Grades der Behinderung (GdB)
Nicht jede chronische Erkrankung führt automatisch zu einer Schwerbehinderung. Entscheidend ist der Grad der Behinderung (GdB), der die Schwere der Beeinträchtigung angibt. Der GdB wird in Zehnerschritten von 20 bis 100 festgelegt. Ab einem Wert von 50 gilt man als schwerbehindert.
- Antragstellung: Betroffene müssen einen Antrag beim zuständigen Versorgungsamt stellen. Hierfür sind medizinische Unterlagen und Gutachten notwendig.
- Begutachtung: Ein Arzt beurteilt anhand der vorliegenden Befunde den GdB.
- Bescheid: Nach Prüfung erhalten Betroffene einen Bescheid über den festgestellten GdB und können gegebenenfalls einen Schwerbehindertenausweis beantragen.
Ein Beispiel: Eine Person mit schwerer Migräne, die mehrmals wöchentlich auftritt und den Alltag erheblich beeinträchtigt, kann einen GdB von 50 oder höher erhalten.
Vorteile des Schwerbehindertenausweises
Mit dem Schwerbehindertenausweis erhalten Betroffene verschiedene Vorteile und Nachteilsausgleiche:
- Steuerliche Vergünstigungen: Erhöhter Pauschbetrag bei der Einkommensteuer.
- Zusätzlicher Urlaubsanspruch: Mindestens fünf zusätzliche Urlaubstage pro Jahr.
- Besonderer Kündigungsschutz: Der Arbeitgeber benötigt die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung.
- Vergünstigungen: Ermäßigte oder kostenfreie Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Eintrittsermäßigungen.
Früherer Renteneintritt für schwerbehinderte Menschen
Schwerbehinderte Personen haben die Möglichkeit, früher in Rente zu gehen. Die Voraussetzungen sind:
- Mindestversicherungszeit von 35 Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung.
- Gültiger Schwerbehindertenausweis mit einem GdB von mindestens 50.
- Erreichen des maßgeblichen Rentenalters je nach Geburtsjahr.
Renteneintrittsalter ohne Abschläge
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über das Renteneintrittsalter ohne Abschläge für schwerbehinderte Menschen:
Geburtsjahr | Renteneintrittsalter |
1952 bis 1957 | 63 Jahre |
1958 bis 1963 | 64 Jahre |
Ab 1964 | 65 Jahre |
Frühere Rente mit Abschlägen
Wer noch früher in Rente gehen möchte, kann dies tun, muss jedoch Abschläge in Kauf nehmen:
Kürzung der Rente um 0,3 % pro Monat vorgezogenen Rentenbeginns.
Maximaler Abschlag von 10,8 %, wenn die Rente 36 Monate früher angetreten wird.
Erwerbsminderungsrente bei eingeschränkter Arbeitsfähigkeit
Wenn die Arbeitsfähigkeit durch die Erkrankung so stark eingeschränkt ist, dass eine Erwerbstätigkeit nicht mehr oder nur noch teilweise möglich ist, besteht unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente.
Voraussetzungen für die Erwerbsminderungsrente
Um Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente zu haben, muss zunächst eine verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegen, die durch ärztliche Gutachten bestätigt wird und besagt, dass die betroffene Person weniger als sechs Stunden täglich arbeiten kann. Zusätzlich ist die Erfüllung einer Wartezeit von fünf Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung erforderlich.
Innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung müssen mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge entrichtet worden sein. Bevor die Rente bewilligt wird, werden zudem alle Möglichkeiten zur medizinischen oder beruflichen Rehabilitation geprüft, um eine Wiederherstellung oder Verbesserung der Arbeitsfähigkeit zu erreichen.
Arten der Erwerbsminderungsrente
Volle Erwerbsminderungsrente: Wenn weniger als drei Stunden täglich gearbeitet werden kann.
Teilweise Erwerbsminderungsrente: Bei einer Restarbeitsfähigkeit von drei bis unter sechs Stunden täglich.
Antragstellung und Verfahren
Um einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente erfolgreich zu stellen, ist es sinnvoll, frühzeitig eine Beratung bei der Deutschen Rentenversicherung oder einem Sozialverband in Anspruch zu nehmen. Dabei sollten Sie alle medizinischen Befunde, Arztberichte und Gutachten sorgfältig sammeln und ordnen. Der eigentliche Antrag wird direkt bei der Deutschen Rentenversicherung eingereicht.
Im anschließenden Prüfungsverfahren überprüft die Rentenversicherung Ihren Antrag ausführlich und kann eigene Gutachter hinzuziehen, um ein vollständiges Bild Ihrer gesundheitlichen Situation zu erhalten. Nach Abschluss dieser Prüfung erhalten Sie einen Bescheid, der Sie über die Bewilligung oder Ablehnung Ihres Antrags informiert.
Zusätzliche finanzielle Unterstützung und Möglichkeiten
Neben der Rente gibt es weitere finanzielle Unterstützungen:
Grundsicherung im Alter: Für Personen, deren Rente nicht zum Lebensunterhalt ausreicht.
Härtefallfonds: Kann in besonderen finanziellen Notlagen helfen.
Zusatzverdienst: Rentnerinnen und Rentner dürfen bis zu einer bestimmten Grenze hinzuverdienen, ohne dass die Rente gekürzt wird.
Betriebliche und private Altersvorsorge: Ergänzende Rentenmodelle können finanzielle Lücken schließen.
Steuerliche Aspekte und Pflicht zur Steuererklärung
Ein Teil der Rente unterliegt der Steuerpflicht, wobei der genaue steuerpflichtige Anteil vom Renteneintrittsjahr abhängig ist. Es existiert ein steuerfreier Grundfreibetrag, dessen Höhe jährlich angepasst wird.
Überschreiten die Einkünfte von Rentnerinnen und Rentnern diesen Freibetrag, sind sie verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben. Bestimmte Ausgaben, wie Krankheitskosten oder Pflegeaufwendungen, können dabei steuerlich geltend gemacht und von der Steuerlast abgezogen werden.
Arbeitsmarktintegration und Beschäftigungsmöglichkeiten
Menschen mit Schwerbehinderung haben ein Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben und können dabei gefördert werden. Arbeitgeber haben die Möglichkeit, Zuschüsse für die behindertengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes zu erhalten, um so eine optimale Arbeitsumgebung für die Betroffenen zu schaffen. Integrationsfachdienste unterstützen bei der Suche nach geeigneten Arbeitsstellen und stehen sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern beratend zur Seite.
Ab einer bestimmten Größe sind Unternehmen gesetzlich verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz an Schwerbehinderten zu beschäftigen oder alternativ eine Ausgleichsabgabe zu entrichten.
- Über den Autor
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht, Gesundheitsprävention sowie bei gesellschaftspolitischen Themen. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und engagiert sich politisch für Armutsbetroffene.