Krankengeld: Vorsicht vor der Krankengeldfalle

Lesedauer 4 Minuten

Die Krankengeldfalle beschreibt eine Situation, in der Versicherte aufgrund von Formalitรคten oder Fristen ihren Anspruch auf Krankengeld verlieren. Dabei handelt es sich oft nicht um Fehler oder Versรคumnisse der Betroffenen, sondern um strikte Regelungen, die unflexibel umgesetzt werden.

Das kann im schlimmsten Fall dazu fรผhren, dass Menschen plรถtzlich ohne Einkommen dastehen โ€“ eine erhebliche Belastung, insbesondere in der ohnehin schon schwierigen Situation.

Wie funktioniert die Lohnfortzahlung und das Krankengeld?

Zunรคchst zahlt der Arbeitgeber im Krankheitsfall bis zu sechs Wochen das regulรคre Gehalt weiter. Sollte die Krankheit darรผber hinaus andauern, รผbernimmt die gesetzliche Krankenkasse und zahlt Krankengeld. Dieses betrรคgt in der Regel 70 % des Bruttogehalts, maximal jedoch 90 % des Nettogehalts.

Klingt einfach, oder? Doch hier lauern Stolpersteine: Versicherte mรผssen strikte Fristen einhalten und lรผckenlose Nachweise erbringen, um Anspruch auf Krankengeld zu haben.

Welche Fristen und Nachweise sind entscheidend?

1. Arbeitsunfรคhigkeitsbescheinigung rechtzeitig einreichen

Sobald Sie krankgeschrieben sind, mรผssen Sie die Arbeitsunfรคhigkeitsbescheinigung (AU) innerhalb der ersten Woche nach Beginn der Krankheit an Ihre Krankenkasse senden. Es reicht nicht, die Bescheinigung einfach abzugeben โ€“ Sie sollten den Eingang unbedingt nachweisen kรถnnen, etwa durch ein Einschreiben mit Rรผckschein.

2. Lรผckenlose Krankschreibung sicherstellen

Die Arbeitsunfรคhigkeit muss durchgehend bescheinigt sein. Das bedeutet: Kein Werktag darf ohne gรผltige Krankschreibung vergehen. Wird eine Folgebescheinigung nicht rechtzeitig eingeholt, entfรคllt der Anspruch auf Krankengeld.

Beispiele fรผr die Fristenregelung:

  • Sind Sie bis Dienstag krankgeschrieben, benรถtigen Sie spรคtestens am Mittwoch eine neue Krankschreibung.
  • Lรคuft die Krankschreibung bis Freitag, mรผssen Sie spรคtestens am Montag eine Folgebescheinigung vorlegen.

Wochenenden sind hierbei ausgenommen. Dennoch gilt: ร„rztliche PraxisschlieรŸungen oder organisatorische Hindernisse akzeptiert die Krankenkasse nur in Ausnahmefรคllen, wenn Sie nachweislich alles Zumutbare unternommen haben.

Welche Konsequenzen drohen bei Versรคumnissen?

Ein einziger Tag ohne lรผckenlose Krankschreibung kann weitreichende Folgen haben:

  • Kein Krankengeld: Die Krankenkasse stellt die Zahlungen ein, selbst wenn die Krankheit weiterhin besteht.
  • Arbeitslosigkeit und Bรผrgergeld-Bezug: Wer wรคhrend der Krankschreibung arbeitslos wird und den Anspruch auf Krankengeld verliert, wird von der Agentur fรผr Arbeit hรคufig nicht mehr vermittelt. Stattdessen droht der รœbergang in den ALG2-Bezug, was die finanzielle Situation erheblich verschlechtert.

Was tut der Gesetzgeber gegen die Krankengeldfalle?

Das Bundesgesundheitsministerium hat kรผrzlich einen Gesetzesentwurf vorgelegt, um die Krankengeldfalle zu entschรคrfen. Ziel ist es, Versicherte besser abzusichern und die Fristenregelungen zu flexibilisieren. Noch ist unklar, wann und in welcher Form die ร„nderungen in Kraft treten โ€“ ein Hoffnungsschimmer bleibt jedoch.

Was kรถnnen Versicherte jetzt tun, um sich zu schรผtzen?

Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung sollten Versicherte besonders achtsam sein und die folgenden Punkte beachten:

  1. Arbeitsunfรคhigkeit sofort melden: Informieren Sie Ihre Krankenkasse innerhalb der ersten Woche.
  2. Lรผckenlose Nachweise: Sorgen Sie dafรผr, dass keine Lรผcke zwischen den Krankschreibungen entsteht.
  3. Nachweis sichern: Senden Sie alle Unterlagen per Einschreiben, um den Eingang belegen zu kรถnnen.
  4. Planung bei PraxisschlieรŸungen: Rechnen Sie rechtzeitig mit mรถglichen Engpรคssen, etwa vor Feiertagen.

