Letzte Schlupflöcher in die Rente mit 63

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Viele Beschäftigte möchten den Übergang in den Ruhestand früher gestalten, ohne lebenslange Abzüge in Kauf zu nehmen. Das zentrale Instrument dafür ist die abschlagsfreie „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“.

Umgangssprachlich als „Rente mit 63“ bekannt, knüpft sie nicht an eine feste Altersmarke, sondern an zwei Voraussetzungen: eine erhöhte Altersgrenze je nach Geburtsjahrgang und eine Wartezeit von mindestens 45 Versicherungsjahren.

Kritisch wird es, wenn kurz vor dem geplanten Rentenstart Arbeitslosigkeit eintritt – denn dann greift eine strenge Sonderregel. Ein legaler, oft unterschätzter Kniff kann in genau diesen Konstellationen die Lücke schließen: ein versicherungspflichtiger Minijob parallel zum Bezug von Arbeitslosengeld.

Was die abschlagsfreie Rente tatsächlich verlangt

Rechtlich handelt es sich um die Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Sie setzt eine Wartezeit von 45 Jahren voraus. Anerkannt werden in erster Linie Pflichtbeitragszeiten aus Beschäftigung, Zeiten der Kindererziehung, Pflege und bestimmte Anrechnungszeiten.

Auch Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld zählen grundsätzlich mit – allerdings mit einer wichtigen Einschränkung in den letzten beiden Jahren vor Rentenbeginn. Die Möglichkeit, zwei Jahre vor der regulären Altersgrenze abschlagsfrei in Rente zu gehen, besteht nur, wenn die 45 Jahre bei Rentenbeginn vollständig erreicht sind.

Das Zwei-Jahres-Problem vor dem Rentenstart

Wer innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem geplanten abschlagsfreien Rentenbeginn arbeitslos wird und Arbeitslosengeld bezieht, erlebt häufig eine böse Überraschung: Diese ALG-Zeiten werden in der Regel nicht auf die 45 Jahre angerechnet.

Die Folge ist eine Rentenbiografie, die auf dem Papier eigentlich die notwendige Länge erreicht, tatsächlich aber eine Lücke aufweist. Genau daran scheitern viele Pläne, den Abschlag zu vermeiden.

Die eng gefasste Ausnahme: Insolvenz oder Geschäftsaufgabe

Eine Ausnahme entschärft die Regel nur in klar definierten Fällen. Wird die Arbeitslosigkeit nachweislich durch die vollständige Geschäftsaufgabe oder eine Insolvenz des Arbeitgebers verursacht, können auch die letzten beiden Jahre vor Rentenbeginn als Wartezeit zählen. Fehlt ein solcher Anlass, bleibt die Lücke bestehen – und der abschlagsfreie Weg scheint versperrt.

Der Rentenkniff: Versicherungspflichtiger Minijob schließt die Lücke

Die Lösung ist legal, pragmatisch und vielfach erprobt: ein versicherungspflichtiger Minijob parallel zum Arbeitslosengeld. Entscheidend ist der Status der Beschäftigung in der Rentenversicherung.

Wer einen geringfügigen Job bis zur Geringfügigkeitsgrenze ausübt und die Versicherungspflicht nicht abwählt, erwirbt vollwertige Pflichtbeiträge für die Rentenversicherung. Jeder Kalendermonat mit versicherungspflichtigem Minijob wird dann auf die 45 Jahre angerechnet.

Im Jahr 2024 liegt die Grenze bei 538 Euro, im Jahr 2025 bei 556 Euro. Auf diese Weise lassen sich die fehlenden Monate trotz laufenden ALG-Bezugs schließen.

Warum „versicherungsfrei“ nicht hilft

Die Unterscheidung zwischen versicherungspflichtigem und versicherungsfreiem Minijob ist zentral. Ein versicherungsfreier Minijob erzeugt keine vollen Pflichtbeiträge. Die Anrechnung auf die 45-Jahre-Wartezeit erfolgt dann nur anteilig und fällt „dünn“ aus.

Grob gesprochen ergeben zwölf Monate versicherungsfreier Minijob lediglich einige wenige Monate anrechenbarer Wartezeit. Wer die Lücke zielgenau schließen will, sollte die Versicherungspflicht nicht abwählen und damit die Monate in vollem Umfang für die Wartezeit nutzbar machen.

Zusammenspiel mit Arbeitslosengeld: Freibetrag und Stundenobergrenze

Neben dem rentenrechtlichen Effekt zählt die arbeitsmarktliche Seite. Ein Minijob neben dem Arbeitslosengeld ist möglich, solange die Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt gewahrt bleibt. Bis zu 14 Wochenstunden gelten als Obergrenze, darüber hinaus droht der Verlust des ALG-Anspruchs, weil die Vermittelbarkeit entfällt.

