Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat am 14. Januar 2025 in dem Verfahren L 13 R 2699/24 ein Urteil gefällt, das über den Einzelfall hinaus Klarheit schafft: Wer eine Altersrente bezieht, kann zwar eine Auszahlung per Scheck verlangen, muss die dadurch entstehenden Kosten aber selbst tragen.
Die kostenfreie Überweisung auf ein Girokonto bleibt der gesetzliche Normalfall, Abweichungen stellen eine vom Empfänger zu bezahlende Serviceleistung dar.
Inhaltsverzeichnis
Weg durch die Instanzen
Der Kläger, Jahrgang 1947, erhielt seine Rente zunächst unbeanstandet per Überweisung. Aus Misstrauen gegenüber Banken löste er 2013 sein Konto auf und bat um Scheckzahlung.
Die Deutsche Rentenversicherung entsprach dem Wunsch, änderte das Verfahren jedoch zum 1. Januar 2022, nachdem der Gesetzgeber § 47 Abs.
1 SGB I neu gefasst und ausdrücklich eine Kostentragungspflicht für Sonderzahlarten eingeführt hatte.
Seither erhebt der Rentenservice eine Pauschale von neun Euro pro Zahlungsanweisung. Weil der Kläger weder diese Gebühr akzeptierte noch erneut eine Kontoverbindung nannte, stellte die Behörde die Rentenzahlungen ein und hinterlegte die Beträge.
Seine Klage scheiterte erst vor dem Sozialgericht Karlsruhe, dann vor dem Landessozialgericht, das die Berufung aus Mangel an Rechtsschutzinteresse verwarf: Ein Girokonto existiere, es müsse nur angegeben werden.
Die neue Rechtslage im Überblick
§ 47 SGB I unterscheidet seit Dezember 2021 streng zwischen der kostenfreien Standardüberweisung und anderen Übermittlungswegen. Wer Geldleistungen an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt übermittelt haben möchte, trägt die hierdurch veranlassten Kosten, sofern die Einrichtung eines Kontos nicht objektiv unmöglich ist.
Für die Rentenversicherung folgt aus dieser Soll-Vorschrift der Zwang, Ausnahmen zwar anzubieten, aber nicht unbegrenzt zu finanzieren.
Die anfallende Gebühr von neun Euro – sie entspricht der Entgeltverordnung des Rentenservice der Deutschen Post AG – wurde im Urteil ausdrücklich als sachlich gerechtfertigt und verfassungsrechtlich unbedenklich bestätigt.
Argumentation des Senats
Das Gericht stellte heraus, dass ein Rentenanspruch lediglich den materiellen Zahlungsanspruch begründet, nicht jedoch ein Wahlrecht zwischen beliebigen Zahlungsformen.
Solange dem Leistungsträger ein zumutbarer, kostenloser Erfüllungsweg offensteht, fehlt es an jedem schutzwürdigen Interesse, kostenpflichtige Sonderwege einzuklagen.
Der Kläger könne seine Rente jederzeit erhalten, wenn er – wie bei der Grundsicherung längst praktiziert – sein Konto mitteile. Weil er sich diesem einfachen Ausweg beharrlich verweigere, liege Missbrauch prozessualer Rechte vor; das Verfahren müsse schon aus Gründen der Prozessökonomie beendet werden.
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Einordnung in die Rechtsprechung
Der Beschluss knüpft an frühere Entscheidungen an, in denen höhere Instanzen bereits bestätigten, dass Leistungsträger Zahlungskosten abziehen dürfen, wenn Leistungsberechtigte Schecks verlangen, obwohl sie kontofähig sind.
Neu ist, dass das Gericht den Wegfall eines früher kostenfreien Scheckservices nicht als unzulässige Rückwirkung wertet, sondern als legitime Folge einer Gesetzesreform. Übergangs- oder Bestandsschutzregelungen seien vom Gesetzgeber bewusst nicht vorgesehen worden.
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Praktische Folgen für Rentnerinnen und Rentner
Für die große Mehrheit ändert sich nichts: Renten fließen weiter pünktlich und kostenlos auf das Girokonto. Wer hingegen aus persönlichen Gründen auf Bargeld oder Scheck setzt, muss ab sofort mit dauerhaft höheren Transaktionskosten kalkulieren.
Die Deutsche Rentenversicherung informiert Betroffene seit 2022 regelmäßig über die Wahlmöglichkeit „Konto oder Scheck – mit Kosten“.
Zusätzlich weist sie darauf hin, dass jede oder jeder Anspruch auf ein Basiskonto hat, das selbst bei negativen Schufa-Einträgen eröffnet werden kann. Damit ist die Hürde, ein Konto zu besitzen, nach heutiger Rechtslage minimal.
Sozial- und digitalpolitische Perspektive
Hinter der juristischen Auseinandersetzung steht ein tiefgreifender Strukturwandel: Die Sozialkassen digitalisieren ihre Zahlungsprozesse, um Verwaltungskosten zu senken und Missbrauch einzudämmen.
Während 2010 noch rund drei Prozent der gesetzlichen Renten als Zahlungsanweisung verschickt wurden, liegt der Anteil inzwischen unter einem halben Prozent.
Das Urteil des LSG wird als Rückenwind für diese Entwicklung gelesen, weil es den Anspruch auf digitale Standardwege höchstrichterlich absichert.
Was Betroffene jetzt tun können
Wer noch keine Kontoverbindung angegeben hat, sollte diese unverzüglich nachreichen, um Hinterlegungs-gebühren oder gar Zahlungsausfälle zu vermeiden.
Wer sich vor Pfändungen fürchtet, kann ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) einrichten. Nur wem die Kontoeinrichtung objektiv unmöglich ist – etwa weil er oder sie staatenlos ist oder von Banken rechtmäßig abgelehnt wird – kann weiterhin eine kostenfreie Sonderzahlung verlangen, muss dies aber nachweisen.
Fazit
Das Urteil mag technisch wirken, hat jedoch Signalwirkung: Es stärkt die Position der Rentenversicherung, vereinheitlicht die Zahlungswege und setzt Anreize, Bankdienstleistungen zu nutzen.
Wer aus Gründen abweichende Wünsche hat, muss künftig in die eigene Tasche greifen. Rechtliche Hoffnung auf kostenlose Alternativen besteht nur, wenn ein Girokonto nachweislich unerreichbar ist. Für alle anderen bleibt die alte Gleichung bestehen: Ohne Konto keine Rente.