Rente mit Schwerbehinderung oder Altersrente ohne Abschlag: Diese Rente überzeugt durch mehr Optionen

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Ein Fall aus der Praxis des SoVD: Ralf hat 45 Jahre lang Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt und verfügt zusätzlich über einen Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen G.

Damit erfüllt er zwei anspruchsvolle Voraussetzungen zugleich: Er kann die Altersrente für besonders langjährig Versicherte beziehen oder die Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

In der abschlagsfreien Variante wären beide Rentenarten gleich hoch. Die scheinbar einfache Ausgangslage wirft deshalb eine naheliegende Frage auf: Welche Option ist nun die bessere?

Zwei Wege ohne Abschlag – identischer Betrag, andere Logik

Für den Jahrgang 1964 liegt die Regelaltersgrenze bei 67 Jahren. Wer – wie Ralf – 45 Versicherungsjahre vorweisen kann, darf über die Altersrente für besonders langjährig Versicherte zwei Jahre früher ohne Abschlag in den Ruhestand gehen, also mit 65 Jahren.

Dasselbe gilt für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen: Auch hier ist die abschlagsfreie Inanspruchnahme für diesen Jahrgang mit 65 Jahren möglich.

Der Zahlbetrag ist in beiden Fällen identisch, solange beide Rentenarten exakt zum abschlagsfreien Zeitpunkt beginnen.

Wichtig ist dabei ein oft übersehener Punkt: „Abschlagsfrei“ bedeutet nicht „so hoch wie mit 67“. Wer zwei Jahre früher aus dem Erwerbsleben ausscheidet, erwirbt in diesen zwei Jahren keine zusätzlichen Entgeltpunkte mehr. Der fehlende Beitragszeitraum senkt die endgültige Rentenhöhe im Vergleich zu einem Rentenbeginn mit 67 – selbst ohne prozentuale Abschläge.

Der entscheidende Unterschied: Flexibilität der Schwerbehindertenrente

Während die Altersrente für besonders langjährig Versicherte in ihrer Logik relativ starr ist, eröffnet die Altersrente für schwerbehinderte Menschen mehr Spielraum beim Rentenbeginn.

Wer die Voraussetzungen erfüllt, kann – muss aber nicht – noch früher in Rente gehen und nimmt dafür pro Monat des vorgezogenen Bezugs einen dauerhaften Abschlag von 0,3 Prozent in Kauf.

Praktisch bedeutet das: Ein Rentenbeginn mit 64 Jahren führt zu einem Abschlag von 3,6 Prozent, mit 63 Jahren zu 7,2 Prozent und mit 62 Jahren zu 10,8 Prozent. Diese Vorverlegung ist über die 45-Jahre-Rente nicht möglich.

Gerade dieser zusätzliche Gestaltungsspielraum ist der zentrale Unterschied zwischen beiden Rentenarten. Er ist es auch, der rechtlich die Weichen stellt, wenn beide Varianten zum gleichen abschlagsfreien Termin gleich hoch wären.

Automatische Zuordnung: Was das Gesetz vorgibt

Das Rentenrecht sieht eine klare Reihenfolge vor, welche Rentenart vorrangig zu gewähren ist, wenn mehrere Varianten zugleich möglich sind und in der abschlagsfreien Ausprägung zum selben Zahlbetrag führen. In solchen Konstellationen ordnet die Rentenversicherung die Altersrente für schwerbehinderte Menschen zu.

Begründet wird dies damit, dass diese Rentenart – bei gleicher Rentenhöhe im abschlagsfreien Fall – die größere Flexibilität bietet, nämlich die Option eines noch früheren Rentenbeginns gegen Abschlag.

Eine aktive Wahlhandlung ist in der Regel also nicht erforderlich; die Zuordnung erfolgt automatisch.

Beispielrechnung: Jahrgang 1964 im Überblick

Ausgehend vom Geburtsjahr 1964 liegt die Regelaltersgrenze bei 67 Jahren. Mit 45 Versicherungsjahren ist der abschlagsfreie Rentenbeginn ab 65 möglich – wahlweise über die 45-Jahre-Rente oder die Schwerbehindertenrente.

Entscheidet sich Ralf für einen noch früheren Start, erlaubt das nur die Schwerbehindertenrente. Der dann anfallende Abschlag beträgt 0,3 Prozent je vorgezogenen Monat, also bis zu 10,8 Prozent bei drei Jahren Vorverlegung. In jedem Fall gilt: Je früher der Einstieg, desto länger wird die (dann dauerhaft geminderte) Rente bezogen und desto weniger Beitragsjahre kommen hinzu.

