Mit der Einführung von Jobcenter digital wollte die Bundesagentur für Arbeit den Kontakt zwischen Leistungsbeziehenden und Verwaltung modernisieren und digitalisieren. Was zunächst nach einem Fortschritt klingt, stößt bei vielen Betroffenen auf Misstrauen – nicht ohne Grund.
Immer mehr Leistungsbezieher wollen der Plattform wieder den Rücken kehren. Wir erläutern mögliche Risiken auf und erklären, wie man die Online-Kommunikation deaktiviert oder das Konto sogar vollständig löschen kann.
Inhaltsverzeichnis
Digitalisierung im Jobcenter: Fortschritt mit Nebenwirkungen?
Die Plattform “Jobcenter digital” soll einen schnellen, papierlosen Zugang zu Anträgen, Mitteilungen und Post vom Jobcenter ermöglichen. Wer registriert ist, kann Nachweise hochladen, Termine verwalten oder Mitteilungen empfangen. Doch in der Praxis zeigen sich viele Schwächen, die das Vertrauen in die digitale Kommunikation erschüttern.
Ein häufiges Problem: Der Verlust von Dokumenten. Auch wenn Jobcenter digital offiziell als sicher gilt, berichten viele Betroffene davon, dass hochgeladene Unterlagen nicht beim zuständigen Sachbearbeiter angekommen seien oder später nicht mehr auffindbar waren.
Dies entspricht einem bekannten Phänomen aus der analogen Welt – verlorene oder nie dokumentierte Briefe –, das sich nun offenbar digital fortsetzt.
Keine rechtssicheren Eingangsbestätigungen
Ein weiterer gravierender Punkt: Die Plattform bietet keine automatisch generierten Empfangsbestätigungen, aus denen eindeutig hervorgeht, welche Dokumente in welchem Umfang übermittelt wurden. Gerade im Streitfall – etwa bei drohenden Leistungskürzungen – kann dies für Leistungsbeziehende zum Problem werden.
Ohne einen dokumentierten Nachweis über den Versand und Inhalt einer Nachricht stehen Betroffene im Zweifel schlechter da.
Datenhunger und Intransparenz
Der Umgang mit persönlichen Daten wirft weitere Fragen auf. Bei jeder Anmeldung auf Jobcenter digital werden umfangreiche Nutzungsdaten erhoben. Was genau mit diesen Informationen geschieht, bleibt unklar – ebenso, inwieweit sie später zur Bewertung der „Mitwirkung“ oder „Erreichbarkeit“ einer Person herangezogen werden.
Datenschutzrechtlich mag dies zulässig sein, doch viele empfinden es als unnötige Überwachung.
Zusätzlich steht die Plattform in der Kritik, weil Änderungen wie die Aktivierung der Online-Kommunikation offenbar still und leise umgesetzt wurden – etwa im Zuge einer Umstellung auf das neue Login-Verfahren mit E-Mail-Adresse. Wer sich nicht regelmäßig einloggt, läuft Gefahr, wichtige Nachrichten zu verpassen, ohne davon zu erfahren.
Abhängigkeit von Technik: Ein unterschätztes Risiko
Der Zugang zu Jobcenter digital setzt funktionierende Technik voraus: Strom, Internetverbindung, kompatible Endgeräte – und zunehmend auch moderne Authentifizierungsverfahren wie „Passkey“.
Wer über keine stabile technische Infrastruktur verfügt, kann schnell ausgeschlossen werden oder wichtige Nachrichten verpassen. Das betrifft insbesondere sozial benachteiligte Gruppen, die nicht selten auf veraltete Smartphones oder unsichere Internetverbindungen angewiesen sind.
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Bescheid prüfenDer klassische Postweg als Alternative – mit Hintertürchen
Interessanterweise stellt das Video heraus, dass der klassische Briefversand – trotz seiner bekannten Schwächen – auch Vorteile bieten kann. Denn täglich gehen laut Schätzungen über 70.000 Briefe in Deutschland verloren.
Was aus Verwaltungssicht ein Problem ist, kann aus Sicht von Betroffenen im Einzelfall auch ein „Vorteil“ sein: Nicht zugestellte Schreiben führen nicht automatisch zu Sanktionen, wenn der Zugang nicht nachgewiesen werden kann.
Ein weiteres Argument gegen die Online-Kommunikation: Das Jobcenter selbst drängt aktiv auf die Nutzung von Jobcenter digital. Viele empfinden dieses Verhalten als unangemessen bevormundend und wollen sich dem gezielt entziehen.
Schritt-für-Schritt: So deaktivieren Sie die Online-Kommunikation
Wer nicht mehr digital mit dem Jobcenter kommunizieren möchte, kann die Online-Kommunikation inzwischen selbst deaktivieren. Die Option findet sich im Nutzerprofil nach dem Login auf www.jobcenter.digital.
Nach dem Einloggen (z. B. via E-Mail oder Passkey) navigiert man zu „Profil bearbeiten“. Unter „Kommunikationsoptionen“ befindet sich ein Schieberegler, mit dem die digitale Kommunikation ein- und ausgeschaltet werden kann. Eine Hinweismeldung informiert darüber, dass bereits verschickte Online-Post dennoch für einige Tage im digitalen Postfach eintreffen kann.
Es empfiehlt sich daher, nach der Deaktivierung noch ein paar Tage regelmäßig den Account zu überprüfen.
Jobcenter digital Konto löschen: Eine neue Möglichkeit
Früher war die Löschung des Nutzerkontos mit erheblichem Aufwand verbunden – teils verbunden mit der Drohung, bei einem Löschwunsch könnten Leistungen entfallen oder verzögert ausgezahlt werden. Mittlerweile gibt es jedoch offenbar eine funktionierende Selbstlöschfunktion.
Nach dem Login müssen Betroffene zu den „Kontoeinstellungen“ (vermutlich oben rechts) navigieren und dort bis zur Rubrik „Kontonutzung“ scrollen. Dort findet sich die Option „Konto löschen“.
Nach ein bis zwei weiteren Bestätigungsschritten kann die Löschung des Accounts abgeschlossen werden. Wer diesen Weg geht, sollte dennoch prüfen, ob nachträglich noch Mitteilungen auf anderem Wege (z. B. postalisch) erfolgen und ggf. eine schriftliche Bestätigung einfordern.
Kein Zwang zu E-Mail und Telefonnummer
Abschließend sei betont: Niemand ist verpflichtet, dem Jobcenter eine Telefonnummer oder E-Mail-Adresse mitzuteilen. Wer dies in der Vergangenheit getan hat, kann jederzeit die Löschung dieser Kontaktdaten verlangen – schriftlich, unter Berufung auf datenschutzrechtliche Regelungen.
Damit kann verhindert werden, dass das Jobcenter kurzfristige Termine telefonisch oder per E-Mail kommuniziert, was rechtlich problematisch sein kann, wenn kein dokumentierter Zugang vorliegt.