Der Umzug in ein Pflegeheim ist für viele Menschen ein einschneidender Lebensabschnitt. Er betrifft nicht nur die Pflegebedürftigen selbst, sondern auch deren Angehörige. Neben emotionalen Herausforderungen spielen auch finanzielle Aspekte eine große Rolle. Wie viel zahlt die Pflegeversicherung? Was passiert, wenn der Eigenanteil nicht gedeckt werden kann? Und müssen Angehörige einspringen? Wir klären die wichtigsten Fragen umfassend und detailliert.
Wann übernimmt die Pflegeversicherung Kosten für das Pflegeheim?
Die Leistungen der Pflegeversicherung müssen bei der Pflegekasse beantragt werden. Voraussetzung ist, dass ein Pflegegrad festgestellt wurde und die sogenannte Vorversicherungszeit erfüllt ist.
Das heißt dass Sie innerhalb der letzten zehn Jahre mindestens zwei Jahre in der Pflegeversicherung versichert gewesen sein müssen.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die sogenannte Heimbedürftigkeit. Diese wird vom Medizinischen Dienst festgestellt, wenn eine Versorgung zu Hause nicht möglich oder ausreichend ist. Auch besondere Umstände, wie die Überforderung von pflegenden Angehörigen oder Selbstgefährdung der pflegebedürftigen Person, können ausschlaggebend sein.
Zu beachten ist, dass die Pflegeversicherung zwar einen Teil der Kosten übernimmt, aber nicht alle. Daher ist eine sorgfältige Planung der Finanzierung wichtig.
Was sind Besonderheiten im Einzelfall?
Die Heimbedürftigkeit kann auch bei sogenannten „Besonderheiten im Einzelfall“ festgestellt werden. Hier einige Beispiele:
- Es gibt keine private Pflegeperson, die die Pflege übernehmen kann oder bereit dazu ist.
- Trotz aller Unterstützung ist die Pflegeperson überfordert.
- Ohne Pflegeheim droht Verwahrlosung, etwa wenn die pflegebedürftige Person Hilfe verweigert.
- Es besteht eine Selbst- oder Fremdgefährdung, beispielsweise bei Demenz oder psychischen Erkrankungen.
Dies soll sicherstellen, dass nur dann eine stationäre Pflege erfolgt, wenn alle Alternativen ausgeschöpft sind. Eine genaue Einschätzung des individuellen Bedarfs ist hier entscheidend.
Wie viel zahlt die Pflegeversicherung?
Die Zuschüsse der Pflegeversicherung hängen vom Pflegegrad ab. Im Jahr 2025 gelten folgende Beträge für die vollstationäre Pflege:
- Pflegegrad 1: 131 € (Entlastungsbetrag)
- Pflegegrad 2: 805 €
- Pflegegrad 3: 1.319 €
- Pflegegrad 4: 1.855 €
- Pflegegrad 5: 2.096 €
Diese Zuschüsse decken nur die reinen Pflegekosten. Unterkunft, Verpflegung und weitere Kosten müssen selbst getragen werden.
Seit 2022 gibt es den sogenannten Leistungszuschlag, der den Eigenanteil an den Pflegekosten reduziert. Dieser Zuschlag steigt mit der Dauer des Heimaufenthalts:
- Im ersten Jahr: 15% des einrichtungseinheitlichen Eigenanteils (EEE)
- Im zweiten Jahr: 30%
- Im dritten Jahr: 50%
- Ab dem vierten Jahr: 75%
Der Leistungszuschlag entlastet vor allem Langzeitbewohner und sorgt für eine spürbare finanzielle Entlastung im Laufe der Zeit.
Was ist der Eigenanteil und wie setzt er sich zusammen?
Der Eigenanteil umfasst alle Kosten, die nicht von der Pflegeversicherung gedeckt werden. Er setzt sich aus folgenden Bestandteilen zusammen:
- Hotelkosten: Unterkunft und Verpflegung im Heim.
- Investitionskosten: Kosten für bauliche Maßnahmen, Reparaturen und Instandhaltung der Einrichtung.
- Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil (EEE): Eine Pauschale für die Pflegekosten, die nicht von der Pflegeversicherung übernommen werden.
Der EEE ist innerhalb einer Einrichtung einheitlich, unabhängig vom Pflegegrad der Bewohner. Das bedeutet, dass Bewohner mit niedrigeren Pflegegraden denselben Eigenanteil zahlen wie Bewohner mit höheren Pflegegraden.
Die genaue Höhe des Eigenanteils kann von Einrichtung zu Einrichtung variieren und hängt stark von den jeweiligen Kostenstrukturen ab.
Was sind Wohngeld und Pflegewohngeld?
Auch im Pflegeheim können Sie Wohngeld beantragen, sofern Ihr Einkommen und Vermögen bestimmte Grenzen nicht überschreiten. Wohngeld bezuschusst die Unterkunftskosten („Hotelkosten“). Es richtet sich an Haushalte mit geringem Einkommen und wird nach individuellen Prüfkriterien berechnet.
