Wer länger als sechs Wochen krankgeschrieben ist, bekommt sein Einkommen nicht mehr vom Arbeitgeber, sondern in Form von Krankengeld von der gesetzlichen Krankenkasse.
Spätestens wenn Ärzte eine zweite Diagnose feststellen, taucht jedoch immer wieder dieselbe Frage auf: Zählt jetzt eine neue Höchstfrist – und wenn ja, wann?
Die Antwort erfordert einen genaueren Blick auf das Regelwerk des Sozialgesetzbuchs V, mehrere Urteile des Bundessozialgerichts und das Prüfverfahren der Medizinischen Dienste der Krankenkassen.
Maximale Bezugszeit von 78 Wochen
Das Krankengeld kennt eine starre maximale Bezugszeit von 78 Wochen innerhalb einer so genannten Blockfrist von drei Jahren. Diese Blockfrist beginnt immer mit dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit. Während dieses Zeitraums dürfen alle Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, inklusive der ersten sechs Wochen Lohnfortzahlung, zusammengerechnet 78 Wochen nicht überschreiten.
Wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine zweite Diagnose folgt
Tritt während der laufenden Arbeitsunfähigkeit eine weitere, fachlich unabhängige Krankheit hinzu, verändert das den Anspruch zunächst nicht. Die Tage der Zahlung laufen weiter in derselben Geschwindigkeit; sie werden lediglich der ursprünglichen 78-Wochen-Höchstgrenze der neuen Krankheit zugeordnet.
Praktisch heißt das: Für die hinzugetretene Diagnose wird zwar eine eigene Blockfrist gebildet, sie läuft aber parallel zu der bereits bestehenden – in aller Regel mit demselben Anfangsdatum, weil beide Krankheiten erstmals im selben Zeitraum aufgetreten sind. Eine Verlängerung des Krankengeldbezugs ergibt sich daraus also nicht.
Wann ein neuer Anspruch auf Krankengeld entsteht
Anders sieht es aus, wenn Versicherte zwischendurch wieder arbeitsfähig sind. Endet die Krankschreibung vollständig, gilt der Versicherte rechtlich als genesen. Führt erst danach eine andere gesundheitliche Störung zur erneuten Arbeitsunfähigkeit, beginnt zunächst wieder eine sechswöchige Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber.
Erst im Anschluss zahlt die Krankenkasse Krankengeld – nun allerdings im Rahmen einer neuen Blockfrist, die sich allein an der neuen Diagnose orientiert. Entscheidend ist also nicht die Vielfalt der Diagnosen, sondern die Unterbrechung durch tatsächlich geleistete Arbeit.
Folgekrankheiten: Wann mehrere Episoden „eine“ Krankheit bleiben
Besonders knifflig wird es, wenn eine zweite oder dritte Krankschreibung zwar einen anderen ICD-Code trägt, medizinisch aber als unmittelbare Folge der ursprünglichen Erkrankung gilt.
Klassische Beispiele sind Bandscheibenvorfälle nach einer Operation, die im Gefolge einer schweren chronischen Erkrankung entstehen.
In solchen Fällen spricht die Rechtsprechung von zusammenhängenden Krankheitszeiten. Solche Zeiträume werden vollständig auf dieselbe 78-Wochen-Grenze angerechnet; eine neue Blockfrist kommt nicht in Betracht.
Wichtig also: Ob tatsächlich ein ursächlicher Zusammenhang besteht, lassen die Kassen im Streitfall vom Medizinischen Dienst prüfen.
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Parallel laufende Blockfristen: Theorie und Praxis
Verursachen verschiedene Krankheiten exakt gleichzeitig die erste Arbeitsunfähigkeit – etwa weil ein Unfall Verletzungen an Rücken und Knie auslöst –, lösen sie dennoch jeweils eigene Blockfristen aus. Weil aber alle Fristen mit dem selben Tag beginnen, enden sie auch am selben Tag.
Der Betroffene erhält deshalb kein „doppeltes“ Krankengeld; vielmehr zählt jeder Kalendertag gleichzeitig für alle laufenden Blockfristen. In der Praxis entsteht also auch hier keine verlängerte Gesamtdauer.
Typische Fehlerquellen und wie Betroffene sie vermeiden
Gerade bei langen Verläufen mit wechselnden Diagnosen kommt es nicht selten vor, dass Krankenkassen Zeiträume falsch zusammenzählen oder Nebendiagnosen irrtümlich als Folgeerkrankung werten.
Betroffene sollten sich deshalb spätestens dann eine tabellarische Aufstellung geben lassen, wenn sie die 72-Wochen-Marke (sechs Wochen Lohnfortzahlung plus 66 Wochen Krankengeld) erreichen.
Zeigen sich Unstimmigkeiten, lohnt sich ein schriftlicher Widerspruch und gegebenenfalls die Prüfung durch eine unabhängige Sozial- oder Rechtsberatung.
Fazit: Viele Diagnosen, aber nur ein begrenztes Zeitkonto
Mehrere Krankheiten verändern den Anspruch auf Krankengeld nur in klar definierten Ausnahmefällen. Ohne echte Unterbrechung durch Rückkehr an den Arbeitsplatz verlängert sich der Leistungszeitraum weder durch eine zusätzliche Diagnose noch durch deren spätere Folgen.
Erst nach einer nachweislichen Gesundschreibung beginnt für eine neue, eigenständige Krankheit das Spiel von vorne – mit neuer Entgeltfortzahlung, eigener Blockfrist und frischem 78-Wochen-Konto.
Wer seine Arbeitsunfähigkeitszeiten lückenlos dokumentiert und die Berechnungen der Kasse prüft, behält die finanzielle Perspektive im Blick und kann rechtzeitig andere Sozialleistungen planen, falls die Frist abläuft.