Beim Hinzuverdienst existiert für das Arbeitslosengeld ein monatlicher Freibetrag von 165 Euro, der den Leistungsbezug nicht mindert. Wer darüber hinaus verdient, muss mit einer Anrechnung rechnen. Für die Rentenbiografie bleibt dennoch entscheidend, dass die Beschäftigung rentenversicherungspflichtig geführt wird.

Der Preis des ALG für die spätere Rentenhöhe

Der Bezug von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn hat noch einen zweiten Effekt: Für die Beitragsberechnung in der Rentenversicherung werden nur 80 Prozent des früheren versicherten Entgelts zugrunde gelegt. Das dämpft den Aufbau weiterer Entgeltpunkte.

Dieser Nachteil relativiert sich, wenn dadurch überhaupt erst die abschlagsfreie Rente erreichbar wird. Wer die Wahl zwischen frühzeitiger Rente ohne Abschläge und einer späteren, leicht höheren Rente hat, sollte die Gesamtrechnung nüchtern abwägen.

Die „63“ ist kein Fixwert: Jahrgang entscheidet über die Altersgrenze

Der Begriff „Rente mit 63“ ist irreführend, weil das tatsächliche Zugangsalter mit den Geburtsjahrgängen ansteigt. Nur der Jahrgang 1952 konnte mit exakt 63 Jahren und erfüllter Wartezeit abschlagsfrei gehen. Für jüngere Jahrgänge liegt die Altersgrenze höher.

Wer 1960 geboren ist, erreicht die abschlagsfreie Rente nach 45 Jahren erst mit 64 Jahren und 4 Monaten. Für die individuelle Planung ist diese Staffelung entscheidend, denn sie definiert, ab wann die Wartezeit vollständig und rechtzeitig erfüllt sein muss.

Praxisnah gedacht: Wie aus Monaten die fehlenden Jahre werden

In der Praxis zeigt sich der Kniff besonders dann als wirksam, wenn bereits ein großer Teil der 45 Jahre steht, aber durch Arbeitslosigkeit kurz vor dem Ziel Monate „verloren“ gehen. Ein versicherungspflichtiger Minijob verwandelt jeden Kalendermonat wieder in vollwertige Wartezeit.

Wer den Job lückenlos führt, kann so innerhalb eines Jahres zwölf anrechenbare Monate sammeln und die Hürde wieder nehmen. Wichtig ist eine sorgfältige Taktung: Maßgeblich sind Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen, nicht sporadische Einsätze.

Planung, Dokumentation und Beratungspflicht im Blick behalten

Die Wirksamkeit des Minijobs als Brücke hängt an Formalien. Die Versicherungspflicht darf nicht abgewählt werden, der Beginn und das Ende der Beschäftigung müssen sauber dokumentiert sein, und die Stundenumfänge sollten die Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt nicht gefährden.

Parallel dazu lohnt ein prüfender Blick in den Versicherungsverlauf bei der Deutschen Rentenversicherung: Fehlende Zeiten, unklare Meldungen oder offensichtliche Lücken sollten vor dem Antrag geklärt werden, damit die 45 Jahre bei Rentenbeginn zweifelsfrei feststehen.

Letztes Schlupfloch in die Rente mit 63: Legal, wirksam – aber nur mit präziser Vorbereitung

Der versicherungspflichtige Minijob ist das entscheidende Werkzeug, um die Zwei-Jahres-Sperre bei ALG-Zeiten vor Rentenbeginn zu überwinden und die 45 Jahre rechtzeitig zu erfüllen. Er wirkt nur in der Variante mit Rentenversicherungspflicht; versicherungsfreie Minijobs sind dafür ungeeignet.

Wer diesen Weg gehen will, sollte die Stundenobergrenzen und Hinzuverdienstregeln im Arbeitslosengeld beachten und die rentenrechtliche Dokumentation lückenlos halten. Ebenso wichtig ist das richtige Verständnis der Altersgrenzen: „63“ ist ein Symbol, die tatsächliche Marke bestimmt der Jahrgang. Sorgfältige Planung und rechtzeitige Abstimmung mit der Deutschen Rentenversicherung sind deshalb unerlässlich – damit der legale Kniff nicht zur Stolperfalle wird, sondern den Abschlag tatsächlich vermeidet.

Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine individuelle Rechts- oder Rentenberatung. Für verbindliche Auskünfte zu Ihrem persönlichen Versicherungsverlauf und den Anrechnungsmöglichkeiten wenden Sie sich an die Deutsche Rentenversicherung oder eine zugelassene Rentenberatungsstelle.