Nur das dürfen Jobcenter für einen Hartz IV Antrag fordern?

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Welche Unterlagen dürfen Jobcenter verlangen bei einem Hartz IV Antrag?

Die Jobcenter verlangen bei der Beantragung von Hartz IV Leistungen häufig mehr Unterlagen als normalerweise notwendig sind. Die Datensammelwut der Behörden kennt dabei oft keine Grenzen. Teilweise werden Daten eingefordert, die mit dem Datenschutz kollidieren oder schlichtweg rechtswidrig sind.

Viele Unterlagen sind in der Regel zur Feststellung und/oder Berechnung des ALG-II-Anspruchs nicht zwingend erforderlich. Diese Daten dürfen daher nicht bzw. nur unter bestimmten Voraussetzungen erhoben bzw. gespeichert werden!

Im Klartext: Ob ein Hartz IV Anspruch besteht oder nicht (Feststellung) bzw. in welcher Höhe (Berechnung), kann/soll NICHT von der Vorlage bzw. Einreichung der u. g. Unterlagen abhängig gemacht werden!

Die folgende Liste gilt für Erstanträge, Weiterbewilligungsanträge (WBA) sowie für Veränderungsmitteilungen:

  • Arbeitsverträge (beinhalten u. a. auch keinerlei Daten, die für eine evtl. Vermittlung erforderlich wären)

    Der Arbeitsvertrag geht das JobCenter nichts an! Es handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen dir und dem Arbeitgeber, die Dritten (z. B. JobCenter) nicht ohne ausdrückliche Zustimmung des Arbeitgebers bekanntgegeben werden darf. Tut man es dennoch, macht man sich strafbar. Das kann u.U. zum Verlust des Arbeitsverhältnisses (fristlose Kündigung wegen Vertrauensmissbrauch) führen. Aber: Es kann ein Nachweis über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gefordert werden (relevant für die Vermittlung sowie [bei SV-pflichtigen Jobs] für die Zahlung der KV-Beiträge). Diesen Nachweis hat aber lt. § 57 SGB II und § 58 SGB II der Arbeitgeber zu erbringen. Diese Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers ist lt. § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I vorrangig vor eurer Mitwirkungspflicht nach § 60 SGB I.

    Hinweis: Der BfDI äußert sich hierzu wie folgt: “…  dass alle für die Entscheidung über die weitere Leistungsgewährung erforderlichen Informationen dem Jobcenter mit der Veränderungsmitteilung und der noch vorzulegerıden Einkommensbescheinigung vorliegen. […]  Insofern sei die Vorlage einer Kopie des gesamten Arbeitsvertrages nicht erforderlich.”Das aktuelle Schreiben aus 2012 “BfDI: Arbeitsvertrag (PDF)” könnt ihr downloaden und bei Bedarf dem JobCenter zur Kenntnisnahme vorlegen.

