Pflegegeld: 3.539 Euro Verhinderungspflege ab 2025 abrechnen

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Hunderttausende pflegende Familien in Deutschland betrifft das Thema ganz konkret: die Verhinderungspflege. Seit dem 1. Juli 2025 gelten hierfür neue Regeln. Was sich verbessert hat und worauf allerdings geachtet werden sollte, erklären wir in diesem Beitrag.

Das gemeinsame Jahresbudget

Neu ist das gemeinsame Jahresbudget für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege. Seit 1. Juli 2025 stehen 3.539 Euro pro Kalenderjahr zur Verfügung – ein Topf für beide Leistungen.

Die bisher komplizierten Transfer- und Anrechnungsregeln sind damit faktisch abgeschafft: Es ist nicht mehr nur eine anteilige „Umbuchung“ aus der Kurzzeitpflege möglich, sondern eine freie Verwendung im Rahmen des Gesamtbetrags.

Rechtstechnisch ist die Verhinderungspflege weiterhin im § 39 SGB XI verankert; dort wird der Grundsatz festgelegt, dass die Pflegekasse die „nachgewiesenen Kosten einer notwendigen Ersatzpflege“ übernimmt. Die neue Budgetlogik ändert daran nichts – sie bündelt und flexibilisiert lediglich die Finanzierungsgrenzen.

Was bleibt: Anspruch, Kostennachweis und das Pflegegeld an „ganzen Tagen“

Die Anspruchsvoraussetzung ist unverändert: Fällt die reguläre Pflegeperson „aus anderen Gründen“ aus, trägt die Kasse die nachgewiesenen Kosten der Ersatzpflege.

Der Gesetzestext nennt weder Formularzwang noch bestimmte Zahlungswege – entscheidend ist ein belastbarer Kostennachweis (z. B. Quittung, detaillierter Leistungsnachweis, Honorar- oder Aufwandsbeleg).

Dass Bargeldzahlungen als solche nicht ausgeschlossen sind, ergibt sich aus Kommentierung und Praxisleitfäden; wichtig ist die prüffähige Dokumentation der erbrachten Stunden/Leistungen und der Zahlung.

Wichtig bleibt auch die Pflegegeld-Regel: Wird Verhinderungspflege tagesweise (mindestens acht Stunden) in Anspruch genommen, ruht das Pflegegeld zur Hälfte für diesen Tag; bei stundenweiser Inanspruchnahme unter acht Stunden bleibt es unberührt. Das gilt in den gesetzlichen Grenzen fort.

Antragspraxis: so wenig Daten wie nötig – aber so viel, wie prüfbar

Immer wieder wird diskutiert, wie viele personenbezogene Angaben die Kasse verlangen darf. Grundlage ist das Sozialdatenschutzrecht: Sozialdaten dürfen nur erhoben werden, soweit sie für Leistungsprüfung oder -erbringung erforderlich sind (u. a. § 67a SGB X; für die Pflegeversicherung konkretisiert § 94 SGB XI).

In der Praxis fragen Kassen dennoch häufig sehr umfangreiche Details ab. Hier gilt: Recht haben und Recht bekommen sind manchmal zwei Wege. Wer Daten minimieren möchte, kann sich auf die Normen berufen und begründen, weshalb bestimmte Angaben für den reinen Kostenersatz nicht erforderlich sind. Gleichzeitig sollte der Kostennachweis lückenlos sein (Leistungszeitraum, Stunden, vereinbarter Satz, Gesamtsumme, eigenhändige Bestätigung der Ersatzpflegeperson).

Zur Form: Eigene Muster oder frei formulierte Anträge sind zulässig; Kassenformulare sind nicht verpflichtend. Entscheidend ist, dass die Unterlagen die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen ermöglichen.

Viele Versicherer akzeptieren eine quittierte Leistungsaufstellung als ausreichenden Nachweis – teils verlangen sie zusätzlich Überweisungsbelege. Ein rechtlicher Zwang zur unbaren Zahlung ergibt sich daraus nicht, solange die Kosten inhaltlich nachgewiesen sind.

Übergang 2025, Fristen und Nachreichen

Leistungen, die vor dem 1. Juli 2025 erbracht wurden, fallen in das alte Budget; ab 1. Juli gilt das neue gemeinsame Budget. In der Abrechnungspraxis empfiehlt sich eine saubere zeitliche Trennung der Nachweise.

Unabhängig davon gilt: Ansprüche können grundsätzlich bis zu vier Jahre rückwirkend geltend gemacht werden – eine allgemeine Frist aus dem Sozialrecht, die auch für Pflegeleistungen herangezogen wird. Maßgeblich ist § 45 SGB I sowie die etablierte Verwaltungspraxis.

Angehörige, Freunde, Nachbarn: wer wie viel abrechnen darf

Ein wichtiger Punkt ist die Vergütungshöhe bei nahen Angehörigen. Für Angehörige bis zum zweiten Grad (z. B. Eltern, Kinder, Geschwister, Großeltern, Enkel), die nicht erwerbsmäßig pflegen, ist die Aufwandsentschädigung gedeckelt – seit der Reform regelmäßig bis zur Höhe des Zweifachen des Pflegegeldes des jeweiligen Pflegegrades. Zusätzliche Kosten wie Verdienstausfall, Fahrt- oder Übernachtungskosten können über diesen Deckel hinaus aus dem Jahresbudget erstattet werden, wenn sie nachgewiesen sind. Bei weiteren Angehörigen oder Nicht-Angehörigen gelten diese Begrenzungen nicht; hier kann das volle Budget beansprucht werden.

