Nahles ignoriert Grundrechte

Lesedauer < 1 Minute

Bundesministerin Andrea Nahles polemisiert gegen die durch die Europäische Sozialcharta
Gastbeitrag von Katja Kipping

29.03.2015

Die Bundesministerin Andrea Nahles (SPD) polemisiert in einem Beitrag gegen die durch die Europäische Sozialcharta sowie durch das Europäische Parlament anerkannte Armutsdefinition als relative Armut. Sie knüpft dabei an die Rhetorik der CDU/CSU und FDP an.

Sie hat gar nicht verstanden, dass Armut eine relative Größe ist – sich also im Vergleich zum mittleren Lebensstandard im jeweiligen Land bemisst. Auch die Behauptung, Armut würde nicht abgebaut, wenn der Wohlstand in unserem Land zunimmt, zeugt von sozial- und verteilungspolitischer Unkenntnis. Wenn nämlich der Wohlstand zunimmt und zugleich die exorbitante Ungleichverteilung in unserem Land bekämpft würde, sinkt die Armut bzw. wird abgeschafft (siehe Beispiel). Dazu bedarf es aber einer Sozial- und Verteilungspolitik, die soziale Mindeststandards zur Abschaffung von Armut einführt und von oben nach unten umverteilt statt umgekehrt. Die Leugnung dieser Zusammenhänge zeugte bei der CDU/CSU und der FDP – und jetzt offensichtlich auch bei Andrea Nahles – von dem Unwillen, soziale Gerechtigkeit herzustellen und Grundrechte anzuerkennen.

Beispiel: Wenn das monatliche Medianmittel der Nettoeinkommen (wovon dann 60% die Armutsrisikogrenze bildet) bei 1750 Euro liegt, und alle sozialen Mindestleistungen bei 1050 Euro netto monatlich, wäre Armut abgeschafft. Durch Umverteilung von Einkommen weit oberhalb des Medianmittels wären die sozialen Mindestleistungen finanziert. Wenn einige Jahre später das Medianmittel bei 2000 Euro läge, und die Armutsrisikogrenze und Höhe der sozialen Mindestleistungen bei 1200 Euro (finanziert durch o. g. Umverteilung), dann wäre diese Mindestleistung in Bezug auf das mittlere Einkommensniveau ebenfalls Einkommensarmut abschaffend und zugleich die nötige Kaufkraft schaffend, um die Existenz und gesellschaftliche Teilhabe zu sichern – denn bekanntlich steigen ja nicht nur die mittleren Einkommen sondern auch die Preise. (Katja Kipping)