Viele Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB)โฏ30 oderโฏ40 denken: โNur abโฏ50 gibtโs etwas.โ Doch das ist falsch. Es existieren Nachteilsausgleiche, die bereits greifen, bevor der Schwellenwert von GdBโฏ50 erreicht ist โ etwa steuerliche Freibetrรคge oder besondere Rechte am Arbeitsplatz.
Trotzdem sind gerade diese Unterstรผtzungen wenig bekannt. Dieser Artikel zeigt, welche Rechte Betroffene mit GdBโฏ30 oderโฏ40 haben, welche Voraussetzungen gelten und wie man sie beantragt. Ziel: Klarheit schaffen, damit niemand auf mรถgliche Erleichterungen verzichtet.
Inhaltsverzeichnis
Was ist ein Nachteilsausgleich?
Ein Nachteilsausgleich bezeichnet Hilfen und Vergรผnstigungen, die Menschen mit Behinderung zur Verfรผgung stehen, um behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen.
Das betrifft z.โฏB.
- steuerliche Pauschbetrรคge,
- besondere Rechte im Arbeitsโ und Ausbildungsleben,
- im Einzelfall Fรถrderung und Unterstรผtzungsleistungen.
Die Rechtsgrundlage: Das SGB IX nennt die Teilhabe und den Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile.
Viele denken, solche Ausgleiche gelten erst ab einem GdB von 50 (also bei Schwerbehinderung). Tatsรคchlich aber gibt es bereits Rechte bei GdBโฏ30 undโฏ40 โ unter bestimmten Voraussetzungen. Und diese sind oft leichter zu erreichen, als viele vermuten.
GdBโฏ30 undโฏ40 โ diese Rechte bestehen
Hier die wichtigsten Nachteilsausgleiche, die bei einem GdB vonโฏ30 oderโฏ40 relevant sind:
| Vorteil | Hinweis |
| Steuerlicher Pauschbetrag bei GdB 30 | 620 Euro jรคhrlich. Seit 2021 auch unterhalb der 50er-Grenze ohne weitere Voraussetzungen mรถglich. |
| Steuerlicher Pauschbetrag bei GdB 40 | 860 Euro jรคhrlich. Wird automatisch anerkannt, sobald ein GdB-Bescheid vorliegt. |
| Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen | Mรถglich ab GdB 30 oder 40, wenn Arbeitsplatz gefรคhrdet ist oder keine geeignete Stelle gefunden wird. |
| Besonderer Kรผndigungsschutz | Gilt bei anerkannter Gleichstellung. Arbeitgeber benรถtigen Zustimmung des Integrationsamts fรผr eine Kรผndigung. |
| Unterstรผtzung im Arbeitsleben | Gleichgestellte kรถnnen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten, z. B. technische Hilfen oder begleitende Hilfen im Beruf. |
| Nachteilsausgleich in Ausbildung und Prรผfungen | Unter bestimmten Voraussetzungen Anpassung von Prรผfungsbedingungen mรถglich, z. B. Zeitverlรคngerung. |
Beispiele aus der Praxis:
Wer einen GdB vonโฏ30 hat, kann bei der Arbeitsvermittlung einen Antrag auf Gleichstellung stellen und damit Rechte wie Schwerbehinderte erhalten.
Steuerlich gilt: Auch Personen mit GdB unter 50 haben Anspruch auf den BehindertenโPauschbetrag.
Wer sich in einer Ausbildung befindet, kann bei GdB 30 oder 40 unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf Nachteilsausgleiche bei Prรผfungen oder besondere Unterstรผtzungsangebote haben.
Im Rahmen des Jobcoachings oder bei gefรถrderten Arbeitsverhรคltnissen (z. B. im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) kรถnnen Gleichgestellte unterstรผtzt werden.
Voraussetzungen โ was Sie wissen mรผssen
Damit Sie tatsรคchlich in den Genuss dieser Rechte kommen, sind die folgenden Voraussetzungen wichtig:
Der GdB muss offiziell festgestellt worden sein (erstmalig beim zustรคndigen Versorgungsโ oder Sozialamt).
Fรผr die Gleichstellung gilt: GdB von mindestens 30 oder 40, und zusรคtzlich: a) ein geeignetes Beschรคftigungsverhรคltnis (z.โฏB. mindestens 18โฏStunden/Woche) oder b) der Arbeitsplatz ist gefรคhrdet bzw. geeigneter Arbeitsplatz ist nicht zu finden.
Der Antrag auf Gleichstellung muss bei der zustรคndigen Bundesagentur fรผr Arbeit gestellt werden.
Beim Pauschbetrag: Der GdBโNachweis (z.โฏB. Bescheid) muss bei der ersten Steuererklรคrung eingereicht werden.
