Mehr Hartz IV-Strafen durch Kontakt-Dichte-Konzept

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Hamburg führt ab heute das neue Kontakt-Dichte-Konzept ein

01.08.2013

Das Jobcenter Hamburg (team.arbeit.hamburg) will künftig die Abstände zwischen den sogenannten Meldeterminen von Hartz-IV-Beziehern deutlich verringern. Die Behördenleitung hat eigens hierfür einen Arbeitstitel konzipiert: Das Kontakt-Dichte-Konzept.

Ab sofort müssen sich Hartz IV Betroffene in der Hansestadt Hamburg auf deutlich mehr Meldetermin-Aufforderungen gefasst machen. Bisher wurden die Termine individuell vergeben. So machte es beispielsweise wenig Sinn, eine alleinstehende Mutter mit zwei Kleinkindern jeden Monat in die Behörde zu bestellen, da eine Vermittlung aufgrund der familiären Lebenssituation derzeit nicht realistisch ist. Doch das soll sich nach dem Willen der Behördenleitung ab sofort ändern. Eine interne Arbeitsanleitung zeigt Mindestvorgaben, die ab dem ersten August 2013 in Kraft treten.

So sollen beispielsweise Jobcenter-Mitarbeiter Erwerbslose, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, mindestens alle drei Monate zum Gespräch einladen. Dabei sei die individuelle Lage des Einzelnen unwichtig. Wer jünger als 25 Jahre alt ist, soll mindestens alle vier Wochen per Telefon informieren oder persönlich vorstellig werden.

Mehr Sanktionen erwartet
In der Behörde selbst feiert man dieses „neue Konzept“ als ein „Optimierungsergebnis“, wie Sprecherin Kirsten Maaß gegenüber der „TAZ Hamburg“ sagte. Der Gesetzgeber habe schließlich festgelegt, dass Hartz IV Bezieher „konkrete Schritte zur Behebung ihrer Hilfebedürftigkeit unternehmen müssen“. Tim Golke von der Fraktion „Die Linke“ hat hierzu eine völlig andere Meinung. Seiner Ansicht nach wurde mit dieser neuen Arbeitsanleitung der Druck auf die Erwerbslosen erhöht ohne dass dabei der Hamburger Arbeitsmarkt mehr Arbeitsplätze bereithält. Erwerbslosen-Initiativen befürchten, diese sogenannte „Optimierung“ wurde geschaffen, um die Sanktionsquote noch einmal zu erhöhen. Denn wenn mehr Einladungen ausgestellt werden, werden automatisch auch mehr Sanktionen ausgesprochen. So kann der Senat erneut einige Millionen auf dem Rücken der Ärmsten einsparen.

Überlastete Jobcenter-Angestellte
Viele Mitarbeiter der Behörden scheinen ebenfalls nicht glücklich mit der neuen Arbeitsweisung zu sein. „Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sollen durch dieses Konzept den Druck auf die Kunden des SGB II erhöhen und die Integrationszahlen nach oben bringen“, schreiben sie. „So ist ein menschenwürdiges Arbeiten und Zusammenarbeiten nicht mehr möglich.“ Denn in Hamburg müssen laut einer Untersuchung des Institut für Sozialforschung die Jobcenter-Angestellten in etwa doppelt so viele Erwerbslose betreuen, als anderswo. Aus diesem Grund wurden in Hamburg viele Hartz-IV-Bezieher nicht gefördert, sondern nur „verwaltet“, wie die Autoren der Studie schlussfolgerten.

Statt nun mehr Mitarbeiter zu beschäftigen, die sich individuell um die Lebenssituation des Einzelnen kümmern, geht die Jobcenter-Chefetage den gegenteiligen Weg: Sie erhöhen einfach den Druck auf die Mitarbeiter und den Erwerbslosen. Das Ende des Liedes werden mehr Sanktionen, mehr Auseinandersetzungen in den Behörden und noch mehr Elend sein. Und das alles, weil sogenannte Optimierungskonzepte am Menschen vorbei konstruiert werden. Bleibt zu hoffen, dass weitere Sachbearbeiter dem Beispiel der kritischen Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann folgen und öffentlich die Missstände anprangern. (sb)

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Bild: S. Hofschlaeger / pixelio.de

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