Krankengeld und Erwerbsminderungsrente: Wann besteht ein Anspruch – und wann nicht?

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Wer längere Zeit krank ist, erhält nach dem Ende der Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers in der Regel Krankengeld. Wird später eine Rente wegen Erwerbsminderung bewilligt, stellt sich jedoch die heikle Frage: Gibt es dann weiter Krankengeld – oder schließt die EM-Rente den Anspruch aus?

Die Antwort hängt entscheidend davon ab, ob eine volle oder teilweise Erwerbsminderungsrente gezahlt wird, zu welchem Zeitpunkt sie beginnt und ob sie rückwirkend bewilligt wurde.

Was das Krankengeld ist

Krankengeld ist eine Entgeltersatzleistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Es folgt in der Regel auf sechs Wochen Entgeltfortzahlung und kann – bei derselben Krankheit – bis zu 78 Wochen innerhalb eines Drei-Jahres-Zeitraums gezahlt werden. Damit soll der Lebensunterhalt gesichert werden, solange eine Rückkehr in die Arbeit noch erwartet werden kann oder medizinische/berufliche Reha ansteht.

Volle Erwerbsminderungsrente: Krankengeldanspruch endet

Wird eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gezahlt, endet ein bestehender Krankengeldanspruch mit Beginn der Rente. Gleichzeitig entsteht – solange die volle Rente läuft – kein neuer Anspruch auf Krankengeld.

Das regelt § 50 Abs. 1 SGB V ausdrücklich und eindeutig. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (zuletzt am 12. Dezember 2024) bestätigt diese Linie und stellt klar: Krankengeld als Entgeltersatz gibt es nicht neben einer vollen EM-Rente, auch nicht bei zusätzlicher versicherungspflichtiger Beschäftigung.

In der Praxis bedeutet das oft auch einen Wechsel in die Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Diese Mitgliedschaft umfasst die regulären Leistungen der GKV, kennt aber grundsätzlich kein Krankengeld, weil die laufende Rente die Funktion der Einkommenssicherung übernimmt.

Teilweise Erwerbsminderungsrente: Krankengeld ist möglich – häufig aber gekürzt

Anders liegt es bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Hier bleibt Krankengeld dem Grunde nach möglich, etwa wenn die versicherte Person weiterhin in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht.

Allerdings greift § 50 Abs. 2 SGB V: Das Krankengeld wird um den Zahlbetrag der (Teil-)Rente gekürzt, wenn die Rente erst nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit zuerkannt wird.

Wird die Teilrente bereits vor dem Krankengeldbezug gezahlt, kommt eine Kürzung nach dem Gesetzeswortlaut nicht in Betracht – diese Auslegung hat die Sozialgerichtsbarkeit bestätigt.

Parallel auf der Rentenseite gilt: Bezüge wie Krankengeld zählen bei Erwerbsminderungsrenten regelmäßig als Hinzuverdienst und können die Rentenhöhe beeinflussen. Das betrifft insbesondere Teil-EM-Rentnerinnen und -Rentner, die noch erwerbstätig sind.

Rückwirkende Rentenbewilligung: Verrechnung statt „Doppelzahlung“

#Häufig bewilligt die Rentenversicherung eine EM-Rente rückwirkend – also für Zeiträume, in denen bereits Krankengeld geflossen ist. In solchen Fällen greifen Erstattungs- und Verrechnungsmechanismen zwischen den Trägern: Die Krankenkasse kann aus der Rentennachzahlung den Teil erhalten, der rückwirkend das Krankengeld „ersetzt“.

Das bereits gezahlte Krankengeld gilt dann als rechtmäßig bezogen; die Ausgleichung erfolgt zwischen den Trägern.

Überzahlungen, die über die Rentenhöhe hinausgehen, kann die Krankenkasse nicht vom Versicherten zurückfordern. Dies ergibt sich aus § 50 SGB V und den Erstattungsregeln des § 103 SGB X und wird von Praxisinformationen der Träger gestützt.

