Über viele Jahre haben Eltern in Deutschland dafür gekämpft, dass die Erziehung von Kindern im Rentensystem stärker honoriert wird. Heute beziehen bereits gut 10 Millionen Mütter – und in geringerem Umfang auch Väter – eine höhere gesetzliche Rente, weil ihre Kindererziehungszeiten anerkannt wurden. Im Durchschnitt bedeutet das laut dem Rentenversicherungsbericht 2024 rund 177 Euro monatlich zusätzlich.
Nun will die Bundesregierung mit der geplanten Mütterrente 3 den letzten großen Unterschied zwischen älteren und jüngeren Elternjahrgängen beseitigen.
Inhaltsverzeichnis
Was hinter der Mütterrente steckt
Bei der sogenannten Mütterrente handelt es sich nicht um eine eigene Rentenart, sondern um die rentenrechtliche Bewertung von Kindererziehungszeiten. Das Recht darauf ist in § 56 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) verankert.
Danach gilt jeder Kalendermonat im ersten bis dritten Lebensjahr eines Kindes als Pflichtbeitragszeit, wenn ein Elternteil das Kind überwiegend erzieht.
Für ältere Jahrgänge – Kinder mit Geburtsdatum vor 1992 – werden bislang nur zweieinhalb Jahre anerkannt. Die Bundesregierung plant deshalb mit der Mütterrente 3, diesen Zeitraum ebenfalls auf volle drei Jahre auszuweiten und damit eine Gleichstellung herzustellen .
Kindererziehungszeiten für höhere Rente
Kindererziehungszeiten wirken in mehrfacher Hinsicht: Sie erfüllen die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren, die Voraussetzung für den Bezug der Regelaltersrente ist.
Zugleich bringen sie einen unmittelbaren, dauerhaften Rentenzuwachs, denn für jeden Monat werden 0,0833 Entgeltpunkte gutgeschrieben. Ein volles Erziehungsjahr entspricht damit nahezu einem Entgeltpunkt.
Aktueller Wert eines Entgeltpunkts
Mit der Rentenanpassung zum 1. Juli 2025 stieg der aktuelle Rentenwert auf 40,79 Euro. Ein Entgeltpunkt erhöht die Monatsrente also um exakt diesen Betrag. Drei vollständige Erziehungsjahre bringen damit bis zu 122 Euro zusätzlich – und zwar lebenslang. Für Eltern mehrerer Kinder vervielfacht sich der Effekt.
So funktioniert der Antrag V0800
Trotz der großen finanziellen Bedeutung werden Kindererziehungszeiten nicht automatisch in jedem Fall berücksichtigt. Entscheidend ist der Antrag auf Feststellung von Kindererziehungs‑ und Berücksichtigungszeiten (Formular V0800) im Rahmen der sogenannten Kontenklärung nach § 149 SGB VI.
Die Deutsche Rentenversicherung stellt das Formular online bereit; es führt Schritt für Schritt durch die Eingaben, ermöglicht das Hochladen von Nachweisen und kann zwischengespeichert werden.
Wer bereits ein Online‑Konto bei der Rentenversicherung besitzt, kann den Antrag komplett digital einreichen. Wichtig ist, dass Geburtsurkunden oder entsprechende Personenstandsdaten vorliegen; bei Pflege‑ oder Adoptiveltern sind ergänzende Nachweise erforderlich.
Zuordnung der Erziehungszeiten zwischen den Eltern
Standardmäßig ordnet die Rentenversicherung die Erziehungszeiten der Mutter zu. Eine abweichende Zuordnung zugunsten des Vaters ist möglich, wenn beide Eltern eine übereinstimmende Erklärung abgeben oder wenn der Vater nachweist, das Kind überwiegend allein erzogen zu haben.
Die Erklärung kann über das Formular V0820 erfolgen und gilt in der Regel nur für zukünftige Monate, sie kann aber bis zu zwei Monate rückwirkend wirksam werden. Ein Wechsel der Zuordnung ist mehrfach möglich, sofern die Zeiträume sich nicht überschneiden.
Anrechnung und ihre Grenzen
Treffen Kindererziehungszeiten auf Zeiten einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, werden die dazugehörigen Entgeltpunkte addiert. Allerdings begrenzt das Gesetz den Gesamtwert auf die Beitragsbemessungsgrenze.
