Trotz gegenteiliger Gutachten bleibt die Realitรคt: Die Rentenbesteuerung trifft bestimmte Personengruppen hรคrter als andere. Besonders Selbststรคndige, Mรคnner, Ledige und Personen mit Rentenbeginn in der รbergangsphase zwischen alter und neuer Besteuerungsregelung sind betroffen. Der Staat lehnt weitergehende Reformen ab โ wer sich schรผtzen will, muss selbst aktiv werden.
Inhaltsverzeichnis
Wer zahlt doppelt? Ungleichheit in der Rentenbesteuerung wird Realitรคt
Seit der Umstellung auf das System der nachgelagerten Rentenbesteuerung sind die Spielregeln klar: Beitrรคge in die Rentenkasse werden steuerlich begรผnstigt, die Rentenzahlungen spรคter versteuert. Was auf dem Papier logisch klingt, fรผhrt in der Praxis zu gravierenden Ungerechtigkeiten โ und trifft bestimmte Gruppen besonders hart.
Denn wer wรคhrend des Arbeitslebens hohe, teils unverhรคltnismรครig besteuerte Beitrรคge leistet und im Alter auf seine Rente erneut Steuern zahlt, lรคuft Gefahr, doppelt belastet zu werden.
Zwar sprechen offizielle Gutachten von struktureller Verfassungskonformitรคt โ doch die Ungleichheiten in der konkreten Auswirkung bleiben bestehen.
Gruppe 1: Selbststรคndige โ voll bezahlt, doppelt besteuert
Besonders gravierend ist die Situation fรผr Selbststรคndige. Sie zahlen ihre Rentenversicherungsbeitrรคge vollstรคndig selbst โ ohne steuerfreien Arbeitgeberanteil. In der Praxis bedeutet das: Der steuerlich absetzbare Teil ihrer Altersvorsorge war oft stark eingeschrรคnkt, besonders vor 2005.
Konsequenz: Ein erheblicher Teil ihrer Einzahlungen stammt aus bereits versteuertem Einkommen. Mรผssen sie im Alter dann ihre Rente versteuern, wird ein und dasselbe Einkommen doppelt herangezogen โ juristisch umstritten, aber politisch bisher ignoriert.
Gruppe 2: Mรคnner โ kรผrzere Lebenserwartung, weniger steuerfreie Rentenjahre
Mรคnner haben statistisch eine geringere Lebenserwartung als Frauen. Das hat direkte steuerliche Auswirkungen. Je kรผrzer die Lebenszeit im Ruhestand, desto weniger steuerfreie Rentenzahlungen flieรen zurรผck โ auch dann, wenn die Beitrรคge in der Ansparphase aus versteuertem Einkommen stammten.
Das Problem: Die Berechnungsformel des Bundesfinanzhofs geht von der durchschnittlichen Lebenserwartung aus. Wer diese nicht erreicht, zahlt effektiv mehr Steuern โ ohne Ausgleich.
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Gruppe 3: Ledige โ ohne Partnerfreibetrag benachteiligt
Verheiratete Rentner profitieren steuerlich mehrfach: Sie teilen sich Freibetrรคge, nutzen das Ehegattensplitting und kรถnnen unter Umstรคnden die Hinterbliebenenrente steuerlich geltend machen.
Ledige hingegen tragen ihre Steuerlast allein. Bei der Prรผfung auf Doppelbesteuerung fehlt ihnen der Freibetrag des Partners. Auch eine Witwen- oder Witwerrente, die bei der steuerfreien Gesamtsumme berรผcksichtigt wird, fรคllt weg.
Das Ergebnis: Hรถhere Belastung bei gleicher Einzahlung โ allein aufgrund des Familienstands.
Gruppe 4: รbergangsrentner โ zur falschen Zeit in Rente gegangen
Wer zwischen 2005 und etwa 2040 in den Ruhestand wechselt, befindet sich in der sogenannten รbergangsphase. In dieser Zeit steigen die steuerpflichtigen Rentenanteile schrittweise โ wรคhrend die steuerliche Absetzbarkeit der Rentenbeitrรคge in der Ansparphase noch begrenzt war.
Beispiel: Wer 2007 in Rente ging, konnte seine Beitrรคge in den Jahren davor nur anteilig absetzen, muss aber inzwischen รผber 50 Prozent seiner Rente versteuern.
Fazit: Eine klassische Steuerfalle, verursacht durch einen ungรผnstigen Rentenbeginn.
Staatliche Gutachten: Kein Handlungsbedarf โ trotz Belastung
Zwei neue wissenschaftliche Gutachten, erstellt im Auftrag des Bundesfinanzministeriums, kamen zu dem Ergebnis: Die aktuelle Gesetzeslage genรผgt den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Eine strukturelle Doppelbesteuerung liege nicht vor.
Fรผr Betroffene bedeutet das: Keine Reform in Sicht. Der Gesetzgeber sieht die Verantwortung beim Einzelnen. Nur wer im Einzelfall nachweisen kann, dass seine Rentenbeitrรคge aus versteuertem Einkommen hรถher waren als die steuerfreien Rentenzahlungen, kann sich unter Umstรคnden gegen die Besteuerung wehren.
Was bedeutet das fรผr Rentner? Recht haben heiรt nicht Recht bekommen
Auch wenn eine Doppelbesteuerung vorliegt โ der Nachweis ist schwer. Die entscheidenden Kriterien:
Hรถhe der steuerlich nicht abziehbaren Beitrรคge wรคhrend des Erwerbslebens
Hรถhe der zu erwartenden steuerfreien Rentenzahlungen (unter Einbeziehung der Witwenrente)
Berechnung auf Basis des Nominalwertverfahrens, ohne Berรผcksichtigung der Inflation
Das grรถรte Problem: Der Nachweis muss vollstรคndig vom Rentner erbracht werden. Es gibt keine automatische Prรผfung durch die Finanzรคmter, keine Unterstรผtzung durch die Rentenversicherung und keinen pauschalen Schutz.
BFH bestรคtigt System โ lรคsst Einzelfรคlle offen
In seinen Urteilen aus dem Jahr 2021 (z.โฏB. Az. X R 33/19 und X R 20/19) bestรคtigte der Bundesfinanzhof, dass die Regelungen zur Rentenbesteuerung grundsรคtzlich verfassungsgemรคร sind. Die individuelle Belastung mรผsse jedoch im Einzelfall geprรผft werden.
Dabei stellte das Gericht eine Rechenformel auf: Steuerfrei zu bleiben haben nur die Rentenanteile, die nachweislich auf nicht steuerlich begรผnstigten Einzahlungen beruhen. Freibetrรคge wie Grundfreibetrag, Werbungskostenpauschale oder Krankenversicherungsbeitrรคge zรคhlen ausdrรผcklich nicht dazu.
Private Renten bleiben auรen vor โ ein mรถglicher Ausweg
Ein Lichtblick: Wer in eine private Rentenversicherung investiert hat, ist von der Doppelbesteuerungsproblematik weitgehend ausgenommen. Diese Vertrรคge unterliegen der sogenannten Ertragsanteilsbesteuerung. Das heiรt: Nur ein fester Teil der Auszahlung wird versteuert โ Doppelbesteuerung ist hier systematisch ausgeschlossen.
Anders bei Rรผrup Renten oder freiwilliger Hรถherversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Hier entscheidet die korrekte Anwendung von Sonderregeln wie der รffnungsklausel darรผber, ob eine Doppelbelastung eintritt.