  • Arbeitszeugnisse (beinhalten keinerlei Daten, die für eine Vermittlung erforderlich sind)
    Hinweis 1: Dies wird auch vom BfDI bestätigt: “… Demzufolge ist eine Vermittlung in Arbeit auch ohne Kenntnis des Arbeitszeugnisses möglich und die gesonderte Anforderung nicht zulässig.” Das aktuelle Schreiben aus 2011 “BfDI: Arbeitszeugnis (PDF)” könnt ihr downloaden und bei Bedarf dem JobCenter zur Kenntnisnahme vorlegen.
    Hinweis 2: Die Hamburger haben in Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten eine Tabelle erstellt, die auflistet, welche Dokumente kopiert werden dürfen oder nicht: “Was darf kopiert werden (PDF)
  • Schulzeugnisse
    Hinweis: Das Gesetz sieht hier weder eine Pflicht zur Vorlage bzw. Einsichtnahme (Kontrolle der Schulnoten), noch eine Überprüfung des schulischen Werdegangs vor. Die SB können dies auch nicht “erzwingen”, indem sie das als Mitwirkungspflicht in eine EinV aufnehmen bzw. damit die Pflicht begründen.
    Ausnahme: Eine aktuelle Schulbescheinigung kann jedoch gefordert werden.
  • KFZ-/Fahrzeugbrief [Neu: Zulassungsbescheinigung Teil 2], Zulassung, Kaufvertrag & KFZ-/Fahrzeugschein [Neu: Zulassungsbescheinigung Teil 1]
    Ausnahmen:
    a) KFZ-/Fahrzeugbrief [Neu: Zulassungsbescheinigung Teil 2]
    * Hat nur eine Indizfunktion in Bezug auf das Eigentum und muss daher immer außerhalb des Fahrzeugs aufbewahrt werden.
    * Kann zur Ermittlung des aktuellen Verkehrswertes zur Vermögensprüfung anhand von Baujahr, Anzahl Vorbesitzer und aktuellem Halter erforderlich sein. Hier sollte aber die Vorlage genügen. Der alte Fahrzeugbrief beinhaltet darüber hinaus noch weitere Daten (u. a. Namen der Vorbesitzer), die nicht erhoben bzw. nicht gespeichert werden dürfen, da diese dem Datenschutz unterliegen.
    b) KFZ-Halter und KFZ-Besitzer sind nicht immer identisch und auch nicht zwingend Eigentümer des KFZ (Beispiel: Darlehen von der Bank für Kauf – Bank erhält als Sicherheit den KFZ-Brief = Bank ist Eigentümer, bis Schulden bezahlt sind.). Es dürfen daher Unterlagen gefordert werden, aus denen der Eigentümer des KFZ ersichtlich ist. Die Vorlage mit Vermerk in der Akte sollte hier jedoch ausreichen.
  • Sozialversicherungsausweise
    Absolut irrrelevant, da sie keinerlei Daten enthalten, die für die Feststellung oder Berechnung des ALG-II-Anspruchs benötigt werden.
  • Versicherungsunterlagen (Policen/Verträge z. B. von Lebens-, Hausrat-, KFZ-Versicherung)
    Ausnahme: Es darf ein Schreiben der Versicherung mit der Benennung des aktuellen Rückkaufswertes (z. B. bei Lebensversicherungen) gefordert und kopiert werden. Für den Vermögensschutz ist nämlich nur dieser Rückkaufwert relevant.
  • Grundbucheinsicht und/oder Grundbuchauszug
    Dies kann jeder fordern, der ein berechtigtes Interesse nachweisen kann. Die Vermögensprüfung des SGB II dürfte hier als berechtigtes Interesse gelten.
  • Krankenkassenausweise (Chip-Karte)
    Ausnahme: Mitgliedsbescheinigung (Die KK ist nach § 175 Abs. 2 S. 1 SGB V verpflichtet, diese sofort auszustellen! Diese sollte dann, statt der KK-Karte eingereicht werden. Sofern eine Mitgliedsbescheinigung abgegeben wurde, wurde die Mitgliedschaft bereits nachgewiesen.)
  • gültiger Personalausweis
    Wichtig! Es wurden § 20 PAuswG und § 18 PAuswG geändert. Was bis dahin verboten war, ist heute überwiegend erlaubt.
    Grundsätzlich gilt aber weiterhin: Nur angucken! – Nicht anfassen! Denn auch der Hauptantrag fordert nicht von vornherein eine Kopie: “Antragstellerin/Antragsteller hat sich ausgewiesen durch …”.
    Hinweis: Datenschutz – Der Personalausweis & Personalausweis – darf mein Personalausweis kopiert werden? & Wann ist das Kopieren des Personalausweises erlaubt?
  • Verdienstnachweise der letzten 3 Monate
    Nicht bei Erstantrag – auch nicht von Kind/ern! Einkommen, welches VOR dem Erstantrag erzielt wurde, ist Vermögen, d. h. ein Einkommensnachweis ist hier irrelevant.
    (Im Falle eines WBA gilt jedoch: Wurden durch den/die Arbeitgeber bereits die Einkommensbescheinigung/en ausgefüllt, dann wurden damit diese Daten bereits erhoben. Eine nochmalige Mitwirkungspflicht bei der Erhebung der gleichen Daten besteht nicht.)
  • Einkommensteuerbescheid
    Erhält man diesen innerhalb des ALG-II-Bezugs, muß der EKSt-Bescheid auf Verlangen vorgelegt werden.
    Beispiel: EKSt-Bescheid für 2009 kommt in 2010 = Vorlage kann verlangt werden, wenn man in 2010 ALG II erhalten hat.
    Hinweis: Das JobCenter kann zwar verlangen, daß eine Steuererklärung gemacht wird, aber nicht die Vorlage derselben fordern.