Tabelle: Wann ein Anspruch trotz EM-Rente besteht und wann nicht

Konstellation Anspruch (Krankengeld / EM-Rente)
Arbeitsunfähigkeit im laufenden Beschäftigungsverhältnis, keine EM-Rente Krankengeld nach 6 Wochen Entgeltfortzahlung bis zu 78 Wochen möglich; EM-Rente: nein
Volle EM-Rente bereits bewilligt und laufend Krankengeld nicht möglich; EM-Rente: ja (volle Rente)
Volle EM-Rente rückwirkend für Zeitraum mit bestehendem Krankengeld bewilligt Krankengeld entfällt ab Rentenbeginn; Verrechnung aus Rentennachzahlung; EM-Rente: ja
Teilweise EM-Rente bereits vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit bewilligt Krankengeld möglich, in der Regel ohne Kürzung; EM-Rente: ja (teilweise)
Teilweise EM-Rente erst nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit bewilligt Krankengeld möglich, aber um den Zahlbetrag der Rente gekürzt; EM-Rente: ja (teilweise)
Beschäftigung trotz voller EM-Rente; Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit Krankengeld nicht möglich; EM-Rente: ja (volle Rente)
Volle EM-Zeit­rente endet; erneute versicherungspflichtige Beschäftigung; neue Arbeitsunfähigkeit Krankengeld wieder möglich; EM-Rente: nein (endet), ggf. neuer Antrag nötig
Aussteuerung nach 78 Wochen Krankengeld; EM-Antrag noch nicht entschieden Krankengeld nicht mehr möglich; EM-Rente: offen; Überbrückung regelmäßig ALG I nach § 145 SGB III
Krankenkasse fordert Reha/Rentenantrag (§ 51 SGB V); Frist eingehalten Krankengeld bis Entscheidung grundsätzlich weiter möglich; EM-Rente: offen
Krankenkasse fordert Reha/Rentenantrag (§ 51 SGB V); Frist versäumt/Antrag verweigert Krankengeld kann ruhen oder enden; EM-Rente: offen
Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei voller EM-Rente Krankengeld grundsätzlich nicht vorgesehen; EM-Rente: ja
Freiwillige GKV ohne Krankengeld-Wahltarif; arbeitsunfähig; keine EM-Rente Krankengeld nicht möglich; EM-Rente: nein
Freiwillige GKV mit Krankengeld-Wahltarif; arbeitsunfähig; keine EM-Rente Krankengeld nach Tarifbedingungen möglich; EM-Rente: nein
Geringfügige Beschäftigung (Minijob) ohne Krankengeld-Anspruch; keine EM-Rente Krankengeld nicht möglich; EM-Rente: nein
EM-Antrag gestellt; Entscheidung steht aus; arbeitsunfähig Krankengeld (innerhalb der Höchstdauer) möglich; EM-Rente: noch nicht

„Nahtlosigkeitsregelung“: Wenn Krankengeld endet, die Rente aber noch nicht feststeht

Endet das Krankengeld – etwa nach 78 Wochen – und ist die Erwerbsfähigkeit weiter erheblich gemindert, greift die Nahtlosigkeitsregelung der Arbeitslosenversicherung (§ 145 SGB III). Sie soll Versorgungslücken überbrücken, bis über Reha oder Rente entschieden ist. Betroffene erhalten dann Arbeitslosengeld I nach besonderen Kriterien, obwohl sie objektiv nicht arbeitsfähig sind.

Aufforderung zum Reha-/Rentenantrag: Fristen und Folgen für das Krankengeld

Krankenkassen dürfen Versicherte auffordern, binnen Frist Reha zu beantragen; wird deutlich, dass Erwerbsminderung vorliegt, kann daraus ein Rentenantrag fingiert werden.

Diese Verfahrensschritte sind in § 51 SGB V geregelt und haben unmittelbare Auswirkungen auf den Krankengeldanspruch: Bei versäumter Mitwirkung kann Krankengeld entfallen; bei fristgerechter Antragstellung wird bis zur Entscheidung weitergezahlt – soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen.

Beschäftigt trotz Rente? Wichtige Konstellationen

Wer volle EM-Rente bezieht und gleichwohl arbeitet, hat trotz Beschäftigung keinen Anspruch auf Krankengeld; das hat das Bundessozialgericht aus Gründen der Systemlogik ausdrücklich bestätigt. Bei Teil-EM-Rente ist Erwerbstätigkeit üblich; tritt dann Arbeitsunfähigkeit ein, kann Krankengeld fließen, wird aber – je nach zeitlichem Verhältnis – um die Rente gekürzt.

In beiden Richtungen gilt: Die konkrete Zeitlage von Arbeitsunfähigkeit, Rentenbeginn und Bewilligungsdatum entscheidet über Ausschluss, Kürzung oder ungekürzte Zahlung.

Wenn die volle Rente endet: Chance auf neuen Krankengeldanspruch

Wird eine volle Erwerbsminderungsrente nicht mehr gezahlt (etwa nach Ablauf einer Zeitrente) und besteht zwischenzeitlich wieder eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld – zum Beispiel durch erneute versicherungspflichtige Beschäftigung – kann bei neuer Arbeitsunfähigkeit ein neuer Krankengeldanspruch entstehen. § 50 Abs. 1 Satz 4 SGB V regelt diese „Wiedereröffnung“ ausdrücklich.

Fazit

Die Regelungen sind klar: Volle Erwerbsminderungsrente schließt Krankengeld aus, teilweise Erwerbsminderungsrente kann Krankengeld zulassen, häufig aber nur gekürzt – und alles hängt an der Zeitachse von Arbeitsunfähigkeit und Rentenbeginn.

Bei rückwirkenden Entscheidungen wird zwischen den Leistungsträgern verrechnet; Versorgungslücken sollen die Nahtlosigkeit und – falls die volle Rente endet – neue Versicherungsverhältnisse schließen. Wer betroffen ist, sollte Bescheide auf die genauen Daten und Rechtsgrundlagen prüfen und bei Unklarheiten fachkundigen Rat einholen.

Quellenhinweise: § 50 SGB V; BSG, Urteil vom 12.12.2024 (B 3 KR 4/23 R); Informationen der Deutschen Rentenversicherung und der Krankenkassen zur KVdR, zur Verrechnung bei rückwirkender Rentenbewilligung und zu den Anspruchsdauern beim Krankengeld.