Steuern: wann Zahlungen steuerfrei bleiben – und was wirklich zählt

Immer wieder wird die Frage aufgeworfen, ob Einnahmen aus Verhinderungspflege steuerfrei sind. Maßgeblich ist § 3 Nr. 36 EStG: Einnahmen einer Pflegeperson für die Pflegehilfen eines Pflegebedürftigen können steuerfrei sein, bis zur Höhe des Pflegegeldes, wenn die Pflege nicht erwerbsmäßig erfolgt und insbesondere eine familiäre Bindung oder eine sittliche Verpflichtung besteht.

Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs konkretisiert, was als „sittliche Pflicht“ gilt: Es muss ein sozial anerkannter, objektiver Erwartungsdruck bestehen, unter dem die Hilfe vernünftigerweise nicht abgelehnt werden kann. In typischen Einzelfällen wird das bei der Pflege einer Person häufig angenommen; bei mehreren parallel Gepflegten kommt es auf die Umstände und deren Dokumentation an.

Wird Geld unmittelbar wieder zurückgegeben, handelt es sich rechtlich um eine Schenkung; dafür gelten Schenkungssteuer-Freibeträge, bei nicht nah verwandten Personen regelmäßig 20.000 Euro je zehn Jahre (§ 16 ErbStG). Das ist steuerrechtlich ein anderer Tatbestand als die oben genannte Steuerbefreiung für Pflegeeinnahmen. Eine sorgfältige Dokumentation und ggf. steuerliche Beratung sind hier sinnvoll.

Begutachtungen des Medizinischen Dienstes: Transparenz, Datenschutz, Dokumentation

Immer wieder berichten Betroffene von Hausbegutachtungen: Der Medizinische Dienst (MD) arbeitet nach gesetzlichen Richtlinien; Transparenz über beteiligte Personen und die Nachvollziehbarkeit der Feststellungen sind zentrale Qualitätsanforderungen. Persönliche medizinische Daten unterliegen dem strengen Sozialdatenschutz; sie dürfen nur von den mit dem Fall betrauten Personen verarbeitet werden, soweit dies erforderlich ist.

Zur Beweissicherung im eigenen Zuhause gilt: Ton- oder Videoaufnahmen ohne Einwilligung der Beteiligten sind in Deutschland regelmäßig strafbar (§ 201 StGB). Viele Begutachtende stimmen einer offenen Aufnahme jedoch zu, wenn man dies vorab erklärt.

Alternativ helfen ausführliche Notizen, Zeugen im Raum und eine umfassende Akteneinsicht im Nachgang. Wer gravierende Mängel vermutet, hat die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen und notfalls den Rechtsweg zu beschreiten.

Wenn Versorgung stockt: vom Widerspruch bis zur einstweiligen Anordnung
Immer wieder berichten auch über Hilfsmittel-Streitfälle – etwa unzumutbare Zwischenlösungen bei Elektrorollstühlen. Solche Konflikte sind leider verbreitet.

Versicherte haben Anspruch auf eine bedarfsgerechte, funktionsfähige Versorgung. Bei akuten Härten kann vor dem Sozialgericht eine einstweilige Anordnung beantragt werden (§ 86b SGG), um eine vorläufige Versorgung zu erzwingen.

Gerichte haben in Hilfsmittelfällen mehrfach im Eilverfahren zugunsten von Versicherten entschieden, wenn ein erheblicher Nachteil drohte und die Erfolgsaussichten in der Hauptsache überwogen. Entscheidend sind saubere Dokumentation, Ärzt:innenbefunde, Fotobelege und ein klarer Antrag.

Fazit: mehr Flexibilität – aber Sorgfalt bleibt Pflicht

Mit dem gemeinsamen Jahresbudget von 3.539 Euro hat die Verhinderungspflege seit Juli 2025 spürbar an Flexibilität gewonnen. Für Familien bedeutet das weniger Rechentricksereien zwischen Töpfen und mehr Praxisnähe. Zugleich gilt weiterhin: Ohne belastbaren Kostennachweis keine Erstattung.

Wer die Datenminimierung ernst nimmt, sollte solide Belege führen – und sich auf die einschlägigen Datenschutznormen berufen, wenn unnötige Details verlangt werden.

Bei nahen Angehörigen beachten Betroffene die Deckelung der Aufwandsentschädigung; bei Steuerfragen ist § 3 Nr. 36 EStG der Kompass, flankiert von der BFH-Linie zur sittlichen Pflicht.

Kommt es zu Konflikten – ob bei Begutachtungen oder Hilfsmitteln –, hilft strukturiertes Vorgehen: freundlich, schriftlich, fundiert. Und wenn es schnell gehen muss, steht mit der einstweiligen Anordnung ein wirksames Instrument bereit.

Die Reform nimmt Hürden; sie ersetzt nicht die Sorgfalt im Detail. Wer diese Balance hält, holt aus der Verhinderungspflege 2025 genau das heraus, wofür sie gedacht ist: spürbare Entlastung im Pflegealltag.