Verdient ein Elternteil bereits so viel, dass er – oder sie – die Höchstzahl an Entgeltpunkten aus Erwerbsarbeit erreicht, erhöhen die Kindererziehungszeiten die Rente nicht mehr.
Diese sogenannte additive Anrechnung geht auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zurück und wurde seither mehrfach bestätigt. Für die meisten Durchschnitts‑ und Teilzeitverdienenden spielt die Deckelung jedoch keine Rolle.
Warum sich der Antrag fast immer lohnt
Weil Kindererziehungszeiten wie Pflichtbeitragszeiten eines Durchschnittsverdieners bewertet werden, profitieren insbesondere Personen mit unterdurchschnittlichem Einkommen, längeren Teilzeitphasen oder Erwerbsunterbrechungen.
Schon die Wartezeiterfüllung kann darüber entscheiden, ob überhaupt ein Rentenanspruch entsteht. Wer den Antrag versäumt, verzichtet womöglich auf mehr als 1 400 Euro im Jahr und riskiert in Einzelfällen sogar, die Mindestversicherungszeit nicht zu erreichen.
Mütterrente 3: Der Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Die Ausweitung auf volle drei Jahre für alle Eltern mit vor 1992 geborenen Kindern ist politisch zugesagt, aber noch nicht in Kraft. Der Gesetzentwurf soll nach Regierungsangaben im Laufe des Jahres 2025 beschlossen werden. Fachverbände wie die Deutsche Rentenversicherung mahnen an, dass für eine technische Umsetzung vor 2028 erheblicher Programmier‑ und Verwaltungsaufwand erforderlich wäre.
Ob die Auszahlung früher beginnen kann, hängt davon ab, wann Bundestag und Bundesrat zustimmen und wie schnell die IT‑Systeme umgestellt werden. Für Betroffene bedeutet das: Ein rechtzeitig gestellter V0800‑Antrag sichert den Anspruch, zahlt aber die höhere Punktzahl erst, wenn das Gesetz tatsächlich greift.
Risiken bei unterlassener Antragstellung
Auch wenn manche Rentenkonten inzwischen automatisch mit bereits anerkannten Zeiten geführt werden, bleibt der Antrag unverzichtbar.
Ohne Antrag können Zeiten fehlen oder falsch zugeordnet sein. Besonders riskant ist das für Eltern, die weniger als fünf Jahre Pflichtbeiträge gezahlt haben und auf die Kindererziehungszeiten angewiesen sind, um die Wartezeit zu erfüllen. Wer sich unsicher ist, kann seinen Versicherungsverlauf kostenfrei prüfen lassen und eine persönliche Beratung bei der Rentenversicherung wahrnehmen.
Zusätzlich bieten gerichtlich zugelassene Rentenberater und auf Sozialrecht spezialisierte Anwälte Hilfe an.
Praktische Hinweise zur Kontenklärung
Vor der Antragstellung empfiehlt es sich, den Versicherungsverlauf online abzurufen. Dort sind bereits angerechnete Zeiten ersichtlich. Bestehen Lücken im Zeitraum nach der Geburt oder fehlen Berücksichtigungszeiten bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes, sollten Betroffene Kopien der Geburtsurkunden bereithalten.
Für Auslandsaufenthalte sind Bescheinigungen der dortigen Sozialversicherungsträger hilfreich. Wer mehrere Kinder erzogen hat, kann die einzelnen Erziehungszeiten lückenlos anschließen lassen, sodass keine Monate verschenkt werden.
Fazit: Jetzt handeln, um langfristig zu profitieren
Kindererziehungszeiten sind ein kräftiger Baustein für die Altersvorsorge. Sie kosten keine eigenen Beiträge, erfüllen Mindestversicherungszeiten und erhöhen unmittelbar die Rente.
Mit dem Formular V0800 ist der Antrag einfacher denn je. Wer jetzt seine Unterlagen ordnet und die Kontenklärung anstößt, sichert sich nicht nur einen spürbaren finanziellen Vorteil von bis zu 122 Euro monatlich pro Kind, sondern stellt die Weichen dafür, dass geplante Verbesserungen wie die Mütterrente 3 reibungslos und ohne Verzögerung wirksam werden.