In einigen Bundesländern, wie NRW, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, gibt es zusätzlich das Pflegewohngeld. Dieses kann speziell für die Investitionskosten beantragt werden, wenn diese nicht aus eigenen Mitteln gedeckt werden können.
Die Kombination aus Wohngeld und Pflegewohngeld kann eine erhebliche finanzielle Entlastung für Pflegeheimbewohner darstellen.
Was tun, wenn die Kosten zu hoch sind?
Wenn das Einkommen und Vermögen nicht ausreichen, kann die „Hilfe zur Pflege“ beim Sozialamt beantragt werden. Diese Sozialleistung greift, wenn auch Angehörige die Kosten nicht tragen können. Dabei gelten folgende Regelungen:
- Einkommensprüfung: Die Hilfe zur Pflege wird gewährt, wenn das Einkommen der pflegebedürftigen Person sowie das des Ehepartners oder eingetragenen Lebenspartners nicht ausreicht.
- Unterhaltspflicht der Kinder: Kinder sind erst ab einem Jahreseinkommen von 100.000 € brutto zur Zahlung verpflichtet.
Die Hilfe zur Pflege umfasst die Übernahme des ungedeckten Eigenanteils und kann eine essenzielle Unterstützung für Betroffene sein.
Zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten
- Bayerisches Landespflegegeld: In Bayern können Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 jährlich 1.000 € beantragen. Dieses Geld ist einkommens- und vermögensunabhängig und kann frei verwendet werden, etwa zur Deckung von Pflegeheimkosten.
- Pflegeunterstützungsgeld: Berufstätige Angehörige können sich bis zu zehn Tage von der Arbeit freistellen lassen, um die Pflege eines nahen Verwandten zu organisieren. Während dieser Zeit zahlt die Pflegekasse des Pflegebedürftigen eine Entschädigung, um Verdienstausfälle zu kompensieren.
Praxisbeispiel 1: Die Familie Müller
Frau Müller ist 82 Jahre alt und hat kürzlich einen Schlaganfall erlitten, der zu erheblichen Einschränkungen ihrer Mobilität und kognitiven Fähigkeiten geführt hat. Nach einer Rehabilitation wird klar, dass sie nicht mehr alleine in ihrer Wohnung leben kann. Ihre Tochter, Frau Schmidt, möchte die Pflege übernehmen, ist aber durch ihre Berufstätigkeit und eigene Familie zeitlich eingeschränkt.
Der Medizinische Dienst stellt bei Frau Müller einen Pflegegrad 4 fest und empfiehlt aufgrund der intensiven Pflegebedürftigkeit einen Umzug in ein Pflegeheim. Die Familie entscheidet sich für eine Einrichtung in der Nähe von Frau Schmidts Wohnort. Die monatlichen Kosten des Heims betragen 3.800 €.
Die Pflegekasse übernimmt 1.855 € der Pflegekosten. Durch den Leistungszuschlag, da Frau Müller bereits seit zwei Jahren im Pflegeheim ist, reduziert sich der Eigenanteil um weitere 30%. Trotzdem bleibt der Familie ein monatlicher Eigenanteil von etwa 1.365 €, der durch Frau Müllers Rente, Wohngeld und Ersparnisse gedeckt wird. Da die Ersparnisse jedoch begrenzt sind, beantragt Frau Schmidt zusätzlich Pflegewohngeld für die Investitionskosten.
Praxisbeispiel 2: Herr Becker
Herr Becker ist 74 Jahre alt und lebt in Bayern. Aufgrund einer fortschreitenden Demenzerkrankung ist eine Betreuung zu Hause nicht mehr möglich. Der Medizinische Dienst stellt Pflegegrad 3 fest. Die Familie entscheidet sich für ein Pflegeheim mit monatlichen Kosten von 3.200 €.
Die Pflegekasse zahlt 1.319 € für die Pflegekosten, und Herr Becker erhält das Bayerische Landespflegegeld in Höhe von 1.000 € jährlich. Da seine Rente nicht ausreicht, beantragt die Familie zusätzlich Hilfe zur Pflege beim Sozialamt. Da die Kinder von Herrn Becker alle unter der Einkommensgrenze von 100.000 € brutto liegen, müssen sie nicht für die Kosten aufkommen.
Mit diesen Unterstützungen gelingt es der Familie, die finanziellen Belastungen zu tragen und Herrn Becker eine angemessene Pflege zu ermöglichen.
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Carolin-Jana Klose ist seit 2023 Autorin bei Gegen-Hartz.de. Carolin hat Pädagogik und Sportmedizin studiert und ist hauptberuflich in der Gesundheitsprävention und im Reha-Sport für Menschen mit Schwerbehinderungen tätig. Ihre Expertise liegt im Sozialrecht und Gesundheitsprävention. Sie ist aktiv in der Erwerbslosenberatung und Behindertenberatung.