Schwerbehinderung: Chance auf Abfindung – BEM-Panne beim Arbeitgeber

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Ein Fall aus dem Alltag eines Spรคtschicht-Arbeitnehmers bringt eine arbeitsrechtliche Frage ans Licht: Was passiert, wenn der Arbeitgeber im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) die datenschutzrechtlichen Vorgaben verletzt?

Personalakte liegt offen im Bรผro

Konkret ging es um eine Personalakte, die offen und ungesichert im Bรผro lag โ€“ ein klarer VerstoรŸ gegen den Schutz sensibler Gesundheitsdaten. Die betroffene Person konnte immerhin erreichen, dass der Arbeitgeber das BEM offiziell als beendet erklรคrte โ€“ mit dem schriftlichen Vermerk, der Datenschutz sei missachtet worden. Doch damit stellt sich eine weitere, brisante Frage: Lรคsst sich aus diesem Fehlverhalten mehr herausholen als nur ein formaler Vermerk?

Die Antwort hรคngt entscheidend davon ab, welches Ziel der Arbeitnehmer verfolgt. Wer bleiben will, fรคhrt eine andere Strategie als jemand, der einen sauberen Abgang mit Abfindung im Blick hat.

Bleiben trotz DatenschutzverstoรŸ: Ruhe bewahren und taktisch denken

Arbeitnehmer, die trotz der Panne im Unternehmen verbleiben mรถchten, sollten die Situation genau abwรคgen. Ein offener Konflikt, etwa durch eine offizielle Beschwerde bei der Datenschutzbehรถrde oder eine Anzeige, kann die Beziehung zum Arbeitgeber nachhaltig schรคdigen.

Gleichzeitig ist es sinnvoll, den Vorfall intern zu dokumentieren und sich รผber seine Rechte zu informieren. Denn auch wenn keine direkte Reaktion erfolgt, kann ein nicht ordnungsgemรครŸ durchgefรผhrtes BEM bei spรคteren Auseinandersetzungen nรผtzlich sein.

BEM hรคufig Voraussetzung fรผr eine Kรผndigung

In arbeitsrechtlicher Hinsicht ist ein korrekt durchgefรผhrtes BEM hรคufig die Voraussetzung fรผr eine krankheitsbedingte Kรผndigung. Wenn es โ€“ wie in diesem Fall โ€“ gar nicht oder fehlerhaft durchgefรผhrt wurde, fehlt dem Arbeitgeber dieses formale Argument. Ein unterbrochenes oder abgebrochenes BEM, das zudem mit einem dokumentierten DatenschutzverstoรŸ belastet ist, kann also die Position des Arbeitnehmers im Fall einer spรคteren Kรผndigung stรคrken.

Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer dem Abbruch nicht aktiv zugestimmt hat, sonst kรถnnte der Arbeitgeber im Gegenzug argumentieren, die Durchfรผhrung sei am Mitarbeiter gescheitert. Wer dem BEM-Abbruch nicht widerspricht, signalisiert also nicht automatisch Zustimmung โ€“ solange dies nicht explizit erklรคrt wurde.

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Gehen mit Strategie: Den VerstoรŸ als Hebel zur Abfindung nutzen

Wer ohnehin mit dem Gedanken spielt, den Arbeitgeber zu verlassen, sollte den DatenschutzverstoรŸ nicht einfach abhaken. Vielmehr kann er als Druckmittel dienen, um รผber eine Abfindung zu verhandeln. Viele Arbeitgeber mรถchten keine Eskalation und meiden negative AuรŸenwirkungen โ€“ gerade bei VerstรถรŸen gegen den Datenschutz, einem besonders sensiblen Bereich. Daher lohnt es sich, die Situation aktiv zu nutzen, um einen strukturierten Ausstieg mit finanzieller Kompensation zu verhandeln.

Arbeitgeber soll zum Handeln gebracht werden

Ziel ist es dabei nicht, selbst zu kรผndigen โ€“ denn wer selbst geht, verliert in der Regel den Anspruch auf eine Abfindung. Stattdessen soll der Arbeitgeber zum Handeln gebracht werden, idealerweise durch die Einsicht, dass das Arbeitsverhรคltnis nicht mehr belastbar ist. Neben dem DatenschutzverstoรŸ lassen sich hรคufig weitere Pflichtverletzungen des Arbeitgebers identifizieren, etwa fehlerhafte Abmahnungen, Versetzungsprobleme oder eine unzureichende Fรผrsorgepflicht.

Diese Punkte kรถnnen in einem formlosen Schreiben gebรผndelt und dem Arbeitgeber vorgelegt werden, verbunden mit einer Frist zur Stellungnahme und der Andeutung rechtlicher Schritte.

