Wer denkt, dass eine Entscheidung der Rentenversicherung zu einer Erwerbsminderung falsch ist, kann vor dem Sozialgericht dagegen klagen. Vielen ist allerdings nicht bewusst, dass eine mutwillige Klage, die den Rechtsstreit missbraucht, dazu führen kann, die Kosten der rechtlichen Auseinandersetzung zahlen zu müssen. So entschied das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen. (L 3 R 431/21).
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Erwerbsminderungsrente beantragt
Die Betroffene hatte in die Rentenkasse eingezahlt, in der Kindererziehung und in anderen Tätigkeiten gearbeitet, war arbeitslos gewesen und hatte Angehörige gepflegt. Schließlich meldete sie sich wegen gesundheitlicher Beschwerden langfristig krank und beantragte bei der Deutschen Rentenversicherung eine Erwerbsminderungsrente.
Rentenversicherung lehnt den Antrag ab
Die Rentenversicherung lehnte den Antrag ab und erklärte, die medizinischen Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weder für eine volle noch für eine teilweise Erwerbsminderung. Die Betroffene legte Widerspruch ein und begründete diesen damit, seit vielen Jahren schwer krank zu sein und sich seit längerer Zeit in stationärer Behandlung zu befinden. Die Versicherung wies den Widerspruch zurück.
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Erfolg vor dem Sozialgericht
Die Betroffene klagte jetzt vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen, um ihren Anspruch durchzusetzen. Dort verwies sie wieder auf ihre schwere Erkrankung und auf chronische Schmerzen, die ihre Leistung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt stark verminderten. Das Sozialgericht gestand ihr jetzt den Anspruch auf eine teilweise Erwerbsminderung zu, also nur weniger als sechs Stunden pro Tag arbeiten zu können.
Diese Entscheidung des Sozialgerichts widersprach mehreren medizinischen Gutachten zur Erkrankung der Betroffenen.
Was sagen die Gutachten?
Ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten diagnostizierte eine leichte bis mittlere chronische Depression, eine somatoforme Störung (körperliche Symptome ohne körperliche Ursache) sowie ein Wirbelsäulenleiden. Trotzdem könne die Betroffene auch sechs Stunden und mehr pro Tag leicht bis mittelschwer arbeiten. Sie sei also nicht erwerbsgemindert. Weitere Gutachten berücksichtigten zwar andere Symptome, kamen aber ebenfalls zum Ergebnis, dass keine Erwerbsminderung vorlag.
Rentenversicherung legt Berufung ein
Die Deutsche Rentenversicherung legte jetzt Berufung vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ein. Sie argumentierte weiterhin, die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht gegeben, und die Entscheidung des Sozialgerichts sei deshalb falsch.
Das Landessozialgericht überprüfte die gesamte Angelegenheit noch einmal und holte sich zusätzliche Informationen ein. Dann gab es der Rentenversicherung recht. Die Richter erklärten, die Erwerbsminderungsrente sei abgelehnt worden, weil kein Anspruch bestanden hätte, und die medizinischen Gutachten seien in diesem Punkt eindeutig.
Missbrauch des Rechtsstreits
Das Gericht beließ es allerdings nicht dabei. Es verurteilte die Betroffene außerdem dazu, Kosten in Höhe von 1.000 Euro zu tragen. Sie hätte, so das Landessozialgericht, den Rechtsstreit missbräuchlich fortgeführt.
Die Richter hielten es für erwiesen, dass die Klägerin den Rechtsstreit mutwillig und ohne realistische Erfolgsaussichten fortgesetzt hätte. Denn die Gutachten seien eindeutig und die Rechtslage klar. Bei missbräuchlicher Rechtsverfolgung sieht das Sozialgerichtsgesetz im Paragrafen 192 die Auferlegung der Kosten vor.
Was bedeutet das Urteil für Betroffene?
Wir bei gegen-hartz.de raten Betroffenen immer wieder dazu, ihre Rechte wahrzunehmen, und dazu zählt die Möglichkeit, vor Sozialgerichten zu klagen. Der Zugang zu Sozialgerichten ist bewusst niedrigschwellig. Sozialgerichte entscheiden über Konflikte, in denen den Betroffenen oft finanzielle Mittel fehlen.
Die Gerichte schützen sich vor überflüssiger Belastung
Deshalb sind die Klagen in der ersten Instanz für die Kläger mit keinen Kosten verbunden, und es besteht auch keine Pflicht auf eine anwaltliche Vertretung. Das bringt allerdings auch die Gefahr von Klagen mit sich, die überhaupt nicht dazu gedacht sind, einen Rechtsstreit zu klären.
Zum Beispiel, wenn das Gericht Verfahrensprobleme klären sollen, bei denen es nicht um juristische Fragen geht. Oder wenn jemand nach dem Motto „Versuchen kann ich es ja mal.“ klagt. Dies gilt als missbräuchliche Rechtsverfolgung und wird nicht toleriert, um die Richter nicht mit überflüssiger Arbeit auf Kosten des Steuerzahlers zu belasten.
Auch wenn das Sozialgericht in erster Instanz der Klägerin recht gab (aus welchen Gründen auch immer), schlossen die vorliegenden Gutachten eine Erwerbsminderung aus. Die Rentenversicherung entschied auf der Grundlage dieser Gutachten.
Prüfen Sie sorgfältig, ob Aussicht auf Erfolg besteht
Das Landessozialgericht hätte vermutlich anders entschieden, wenn die Klägerin zusätzliche Befunde oder Unterlagen eingebracht hätte, um Zweifel an den vorliegenden Gutachten zu äußern. Dann hätten die Richter wahrscheinlich ebenfalls keine Erwerbsminderung erkannt, aber die Ernsthaftigkeit des Anliegens nicht infrage gestellt.
Was sollten Sie also in einer vergleichbaren Situation tun? Prüfen Sie sorgfältig, ob bei einer Klage eine Aussicht auf Erfolg besteht und lassen Sie sich am besten fachlich beraten. Auch wenn Sie gerne eine Erwerbsminderung anerkannt bekommen würden, dürfen Sie eindeutige medizinische Gutachten ebenso wenig missachten wie die Voraussetzungen, um als erwerbsgemindert zu gelten.