  • Geburtsurkunden der Kinder
    Ausnahme: Die Vorlage der Geb.-Urkunde/n kann ggf. dann verlangt werden, wenn ein Beweis für das Kindschaftsverhältnis gefordert wird (Begründung der Datenerhebung nach § 67a Abs. 3 SGB X).
  • Scheidungsurteil
    Ausnahme: Lediglich eine darin getroffene Unterhaltsvereinbarung /-pflicht wäre leistungsrelevant. In dem Fall kann der Rest des Urteils (Begründung etc.) geschwärzt werden, da nur Daten zum Unterhalt erhoben werden dürfen.
  • Kindergeld-Nummer
    Irrelevant – damit kann das JobCenter nichts anfangen. Es ist lediglich das Einkommen nachzuweisen (Kontoauszug).
  • Sparbücher
    Kopien sind nur mit Einschränkungen gestattet: Lt. BSG (B 14 AS 45/07 R) dürfen die JobCenter bei jedem ALG-II-Antrag (auch beim WBA) für 3 Monate rückwirkend Einkommen und Vermögen prüfen. Diesbezüglich ist lt. Datenschutzbeauftragtem die Prüfung jedoch auf die Vorlage (Datenerhebung) beschränkt, d. h. dass das Anfertigen von Kopien (Datenspeicherung) hier nicht zulässig ist.
    Ausnahme: Die Anfertigung von Kopien zur späteren Prüfung mit anschließender Vernichtung der Kopien ist zulässig.
    Ob dies in der Zukunft haltbar ist, ist jedoch fraglich, da § 51b SGB II die Träger des SGB II ermächtigt, alle für die Durchführung des SGB II erforderlichen Daten laufend zu erheben, zu verarbeiten und zu nutzen. Per Definition (§ 67 Abs. 6 SGB X) umfasst das Verarbeiten auch die Speicherung der Daten. Die Frage der Datenspeicherung ist also nicht mehr “ob”, sondern “wie lange”.
  • Kontoauszüge von Geschäftskonten
    Ausnahme: Zur Feststellung von Betriebseinnahmen und -ausgaben zur Gewinnermittlung:  § 3 ALG II-V i. V. m. § 60 SGB I
  • Bilanz (bei Selbstständigen)
  • Gewerbeabmeldung
  • Meldebescheinigungen
  • Nebenkostenabrechnungen
    Nur im lfd. Bezug leistungsrelevant, wenn sich Nachforderungen oder Gutschriften aus den Jahresabrechnungen ergeben.
  • Erbschein
  • Telefon-/Internet- und Stromrechnungen für Haushaltsstrom (kochen/waschen/Licht etc.)
    Kosten sind im Regelsatz enthalten und müssen aus diesem gezahlt werden. Eine Nachweispflicht, wofür der Regelsatz verwendet wird, besteht nicht.
  • Freistellungsaufträge für Kapitalerträge (enthalten keine Daten, die sich auf den Anspruch oder die Höhe des ALG II auswirken)
  • Sämtliche Zusatzvereinbarungen und/oder Pseudoerklärungen (vermeintlich einseitige Willenserklärungen, die aber vom JobCenter vorgefertigt wurden), etc. unterliegen (wie z.B. auch die EinV) den §§ 53 bis 61 SGB X, d.h. es gibt weder eine rechtliche Pflicht, diese unterschreiben zu müssen, noch kann eine Nichtunterschrift zu einer Sanktion oder gar zur Leistungseinstellung bzw. -verweigerung führen.
    Im Klartext: Generell gibt es keine Pflicht, etwas anderes als den ALG II-Antrag (und evtl. noch dessen offizielle Anlagen) zu unterschreiben, wobei der Antrag eine einseitige Willenserklärung darstellt.
  • Schweigepflichtsentbindungen für Ärzte
    Diese werden – wenn überhaupt – nur für eine konkret anstehende Untersuchung beim Ärztlichen Dienst benötigt.
    In einem Schreiben des BfDI zur Schweigepflichtsentbindung (PDF) hat dieser hierzu klar Stellung bezogen.
    Ihr solltet auch keine Blankoerklärungen unterschreiben! Stattdessen könnt ihr z. B. unser Muster “Schweigepflichtsentbindung für den Amtsarzt” verwenden, falls nötig.
  • Mietverträge
    Hier gilt:
    Es gibt die Möglichkeit, entweder den Mietvertrag zur Einsichtnahme vorzulegen oder eine Vermieterbescheinigung einzureichen.
    Achtung: Die Forderung von Mietvertrag UND Vermieterbescheinigung wäre eine unzulässige doppelte Datenerhebung, da beide die selben Daten enthalten. Mit der Vorlage des Mietvertrages ist man seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen. Die Vermieterbescheingung kann dann gemäß § 65 SGB I und § 67a SGB X nicht mehr gefordert werden.

Der BfDI sagt u. a: “Die Form der Datenerhebung muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.” Das entsprechende Schreiben könnt ihr hier downloaden: BfDI – Datenschutz im Jobcenter (PDF)

Erklärung:
Datenerhebung = Dokumente werden eingesehen und z. B. auf Richtigkeit geprüft. Eine Kopie davon anzufertigen, ist nicht nötig/nicht gestattet.
Datenspeicherung = Dokumente werden kopiert und die Kopien in die Akte beim JobCenter abgeheftet.

Wichtiger Hinweis

Es können sich ‘täglich’ Änderungen ergeben. Es wird daher dringend empfohlen, bei Unklarheiten nochmals zu prüfen und z.B. in unserem Forum nachzufragen.

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