Voraussetzungen fรผr eine erfolgreiche Verhandlung

Entscheidend fรผr die Wirksamkeit dieser Strategie ist der rechtliche Kรผndigungsschutz. Er greift nur, wenn der Arbeitnehmer lรคnger als sechs Monate im Betrieb beschรคftigt ist und der Arbeitgeber regelmรครŸig mehr als zehn Mitarbeiter hat.

Fehlt eine dieser Voraussetzungen, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhรคltnis relativ leicht kรผndigen โ€“ selbst wenn VerstรถรŸe vorliegen. In einem solchen Fall ist die Ausgangsposition fรผr Verhandlungen schwรคcher.

Anders ist die Lage bei bestehendem Kรผndigungsschutz. Hier muss der Arbeitgeber gute Grรผnde vorweisen, um kรผndigen zu dรผrfen. DatenschutzverstรถรŸe oder unvollstรคndige BEM-Verfahren stehen in einem klaren Widerspruch zu dieser Anforderung.

Zudem stellt sich vor Gericht oft die Frage, ob die Weiterbeschรคftigung nach einem schwerwiegenden VerstoรŸ รผberhaupt noch zumutbar ist. Gerade bei sensiblen Informationen wie Gesundheitsdaten neigen Richter dazu, die Interessen der Arbeitnehmer hรถher zu gewichten.

Wenn der Arbeitgeber nicht einlenkt: Hart bleiben lohnt sich

Nicht jeder Arbeitgeber reagiert verstรคndnisvoll oder kompromissbereit. Manche versuchen, durch Ignoranz oder Gegenangriffe die Situation auszusitzen. Fรผr Arbeitnehmer ist das belastend โ€“ gleichzeitig aber eine Gelegenheit. Denn der Arbeitgeber zahlt weiter Gehalt, selbst wenn die Motivation lรคngst auf dem Nullpunkt ist.

Fรผr viele Unternehmen wird ein unzufriedener, passiver Mitarbeiter so zum Kostenfaktor. Das wiederum erhรถht die Bereitschaft, รผber eine Abfindung zu verhandeln โ€“ hรคufig nach einiger Zeit.

Etwas anders sieht es aus, wenn der Arbeitnehmer langfristig krankgeschrieben ist. In diesem Fall endet nach sechs Wochen die Lohnfortzahlung, und der wirtschaftliche Druck auf den Arbeitgeber sinkt. Die Verhandlung kann sich dann in die Lรคnge ziehen oder ganz ins Leere laufen. Trotzdem lohnt sich ein Versuch โ€“ vor allem, wenn VerstรถรŸe klar dokumentiert und belegt sind.

Juristisch sauber agieren โ€“ aber keine Wunder erwarten

Auch wenn viele erfolgreiche Beispiele kursieren, darf man eines nicht vergessen: Ein Anspruch auf Abfindung besteht nicht per se. Jede Zahlung dieser Art ist Ergebnis von Verhandlungen. Und Verhandlungen setzen voraus, dass es fรผr den Arbeitgeber sinnvoller ist, einen Vergleich zu schlieรŸen, als sich auf ein Gerichtsverfahren einzulassen.

Das wiederum funktioniert nur, wenn echte Risiken bestehen โ€“ etwa durch dokumentierte Pflichtverletzungen, einen drohenden Imageschaden oder eine unklare Rechtslage im BEM-Prozess.

Wer sauber dokumentiert, sich juristisch beraten lรคsst und dem Arbeitgeber eine konstruktive Lรถsung anbietet, erhรถht seine Chancen. Wer hingegen unรผberlegt handelt oder selbst kรผndigt, verspielt womรถglich einen finanziellen Vorteil.

Zwischen Vermeidung und Verhandlung: Der passende Weg ist individuell

Nicht jeder Vorfall muss vor Gericht landen. Und nicht jeder DatenschutzverstoรŸ eignet sich als Hebel fรผr eine Abfindung. Dennoch lohnt sich eine genaue Analyse. Viele Arbeitnehmer unterschรคtzen die Wirkung kleiner Details, etwa fehlender Dokumentation beim BEM oder unsachgemรครŸer Umgang mit sensiblen Informationen.

Gerade in einer Zeit, in der Datenschutz und Arbeitsrecht zunehmend verzahnt sind, entstehen hier neue Mรถglichkeiten. Wer bereit ist, strategisch zu denken, kann selbst aus einem scheinbar unglรผcklichen Zwischenfall wie einer offenliegenden Akte noch einen Vorteil ziehen.

 

Hinweis in eigener Sache:
Bitte beachten Sie, dass dieser Artikel keine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) darstellt. Die Inhalte dienen ausschlieรŸlich der allgemeinen Information und ersetzen keine individuelle juristische Beratung. Wenn Sie sich in einer vergleichbaren Situation befinden, empfehlen wir Ihnen, sich an eine Fachanwรคltin oder einen Fachanwalt fรผr Arbeitsrecht zu wenden.