Mehr EM-Rente durch Schwerbehinderung mit höherem GdB? – Experte antwortet

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Wer in Internetforen nach Erfahrungen zur Erwerbsminderungsrente sucht, stößt schnell auf den Rat, sich zuerst einen Schwerbehindertenausweis zu besorgen. Die Vorstellung, ein besonders hoher Grad der Behinderung (GdB) sei Voraussetzung oder garantiere gar automatisch eine höhere Rente, hält sich beständig – auch im privaten Umfeld.

Tatsächlich verlangt die Deutsche Rentenversicherung aber weder einen GdB-Bescheid noch einen Schwerbehindertenausweis, um eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu bewilligen.

Der Grund ist einfach: Diese beiden Rechtsinstrumente messen unterschiedliche Dinge.

Gesetzliche Grundlagen: Behinderung und Teilhabe

Das Sozialgesetzbuch IX definiert eine Behinderung als das Zusammenwirken einer gesundheitlichen Schädigung mit längerfristigen Einschränkungen bei der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Erst wenn beide Faktoren – medizinische Diagnose und mindestens sechs Monate dauernde Teilhabebeeinträchtigung – zusammentreffen, liegt rechtlich eine Behinderung vor. Schwerbehindert ist man erst, wenn der festgestellte GdB mindestens 50 beträgt.

Was eine Erwerbsminderung ausmacht

Die Erwerbsminderungsrente richtet ihren Blick ausschließlich auf die Arbeitswelt: Entscheidend ist, wie viele Stunden eine versicherte Person noch in irgendeiner denkbaren Tätigkeit leistungsfähig ist. Bei weniger als drei Stunden täglich liegt volle, bei zwischen drei und unter sechs Stunden teilweise Erwerbsminderung vor. Diese Definition findet sich in § 43 SGB VI und knüpft nicht an den GdB an.

Zwei unterschiedliche Prüfpfade

Damit wird klar, warum ein Schwerbehindertenausweis vor der Rentenprüfung nicht hilft: Ein GdB von 70 beschreibt lediglich das Ausmaß dauerhafter Teilhabebeschränkungen, sagt aber nichts darüber, ob jemand nur zwei oder doch fünf Stunden täglich arbeiten könnte.

Umgekehrt kann eine Person mit einem GdB von 30 so stark in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sein, dass sie voll erwerbsgemindert ist. Die Rentenversicherung fordert deshalb medizinische Befundberichte, Krankenhaus- und Reha-Entlassungsbriefe, Gutachten des Medizinischen Dienstes oder eigene sozialmedizinische Einschätzungen.

Erst diese Unterlagen erlauben eine konkrete Bewertung der verbliebenen Arbeitszeitfähigkeit.

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Wann ein Schwerbehindertenausweis trotzdem sinnvoll bleibt

Auch wenn er für die Rente nicht gebraucht wird, kann der Ausweis in vielen Lebenslagen Vorteile bringen. Steuererleichterungen, Zusatztage Urlaub, bevorzugte Einstellung im öffentlichen Dienst, Nachteilsausgleiche an Hochschulen, ermäßigter Eintritt in Kultur- und Freizeiteinrichtungen oder preisreduziertes ÖPNV-Ticket mit Merkzeichen G – all das setzt einen anerkannten GdB voraus.

Wer noch arbeitet oder später in eine vorgezogene Altersrente für schwerbehinderte Menschen wechseln möchte, sollte das Feststellungsverfahren daher im Auge behalten.

Neu ab 2025: höhere Hinzuverdienstgrenzen und neuer Zuschlag

Für aktuelle und künftige Rentnerinnen und Rentner bringt das Jahr 2025 spürbare Änderungen. Die Hinzuverdienstgrenze bei voller Erwerbsminderung steigt auf rund 19 661 Euro, bei teilweiser Erwerbsminderung auf mindestens 39 322 Euro. Damit werden Zuverdienste weniger stark angerechnet, ohne dass die Rente entfällt.

Wer die Rente bereits zwischen Juli 2024 und November 2025 bezieht, erhält zudem einen befristeten Zuschlag. Ab Dezember 2025 wird dieser in die reguläre Rentenberechnung überführt und künftig auf Basis der Entgeltpunkte ausgezahlt.
Deutsche Rentenversicherung

Fazit

Die Erwerbsminderungsrente knüpft allein an die verbliebene Fähigkeit zur Erwerbsarbeit an. Weder der Grad der Behinderung noch der Schwerbehindertenausweis sind Pflichtnachweise, und sie erhöhen den Rentenbetrag nicht.

Für die Bewilligung zählen ärztliche Befunde, Reha- und Rentengutachten. Wer dennoch einen GdB feststellen lässt, tut dies vor allem wegen steuerlicher, arbeitsrechtlicher oder alltäglicher Nachteilsausgleiche bzw. Vorteile.