Rente: Höhere Rente durch Bundeszuschuss möglich

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Die gesetzliche Rentenversicherung könnte Arbeitnehmer um über zwei Prozentpunkte entlasten – vorausgesetzt, der Bund übernimmt alle Leistungen, die nicht durch Beiträge gedeckt sind. Diese sogenannte Finanzierung „versicherungsfremder Leistungen“ bleibt bislang größtenteils offen.

Allein im Jahr 2023 summierte sich die Lücke auf rund 40 Milliarden Euro. Würde diese vollständig aus Steuermitteln beglichen, könnte der Beitragssatz von derzeit 18,6 % auf 16,6 % sinken. Alternativ ließe sich das Rentenniveau deutlich erhöhen. Doch der politische Kurs ist unklar: Zwischen Sparzwängen und Reformstau droht eine schleichende Belastung der Beitragszahler.

Milliarden fließen – aber nicht genug: Die Rolle des Bundes

Im Jahr 2024 verzeichnete die Deutsche Rentenversicherung Gesamtausgaben von knapp 400 Milliarden Euro. Davon stammten etwa 77 % aus Beiträgen der Versicherten und Arbeitgeber. Der direkte Bundeszuschuss betrug 87,8 Milliarden Euro. Rechnet man weitere staatliche Mittel wie Erstattungen und Sonderzahlungen hinzu, steuerte der Bund insgesamt rund 117 Milliarden Euro bei – der größte Einzelposten im Bundeshaushalt.

Trotz dieser hohen Transfers bleiben zentrale Leistungen unterfinanziert. Denn viele Rentenzahlungen erfolgen nicht auf Grundlage eingezahlter Beiträge, sondern dienen sozialpolitischen Zwecken. Beispiele sind Erziehungszeiten, schulische Anrechnungsjahre oder Ausgleichsmechanismen für Ost-Renten. Diese werden nur teilweise über Steuern gedeckt. Das Defizit zahlen letztlich Beitragszahler – in Form höherer Abgaben oder geringerer Renten.

Was sind „versicherungsfremde“ Leistungen – und wer profitiert?

Als „versicherungsfremd“ gelten Rentenzahlungen, die nicht aus eigener Erwerbstätigkeit resultieren. Zu den größten Posten zählen:

  • Kindererziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder
  • Höherbewertung von Ost-Entgelten bis zur Rentenangleichung 2025
  • Rente mit 63 für langjährig Versicherte der Geburtsjahrgänge vor 1953
  • Anrechnungszeiten für Schule oder Studium

Alle diese Maßnahmen haben eine wichtige gesellschaftliche Funktion: Sie belohnen familiäre Leistungen, gleichen strukturelle Unterschiede aus und ermöglichen früheren Renteneintritt für besonders belastete Generationen. Dennoch handelt es sich um Aufgaben, die laut Deutscher Rentenversicherung konsequent vom Staat – und nicht von den Versicherten – finanziert werden müssten.

Im Jahr 2023 beliefen sich die Kosten dieser Leistungen auf über 124 Milliarden Euro. Der Bund erstattete jedoch nur rund 84 Milliarden. Diese Differenz von 40 Milliarden Euro verschärft den Druck auf das Rentensystem und verteuert die Arbeit.

Beitragssatz könnte sofort sinken – oder Renten steigen

Ein vollständiger staatlicher Ausgleich der 40-Milliarden-Lücke hätte zwei unmittelbare Effekte:

  1. Beitragssenkung: Der Satz zur gesetzlichen Rentenversicherung könnte auf 16,6 % sinken – das entlastet Arbeitnehmer und Arbeitgeber direkt.
  2. Höheres Rentenniveau: Alternativ könnte das Rentenniveau von derzeit 48 % auf etwa 52 % steigen. Denn laut Rentenversicherung entspricht ein Prozentpunkt Rentenniveau rund 0,5 Beitragspunkten.

Beides wäre volkswirtschaftlich bedeutsam: Höhere Netto-Einkommen könnten den Konsum stärken, bessere Renten würden Altersarmut entschärfen. Doch dafür müsste der Bund jährlich viele Milliarden zusätzlich bereitstellen – in Zeiten knapper Kassen ein schwieriger politischer Kraftakt.

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Reformdruck wächst: Rentenbeiträge steigen ohnehin

Die mittelfristige Finanzplanung zeigt: Selbst ohne neue Leistungen steigen die Rentenbeiträge deutlich. Laut dem Rentenversicherungsbericht 2024 sind folgende Beitragssätze zu erwarten:

  • 2027: 18,9 %
  • 2028: 19,9 %
  • 2030: 20,4 %
  • 2038: 22,3 %

Diese Entwicklung basiert auf demografischen Trends – weniger Beitragszahler, mehr Rentenempfänger. Das geplante Rentenpaket II, das ein Rentenniveau von 48 % bis 2040 sichern soll, erhöht den Finanzierungsbedarf zusätzlich. Neue Steuerzuschüsse oder eine Ausweitung des sogenannten Generationenkapitals werden notwendig – mit offenem Ausgang.

Politische Blockade: Zwischen Kürzung und Umverteilung

Fachleute der Deutschen Rentenversicherung sagen: Jeder gekürzte Euro müsse durch Beiträge oder niedrigere Renten kompensiert werden. Der Bundesrechnungshof kritisiert dabei mangelnde Transparenz, da es keinen festen Leistungskatalog für versicherungsfremde Leistungen gibt.

Diese politische Pattsituation lässt Reformen stocken. Während die Beitragslast steigt, bleibt der Handlungsspielraum gering. Der Konflikt um die Rentenfinanzierung wird so zur Dauerkrise.

Vier Reformideen – und ihre Folgen

Langfristig benötigt das Rentensystem strukturelle Veränderungen. Vier Ansätze werden diskutiert:

1. Der Staat übernimmt alle versicherungsfremden Leistungen

Der einfachste Weg: Der Bund zahlt jährlich rund 40 Milliarden Euro mehr. Das würde Beiträge senken oder Renten erhöhen. Doch es erhöht die Staatsverschuldung oder zwingt zu Kürzungen in anderen Bereichen wie Bildung oder Verteidigung.

2. Renteneintritt an Lebenserwartung koppeln

Ein dynamisches Rentenalter, das mit der Lebenserwartung steigt, entlastet die Kassen nachhaltig. Ein zusätzliches Arbeitsjahr senkt den Beitragssatz um etwa 0,6 Prozentpunkte. Doch der Vorschlag ist politisch heikel und stößt auf Widerstand von Gewerkschaften.

3. Mehr Erwerbstätige – insbesondere über 63

Wenn mehr Menschen länger arbeiten oder bislang unterrepräsentierte Gruppen (z. B. Frauen, Zuwanderer) stärker in den Arbeitsmarkt integriert werden, steigt die Beitragsbasis. Das stabilisiert das System, benötigt aber flankierende Arbeitsmarktpolitik.

4. Kapitaldeckung ausbauen

Ein staatlicher Vorsorgefonds („Generationenkapital“) könnte zukünftige Renten teilweise finanzieren. Langfristig möglich, kurzfristig teuer – denn die Beiträge müssen doppelt gezahlt werden: in die Kasse und in den Fonds.