Praxisbeispiel: Wie eine kleine Lรผcke zum groรŸen Problem wurde

Frau Mรผller, 42 Jahre alt, ist seit mehreren Jahren in einem mittelstรคndischen Unternehmen als Sachbearbeiterin angestellt. Im Herbst erkrankt sie schwer an einer Grippe, die zunรคchst harmlos erscheint. Doch die Symptome verschlimmern sich, und nach einem Krankenhausaufenthalt diagnostiziert der Arzt eine Lungenentzรผndung. Frau Mรผller wird fรผr zunรคchst vier Wochen krankgeschrieben.

Die Krankengeldphase beginnt

Nach sechs Wochen Lohnfortzahlung durch ihren Arbeitgeber รผbernimmt die Krankenkasse die Zahlung von Krankengeld. Frau Mรผller ist darรผber informiert und reicht ihre Arbeitsunfรคhigkeitsbescheinigungen (AU) regelmรครŸig ein.

Doch dann tritt ein Problem auf: Die Krankschreibung ihrer ร„rztin endet an einem Freitag, und Frau Mรผller fรผhlt sich zu schwach, um am Montag direkt eine neue AU zu besorgen. AuรŸerdem hat die Praxis montags geschlossen.

Am Dienstag sucht Frau Mรผller ihren Arzt auf und erhรคlt eine neue Krankschreibung. Sie reicht diese direkt bei der Krankenkasse ein, in der Annahme, dass ein Tag Verzรถgerung keine groรŸen Folgen haben wird.

Die Krankenkasse stellt die Zahlung ein

Einige Wochen spรคter erhรคlt Frau Mรผller jedoch einen Brief von ihrer Krankenkasse. Darin steht, dass sie aufgrund der eintรคgigen Lรผcke zwischen den Krankschreibungen keinen Anspruch mehr auf Krankengeld hat. Die Zahlung wurde rรผckwirkend eingestellt.

Frau Mรผller ist entsetzt. Sie kontaktiert die Krankenkasse und erklรคrt die Situation: Die geschlossene Praxis und ihr gesundheitlicher Zustand hรคtten es unmรถglich gemacht, die neue Krankschreibung pรผnktlich zu erhalten. Doch die Krankenkasse bleibt hart. Es sei ihre Verantwortung gewesen, die Kontinuitรคt der Krankschreibung sicherzustellen.

Die Folgen fรผr Frau Mรผller

Da Frau Mรผller wรคhrend ihrer Krankheitsphase von ihrem Arbeitgeber gekรผndigt wurde, ist sie inzwischen arbeitslos. Ohne Krankengeld wendet sie sich an die Arbeitsagentur. Doch auch hier erhรคlt sie eine schlechte Nachricht: Wegen ihrer Krankheit gilt sie als nicht vermittelbar und wird nicht in die Arbeitslosenversicherung aufgenommen. Stattdessen wird sie auf Hartz IV verwiesen.

Die finanzielle Situation von Frau Mรผller verschlechtert sich drastisch. Mit den geringeren Leistungen ist es ihr kaum mรถglich, ihre Fixkosten zu decken. Zudem fรผhlt sie sich gesundheitlich und psychisch stark belastet.

Was hรคtte Frau Mรผller anders machen kรถnnen?

Dieses Beispiel zeigt, wie schnell eine scheinbar kleine Lรผcke in der Krankschreibung zu erheblichen Problemen fรผhren kann. Um solche Situationen zu vermeiden, hรคtte Frau Mรผller folgende MaรŸnahmen ergreifen kรถnnen:

  1. Rechtzeitige Planung: Vor Ablauf der Krankschreibung einen Termin fรผr eine Folgebescheinigung vereinbaren.
  2. Nachweis sichern: Falls die Praxis geschlossen ist, den Versuch dokumentieren, die AU zu erneuern (z. B. durch E-Mails oder Anrufe).
  3. Andere ร„rzte aufsuchen: Im Notfall einen anderen Arzt konsultieren, um die Lรผcke zu schlieรŸen.

Reformen in Aussicht

Fรคlle wie der von Frau Mรผller sind keine Einzelfรคlle. Sie zeigen, wie rigide Regelungen Versicherte unverschuldet in Not bringen kรถnnen. Der Gesetzgeber arbeitet bereits an einer Reform, um die Krankengeldfalle zu entschรคrfen. Bis dahin bleibt es jedoch entscheidend, die Regeln genau zu kennen und alles Zumutbare zu tun, um den Krankengeldanspruch nicht zu gefรคhrden.