Schwerbehinderung: Teilweiser Entzug des Sorgerechts bei Überforderung durch die Mutter

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Wenn eine Mutter das Wohl ihres lernbehinderten Kindes gefährdet, indem sie dieses in der Schule überfordert, ist es rechtlich möglich, ihr teilweise das Sorgerecht zu entziehen. Es handelt sich dabei nicht um eine Verletzung von Grundrechten der Mutter. Dies entschied in letzter Instanz das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1525/20).

Kindeswohl und Sorgerecht

Das Kindeswohl ist ein hohes Rechtsgut und ebenso das Sorgerecht einer Mutter für ihr Kind. Um einer Mutter das Sorgerecht zu entziehen, liegen die Hürden hoch. Dies ist nur möglich, wenn Eltern schwerwiegend gegen ihre Sorge verstoßen.

Was sind Gründe, um das Sorgerecht zu entziehen?

Solche Gründe sind zum Beispiel Gewalt und Misshandlung, das Gefährden der Gesundheit durch unzureichende Ernährung, oder das Verweigern medizinischer Behandlungen. Substanzmissbrauch und damit einhergehende Unzurechnungsfähigkeit der Eltern und Verwahrlosung des Kindes können ebenso ein Grund sein, das Sorgerecht zu entziehen wie ein Vernachlässigen der Schulpflicht oder das Veruntreuen des Vermögens des Kindes.

Auch das Ausüben von Leistungsdruck kann den Entzug des Sorgerechts rechtfertigen

Auch ein starker Ehrgeiz einer Mutter, die die Tochter in der Schule damit überfordert, Leistungen erreichen zu wollen, die das Kind nicht erreichen kann, rechtfertigt es, das Sorgerecht zu entziehen, allerdings nur auf den konkreten Bereich schulischer Belange bezogen.

Sonderpädagogische Förderung ist nötig

Die Tochter hat seit der Grundschule einen anerkannten sonderschulpädagogischen Förderbedarf. Ein IQ-Test ergab einen Wert zwischen 63 und 74. Trotzdem und gegen den Rat der Fachkräfte meldete die Mutter ihr Kind auf einem Gymnasium an.

Tochter fliegt von der Schule

Die Tochter hatte dort erhebliche Konflikte mit Mitschülern und wurde wegen Übergriffen auf diese auf Dauer von der Schule ausgeschlossen. Danach besuchte sie drei Stunden täglich eine Realschule Plus. Wider kam es zu erheblichen Auseinandersetzungen mit Lehrern und Mitschülern.

Familiengericht entzieht der Mutter teilweise das Sorgerecht

Der Fall kam vor das Familiengericht. Dieses erkannte in den wiederkehrenden Konflikten vor allem eine Schuld der Mutter. Denn diese setze die Tochter derart unter Druck, schulische Leistungen zu erbringen, dass das körperliche und seelische Wohl der Tochter nachhaltig gefährdet sei. Zudem fehle bei der Mutter Einsicht, ihr Verhalten zu korrigieren.

Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht

Die Mutter legte Beschwerde beim Oberlandesgericht ein, und dieses wies die Beschwerde zurück. Daraufhin legten Mutter und Tochter Verfassungsbeschwerde ein. Das Bundesverfassungsgericht nahm diese nicht zur Entscheidung an, sondern erklärte vorab, warum die Beschwerde unbegründet sei.

Keine Verletzung des Elternrechts

Eine Verletzung des Elternrechts der Mutter sei nicht zu erkennen. Die Mutter setze ihre Tochter durch überhöhte Erwartungen unter einen permanenten Leistungsdruck, und dieser belaste das Kind dauerhaft.
Diese Belastung finde ihren Ausdruck in aggressivem Verhalten in der Schule, Traurigkeit, Verzweiflung und fehlender Lebenslust bis zu Suizidgedanken.

Verfassungsrechtlich sei nichts zu beanstanden. Die Gerichte hätten das Verhalten der Mutter als nicht mehr angemessenen Leistungsdruck bewertet, der das Wohl der Tochter gefährde. Es sei kein Auslegungsfehler bei der gerichtlichen Entscheidung zum festgestellten Sachverhalt zu erkennen.

Das Kindeswohl ist schwerwiegend beeinträchtigt und der Staat zum Schutz verpflichtet

Der teilweise Sorge-Entzug ergebe sich aus dem Anspruch auf staatlichen Schutz. Er sei in diesem Fall ebenso verhältnismäßig wie erforderlich. Die Mutter überfordere ihre Tochter und lehne vorhandene Hilfsangebote ab.

Das Kindeswohl der Tochter sei schwerwiegend beeinträchtigt, und die Ursache dafür sei vor allem das Verhalten der Mutter. Ein Entzug von Teilen des Sorgerechts stelle in einem solchen Fall keinen Verstoß gegen das Verfassungsrecht dar.