Neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung belegt Fehler in der Berechnung der Regelsätze
31.03.2014
Bereits mehrere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass der Hartz IV-Regelsatz nicht ausreicht, um das Existenzminimum zu decken. Eine aktuelle Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung bestätigt die Defizite und deckt zudem auf, wie bei der Berechnung der Regelsätze getrickst wird. Demnach erreicht das Grundsicherungsniveau nur gut ein Drittel des durchschnittlichen Lebensstandards.
Erhöhung der Hartz IV-Regelsätze ab 2014 ist viel zu gering
Im vergangenen Jahr wurde eine Erhöhung der Regelsätze beschlossen. Seit Beginn des Jahres erhalten Leistungsberechtigte zwischen fünf und neun Euro mehr im Monat. Wohlfahrtverbände, Gewerkschaften, Erwerbslosen-Initiativen und Politiker kritisieren jedoch die viel zu geringe Anhebung der Grundsicherungsleistungen. So kamen der Paritätische Wohlfahrtsverband und der DGB zu dem Ergebnis, dass der Regelsatz für einen Alleinlebenden mindestens 437 Euro pro Monat anstelle von derzeit 391 Euro betragen müsste, um das Existenzminimum zu sichern. Die Partei „Die Linke“ fordert mindestens 500 Euro pro Monat, wobei sich die Partei für die Abschaffung von Hartz IV einsetzt und stattdessen eine sanktionsfreie und menschenwürdige Grundsicherung einführen will.
Eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung bestätigt nun, dass das angewandte Berechnungsverfahren eklatante Schwächen aufweist. Während die Höhe der Grundsicherung bis 1990 an einem Warenkorbmodell bemessen wurde – also an dem, was Experten für unerlässlich für ein menschenwürdiges Leben hielten – setze man anschließend ein Statistikmodell ein. Dieses sollte einen weniger bevormundenden und objektiveren Charakter haben, indem das tatsächliche Konsumverhalten der Bevölkerung berücksichtigt wurde, erläutert Thomas Kallay in seinem Artikel auf dem Internetportal „scharf-links.de“. Seither fließen in die Berechnung der Grundsicherung die Ausgaben der Haushalte ein, die zwar ein geringes Einkommen haben, das aber noch nicht das Hartz IV-Niveau erreicht. Dafür werden Daten des Statistischen Bundesamtes herangezogen. Die Verteilungsforscher Irene Becker und Reinhard Schüssler kamen im Rahmen ihrer Studie für die Hans-Böckler-Stiftung jedoch zu dem Ergebnis, dass die derzeitige Umsetzung dieses Berechnungsverfahrens große Defizite aufweist. Das Grundsicherungsniveau erreicht demnach lediglich gut ein Drittel des durchschnittlichen Lebensstandards.
Alleinstehende sind als Referenzgruppe zur Berechnung der Grundsicherung ungeeignet
Schüssler und Becker kritisieren insbesondere, dass für die Berechnung des Regelsatzes eine Bezugsgruppe herangezogen wird, die als Referenzgruppe nicht für die eigentliche Einkommensentwicklung herangezogen werden kann. Derzeit bemisst sich der Regelsatz an den Konsumausgaben der unteren 15 Prozent der nach Einkommen sortierten Alleinstehenden, die nicht auf Hartz IV angewiesen sind. Für Kinder mit Familien werden immerhin die unteren 20 Prozent berücksichtigt. Die Forscher bewerten aber den Referenzhaushalttyp der Alleinstehenden als problematisch, da dieser nur eine unterdurchschnittliche Position in der Gesamtverteilung erreiche. Deshalb sei eine breiterer Einkommensbereich als Referenz notwendig. Die Alleinstehenden würden der Untersuchung zufolge lediglich auf gut ein Drittel des durchschnittlichen Einkommens und ungefähr auf die Hälfte des durchschnittlichen Konsums kommen.
Darüber hinaus werden den Forschern zufolge nicht alle Ausgaben der Bezugshaushalte berücksichtigt, indem der Gesetzgeber bestimmte Konsumkategorien für nicht relevant erklärt. Dazu zählen beispielsweise Tabakwaren, alkoholische Getränke und Schnittlumen. „Vor dem Hintergrund der vorliegenden Ergebnisse sollte das gängige Verfahren der Regelbedarfsermittlung, d. h. die eher ‘freihändige’ Umsetzung des Statistikmodells grundsätzlich verändert werden“, so das Fazit von Schüssler und Becker. (ag)
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