Teilrente statt Vollrente: Wozu das gut sein kann

Neben der Frage nach der passenden Rentenart spielt in der Praxis zunehmend die Teilrente eine Rolle. Sie ist keine eigene Rentenart, sondern eine Auszahlungsform der Altersrente. Statt 100 Prozent der errechneten Rente zu beziehen, lässt sich der Zahlbetrag zwischen 10 Prozent und 99,99 Prozent flexibel festlegen.

Das ist vor allem dann interessant, wenn weiterhin eine Erwerbstätigkeit aufgenommen oder fortgeführt wird.

Eine Teilrente kann den Anspruch auf Krankengeld erhalten, der bei einer vorgezogenen Vollrente ansonsten entfiele. Kommt es während einer Beschäftigung mit parallelem Teilrentenbezug zu einem Arbeitsplatzverlust, ist zudem – unter bestimmten Voraussetzungen – ein zeitlich begrenzter Bezug von Arbeitslosengeld möglich.

Auch hier gilt: Die Möglichkeiten bestehen in der Regel nur, wenn tatsächlich neben der Rente gearbeitet wird. Wer nicht arbeitet, profitiert von diesen Schutzwirkungen üblicherweise nicht.

Pflege in der Familie: Warum die Teilrente auch hier sinnvoll sein kann

Ein weiterer sinnvoller Anwendungsfall für die Teilrente ergibt sich, wenn nahe Angehörige zu Hause gepflegt werden. Für private Pflege leisten die Pflegekassen unter bestimmten Voraussetzungen Rentenbeiträge zugunsten der pflegenden Person.

Diese rentensteigernde Wirkung kommt typischerweise nicht zum Tragen, wenn bereits eine Vollrente bezogen wird. Wer stattdessen eine Teilrente nutzt, kann weiterhin zusätzliche Rentenansprüche aus der Pflegezeit aufbauen und so den eigenen Zahlbetrag für die Zukunft erhöhen. Das kann vor allem bei länger andauernder Pflege ein relevanter Faktor sein.

Wechsel bleibt möglich: Von Voll- zu Teilrente und umgekehrt

Die Gestaltung ist nicht endgültig in Stein gemeißelt. Wer zunächst eine Vollrente bezieht, kann zu einem späteren Zeitpunkt auf eine Teilrente umstellen, etwa wenn eine Pflegesituation in der Familie eintritt oder eine Teilzeitbeschäftigung aufgenommen wird. Umgekehrt lässt sich auch von der Teil- zur Vollrente wechseln.

Die Flexibilität dieser Auszahlungsform ist ausdrücklich gewollt und erlaubt Anpassungen an veränderte Lebenslagen.

Beratung zahlt sich aus: Individuelle Zahlen prüfen lassen

Ob eine frühere Inanspruchnahme mit Abschlag sinnvoll ist, ob eine Teilrente praktische Vorteile bietet oder ob der abschlagsfreie Rentenbeginn die beste Lösung bleibt, hängt an persönlichen Daten: Einkommensperspektive, Gesundheitslage, Steuer- und Krankenversicherungsaspekte, geplante Erwerbsarbeit und mögliche Pflegeverantwortung.

Eine individuelle Rentenauskunft sowie ein Beratungstermin bei der Deutschen Rentenversicherung schaffen Klarheit. Wer eine zweite, unabhängige Einschätzung wünscht, kann sich zusätzlich an Sozialverbände oder spezialisierte Beratungsstellen wenden.

Fazit: Abschlagsfrei gleich hoch – die Schwerbehindertenrente überzeugt durch Optionen

Für Ralf, der sowohl 45 Versicherungsjahre als auch eine anerkannte Schwerbehinderung mitbringt, sind beide Rentenarten im abschlagsfreien Startpunkt gleich hoch. Ausschlaggebend ist daher nicht die Rentenhöhe, sondern die Gestaltungsfreiheit.

Weil die Schwerbehindertenrente die Option eines noch früheren Beginns gegen Abschlag bereithält, ordnet die Rentenversicherung bei Gleichstand automatisch diese Rentenart zu.

Wer darüber hinaus weiterarbeiten oder Angehörige pflegen möchte, sollte die Teilrente prüfen. Sie kann wichtige Ansprüche sichern und zusätzliche Rentenpunkte ermöglichen. Am Ende entscheidet die konkrete Lebenslage – und eine fundierte Beratung hilft, den passenden Weg verlässlich zu wählen.