Viele wollen mit 63 Jahren in Rente gehen. Wer Jahrzehnte gearbeitet, Beiträge gezahlt und sein Leben an die Anforderungen des Berufs ausgerichtet hat, möchte nach über 40 Jahren Erwerbstätigkeit endlich Freiheit und Rente genießen.
Doch ein unscheinbarer Paragraph im Rentenrecht kann diesen Plan durchkreuzen: die sogenannte 24-Monats-Regel. Sie entscheidet darüber, ob Arbeitslosengeldzeiten für die Rente zählen – oder ob eine lebenslange Rentenkürzung droht.
Rente mit 63 – und die harten Fakten
Die Vorstellung klingt verlockend: Nach 35 Versicherungsjahren dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer grundsätzlich ab 63 Jahren in Rente gehen. Diese Möglichkeit firmiert offiziell unter dem Begriff „Altersrente für langjährig Versicherte“. Dabei zählen nicht nur Pflichtbeiträge aus Beschäftigung, sondern auch Kindererziehungszeiten, Pflege von Angehörigen, Krankengeld oder Phasen der Arbeitslosigkeit.
Doch der Preis ist hoch: Jeder Monat, den man vor der regulären Altersgrenze in den Ruhestand geht, kostet 0,3 Prozent Abschlag auf die Bruttorente – und das lebenslang. Wer sich beispielsweise vier Jahre früher verabschiedet, muss dauerhaft mit einer Kürzung von 14,4 Prozent leben.
Ein Rechenbeispiel zeigt die Tragweite:
1.050 € Rente → rund 899 € nach Abschlag
1.400 € Rente → rund 1.198 € nach Abschlag
1.550 € Rente → rund 1.327 € nach Abschlag
2.100 € Rente → rund 1.798 € nach Abschlag
Über einen Zeitraum von 20 Rentenjahren summieren sich diese Kürzungen schnell auf 35.000 bis über 70.000 Euro Verlust.
Abschlagsfrei dank 45 Beitragsjahren
Die deutlich attraktivere Variante ist die Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Sie ermöglicht den Renteneintritt zwei Jahre vor der Regelaltersgrenze – ohne Abschläge. Voraussetzung: 45 Versicherungsjahre.
Im Jahr 2024 nutzten fast 270.000 Menschen diese Möglichkeit, Tendenz steigend.
Der Vorteil liegt auf der Hand: Wer 45 Jahre vollmacht, spart nicht nur monatlich mehrere Hundert Euro, sondern über die gesamte Rentenzeit hinweg Beträge im fünfstelligen Bereich.
Doch genau hier liegt das Problem: Nicht jede Versicherungszeit wird angerechnet. Und wer unvorbereitet in die 24-Monats-Falle tappt, dem fehlen am Ende entscheidende Monate.
Die 24-Monats-Regel: Wenn Arbeitslosengeld nicht zählt
Die Regelung ist simpel – und doch folgenreich: Bezieht jemand in den letzten zwei Jahren vor dem geplanten Rentenbeginn Arbeitslosengeld I, werden diese Monate nicht für die 45 Jahre angerechnet. Eine Ausnahme gilt nur, wenn der Arbeitgeber insolvent wird oder den Betrieb vollständig schließt.
Ein praktisches Beispiel zeigt das Problem:
Sabine, 62 Jahre, hat 44 Beitragsjahre gesammelt. Ihr Plan: zwei Jahre Arbeitslosengeld beziehen und danach abschlagsfrei mit 65 Jahren in Rente gehen. Was auf den ersten Blick logisch klingt, scheitert an der Vorschrift.
Denn genau diese 24 Monate ALG I würden nicht anerkannt. Sabine bliebe bei 44 Jahren stehen – und müsste entweder weiterarbeiten oder eine dauerhafte Rentenkürzung in Kauf nehmen.
Damit wird deutlich: Wer nicht rechtzeitig informiert ist, riskiert eine Lücke im Versicherungsverlauf, die sich später nicht mehr schließen lässt.
Der Minijob-Trick: Kleine Beiträge, große Wirkung
Es gibt jedoch einen eleganten Ausweg, den Fachleute als „Minijob-Trick“ bezeichnen. Arbeitslosengeldempfänger dürfen einer Nebenbeschäftigung von weniger als 15 Wochenstunden nachgehen. Anrechnungsfrei auf das ALG I bleiben dabei allerdings nur 165 Euro monatlich. Alles, was darüber hinausgeht, wird vom Arbeitslosengeld abgezogen – ein wichtiger Unterschied zur Minijob-Grenze von derzeit 556 Euro.
Wichtig ist: Wer den Minijob nicht von der Rentenversicherungspflicht befreien lässt, schafft vollwertige Pflichtbeitragsmonate, die für die 45-Jahre-Regel zählen. Schon geringe Beiträge reichen aus:
Beispiel: 400 Euro Minijob → Eigenanteil ca. 14 Euro pro Monat.
Arbeitgeber zahlt zusätzlich 15 Prozent.
Jeder Monat zählt als Pflichtbeitragszeit und überbrückt die 24-Monats-Lücke.
Zusätzliche Rentenpunkte entstehen zwar nur in kleinem Umfang – ein Jahr mit 556 € Monatsverdienst ergibt etwa 0,15 Entgeltpunkte, also rund 6 Euro mehr Monatsrente. Doch der entscheidende Vorteil ist, dass die 45 Jahre voll werden und die abschlagsfreie Rente damit gesichert ist.
Planung statt Panik: So sichern Betroffene ihre Rentenansprüche
Wer von Arbeitslosigkeit im Alter betroffen ist, sollte möglichst frühzeitig handeln. Eine Kontenklärung bei der Deutschen Rentenversicherung schafft Klarheit darüber, wie viele Beitragsmonate bereits vorhanden sind und welche noch fehlen.
Hierfür gibt es das Formular V0100 – Antrag auf Kontenklärung.
Zudem empfiehlt es sich, die letzten 24 Monate vor dem geplanten Renteneintritt besonders im Blick zu behalten und mögliche Kündigungsszenarien durchzuspielen.
Ein Minijobvertrag, idealerweise noch vor Beginn des Arbeitslosengeldbezugs abgeschlossen, verhindert unangenehme Nachfragen bei der Arbeitsagentur.
Wichtige Unterlagen wie Kündigungen, ALG-Bescheide oder Lohnabrechnungen sollten sorgfältig gesammelt werden, um den Rentenantrag später reibungslos durchzubringen.
Fazit
Die 24-Monats-Regel ist ein Stolperdraht, der viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unvorbereitet trifft. Wer sie nicht kennt, riskiert erhebliche finanzielle Einbußen im Ruhestand. Gleichzeitig zeigt das Beispiel, dass schon mit überschaubarem Aufwand – etwa einem kleinen, rentenversicherungspflichtigen Nebenjob – die entscheidende Beitragszeit gesichert werden kann.