Rente mit 60 ohne Abschläge im Schichtdienst?

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Der Berliner Krankenpfleger Ricardo Lange legt den Finger in eine offene Wunde des Deutschen Rentensystems. Er fordert eine Rente ohne Abschläge ab 60 für alle Versicherten, die im Schichtdienst arbeiten.

“Schichtdienst bedeutet verlorene Lebenszeit”

Lange begründet dies damit, dass Menschen, die regelmäßig nachts arbeiten würden, acht Jahre Lebenszeit verlören. Ein Ausgleich sei ein früherer Ruhestand ab 60 Jahren.

Nachtschicht und Jetlag?

Wie kommt Lange zu dieser Einschätzung. Der Ausschlag für die verlorene Zeit ist der sogenante Jetlag. Bei Schichtarbeit kommt der Tag-Nacht-Rhythmus aus dem Gleichgewicht.

So wird das Hormon Melatonin besonders nachts ausgeschüttet und sorgt dann für einen regenerativen Schlaf, es ist auch wichtig für unseren Biorhtyhmus.

Das Hormon Serotonin wird hingegen vor allem tagsüber ausgeschüttet. Es gilt als “Glückshormon” und stimuliert unter anderem das Essverhalten.

Gestörtes Gleichgewicht bedeutet kürzere Lebenserwartung

Nachtarbeit wirkt sich negativ auf die Produktion von Melatonin aus. Bei dauernden Nachtschichten und bei Wechselschichten können die Folgen dieses Mangels ein geschwächtes Immunsystem sein, chronische Erschöpfung und sogar Gewichtszunahme können auftreten.

Medizinisch ist klar nachgewiesen, dass ein gestörter Melatonin-Serotonin-Haushalt durch Schichtarbeit die Lebenserwartung deutlich reduzieren kann.

Darauf bezieht sich Lange, der die Auswirkungen des Schichtdienstes am eigenen Körper kennt, wenn er bei Instagramm schreibt: “Untersuchungen belegen eindeutig, dass Schichtarbeit (…) bis zu acht Jahre der eigenen Lebenszeit kostet. Lebenszeit, die man nicht mit einer Nachtdienstpauschale aufwiegen kann!”

Vorzeitige Rente ist eine logische Forderung

Er leitet aus dieser Tatsache die Forderung nach einer vorzeitigen Rente für die Betroffenen ab und schreibt: “Ich bin der Meinung, dass Pflegekräfte, Ärzte und alle anderen, die regelmäßig im Nacht- und Schichtdienst arbeiten, spätestens mit 60 Jahren in Rente gehen können – und zwar ohne Abzüge!”

Vielfältige Schäden der Gesundheit

Ein dauerhafter Jetlag bei Nachtarbeit und Wechselschichten wirkt sich auf diverse Körperfunktionen aus und schädigt die Gesundheit. So steigt das Risiko für permanent erhöhten Bluthochdruck, und damit für Herzinfarkte und Schlaganfälle.

Verdauungsprobleme, chronische Kopf- und Gliederschmerzen, Probleme bei der Konzentration und körperlichen Leistungsfähigkeit können ebenso mit einem Jetlag zusammenhängen wie Depressionen.

Die große Rentenungerechtigkeit

Der Berliner Krankenpfleger verweist auf eine Tatsache, die eine große Ungerechtigkeit darstellt und zugleich in der Politik als derart selbstverständlich wahrgenommen wird, dass kaum jemand sie auch nur erwähnt.

Zwar ist die Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten um mehr als zehn Jahre gestiegen, doch zwischen hohen, mittleren und kleinen Einkommen sind die Unterschiede gewaltig.

Kurz gesagt: Wer wenig verdient, durchgehend körperlich hart arbeitet und außerdem im Schichtdienst tätig ist, stirbt im Schnitt mehrere Jahre früher als jemand, der gut verdient.

Früher zu sterben bedeutet bei Versicherten schlicht, dass sie weit mehr in die Rente einzahlen als sie zurückbekommen im Vergleich zu jemand, der später stirbt.

Ist eine vorzeitige Rente ab 60 unrealistisch?

Viele werden den Vorschlag des Berliner Krankenpflegers für unrealistisch halten, oder auch für nicht finanzierbar. Dabei handelt es sich in Wirklichkeit um eine gute Inspiration, sozialere Rentenmodelle zu denken, und damit auch deren Finanzierung.

Zum Beispiel würde eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer (ab einem Vermögen von einer Million Euro) Gelder in den Haushalt spülen, mit denen solche besser angemessenen Renten ausgezahlt werden könnten.