Nicht die gleichen Nachteilsausgleiche wie bei Schwerbehinderung
Nicht alle Nachteilsausgleiche, die bei einer Schwerbehinderung gelten, stehen automatisch bei Gleichstellung zur Verfรผgung. So haben Gleichgestellte zwar Anspruch auf Kรผndigungsschutz und bestimmte Fรถrderungen, jedoch nicht auf Zusatzurlaub oder die unentgeltliche Befรถrderung im รถffentlichen Nahverkehr.
Wer eine GdB-Feststellung beantragt, sollte die Angabe der gesundheitlichen Einschrรคnkungen sorgfรคltig dokumentieren. รrztliche Gutachten, Befunde und Therapieunterlagen erhรถhen die Chancen auf eine gerechte Bewertung. Auch eine Beratung durch Sozialverbรคnde oder Behindertenbeauftragte kann hilfreich sein.
Wo lauern Fallstricke?
Einige Aspekte sollten Betroffene besonders im Blick behalten: Hรคufig wird der Antrag auf Nachteilsausgleich vorschnell abgelehnt, weil fรคlschlicherweise angenommen wird, dass entsprechende Rechte erst ab einem GdB von 50 greifen โ doch das stimmt nicht.
Bereits bei einem GdB von 30 oder 40 bestehen durchaus Ansprรผche, etwa auf den steuerlichen Pauschbetrag, dessen Hรถhe sich am festgestellten GdB orientiert โ beispielsweise 620โฏEuro bei einem GdB von 30. Beim Antrag auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen kommt es entscheidend darauf an, eine nachvollziehbare Begrรผndung zu liefern:
Etwa, warum der Arbeitsplatz konkret gefรคhrdet ist oder weshalb es trotz Bemรผhungen nicht gelingt, eine geeignete Stelle zu finden.
Schwerbehindertenausweis erst ab GdB 50
Auรerdem ist wichtig zu verstehen, dass der Schwerbehindertenausweis erst ab einem GdB von 50 regulรคr ausgestellt wird. Wer also โnurโ einen GdB von 30 oder 40 hat, erhรคlt nicht automatisch den Ausweis und damit auch nicht alle damit verbundenen Nachteilsausgleiche wie etwa Zusatzurlaub oder unentgeltliche Befรถrderung.
Dennoch kรถnnen gerade im steuerlichen Bereich weitere Vorteile bestehen: Es lohnt sich, neben dem Pauschbetrag auch behinderungsbedingte Mehraufwendungen wie Ausgaben fรผr Hilfsmittel oder Fahrtkosten als auรergewรถhnliche Belastungen geltend zu machen.
Eine Gleichstellung kann abgelehnt werden, wenn kein ausreichender Bezug zum Arbeitsleben besteht โ in solchen Fรคllen bleibt der steuerliche Ausgleich die wichtigste Option.
PraxisโTipps โ so gehen Sie vor
Zunรคchst sollten Betroffene prรผfen, ob bereits ein Bescheid รผber einen Grad der Behinderung von 30 oder 40 vorliegt. Ist das nicht der Fall, empfiehlt es sich, einen Antrag beim zustรคndigen Versorgungs- oder Sozialamt zu stellen.
Liegt der Bescheid vor, sollte er im ersten Jahr der Steuererklรคrung dem Finanzamt beigefรผgt werden. In den Folgejahren genรผgt ein kurzer Hinweis, sofern sich keine รnderungen ergeben haben.
Wer berufstรคtig ist oder eine Stelle sucht und einen GdB von 30 oder 40 hat, sollte sorgfรคltig abwรคgen, ob eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen sinnvoll ist. Der Antrag dafรผr wird bei der Bundesagentur fรผr Arbeit gestellt und kann wichtige Vorteile im Berufsleben erรถffnen.
Es ist sinnvoll, sich frรผhzeitig beraten zu lassen โ etwa durch den Arbeitgeber, die Schwerbehindertenvertretung, das Integrationsamt oder im Rahmen einer steuerlichen Beratung. So lassen sich mรถgliche Nachteilsausgleiche gezielt nutzen und Fehler im Antragsverfahren vermeiden.
Aufwรคnde schriftlich festhalten
Wichtig ist auch, behinderungsbedingte Mehraufwendungen schriftlich festzuhalten. Selbst wenn bereits ein Pauschbetrag berรผcksichtigt wird, kรถnnen zusรคtzliche Ausgaben wie Fahrtkosten, Hilfsmittel oder Unterstรผtzungsleistungen steuerlich relevant sein.
Hilfreich ist auรerdem die Unterstรผtzung durch eine Teilhabeberatung. Diese Angebote sind in der Regel kostenlos und helfen dabei, Antrรคge korrekt zu stellen oder bei einer Ablehnung rechtzeitig und begrรผndet Widerspruch einzulegen.




