Bürgergeld und Neue Grundsicherung: So ändern sich Zuverdienst und Freibeträge

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Die Bundesregierung arbeitet an einer Neuordnung der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab 2026. Parallel dazu empfiehlt der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium ein neues Modell für Zuverdienst und Freibeträge. Für Leistungsberechtigte stellt sich damit eine wichtige Frage:

Lohnt sich Arbeit neben der Grundsicherung künftig mehr – oder verlieren gerade kleine Jobs an Attraktivität?

Neue Grundsicherung ab 2026: Systemwechsel mit klarer Ausrichtung

Die geplante Reform zielt auf ein einheitlicheres System der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Das Bürgergeld soll ab 1. Juli 2026 in eine neu strukturierte Grundsicherung überführt werden. Ziel ist es, Leistungen stärker an Erwerbsarbeit auszurichten, Doppelstrukturen abzubauen und Verwaltungsabläufe zu vereinfachen.

Für Betroffene bedeutet dies: Unterstützung bleibt möglich, soll aber enger an nachgewiesene Bedürftigkeit, aktive Arbeitssuche und Mitwirkung gekoppelt werden. Die Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats dienen dabei als einflussreiche Vorlage.

Ziel der Reform: Mehr Anreize für reguläre Beschäftigung

Der Beirat kritisiert die bisherige Zuverdienstlogik als unübersichtlich und teilweise widersprüchlich. Unterschiedliche Freibetragsstufen, abrupte Sprünge bei der Anrechnung und komplizierte Berechnungen erschweren Betroffenen die Planung. Vorgeschlagen wird ein Modell, das klarer, berechenbarer und stärker auf reguläre Beschäftigung ausgerichtet ist.

Wer in größerem Umfang arbeitet, soll verlässlich mehr Einkommen behalten, statt durch den Leistungsbezug gebremst zu werden.

Diese Vorschläge haben empfehlenden Charakter, prägen aber die politische Debatte und erste Entwürfe bereits erkennbar mit.

Minijobs bis 603 Euro: Vorschlag zur vollständigen Anrechnung

Besonders umstritten ist der Ansatz für Einkommen bis zur Minijobgrenze. Für 2026 wird eine Anhebung dieser Grenze auf rund 603 Euro im Monat erwartet. Der Beirat schlägt vor, Verdienste bis zu dieser Grenze vollständig auf die Grundsicherung anzurechnen. Ein zusätzlicher Freibetrag im Bereich kleiner Nebenjobs wäre damit nicht mehr vorgesehen.

Das hätte spürbare Folgen: Wer beispielsweise 100 oder 300 Euro hinzuverdient, würde diesen Betrag vollständig mit der Leistung verrechnen. Der finanzielle Vorteil eines Minijobs fiele für viele Leistungsberechtigte weg oder wäre deutlich geringer als bisher.

Die politische Diskussion hierzu ist noch nicht abgeschlossen. Klar ist aber: Dieses Modell verschiebt den Fokus weg von Minijobs hin zu umfassenderen, sozialversicherungspflichtigen Tätigkeiten.

30-Prozent-Freibetrag: Bessere Perspektiven oberhalb der Minijobgrenze

Für Einkommen oberhalb der Minijobgrenze empfiehlt der Beirat einen einheitlichen Freibetrag von 30 Prozent des Bruttolohnes. Dieser Anteil soll anrechnungsfrei bleiben. Damit wächst das verfügbare Einkommen mit jeder zusätzlichen Arbeitsstunde nachvollziehbar und ohne Brüche.

Die Wirkung zeigt sich vor allem bei Menschen, die bereit sind, mehr als nur ein geringfügiges Beschäftigungsniveau zu leisten: Wer eine Teilzeit- oder Vollzeitstelle annimmt, soll klar erkennen, dass sich der Schritt aus dem Leistungsbezug lohnt.

Das Modell setzt allerdings voraus, dass entsprechende Stellen tatsächlich vorhanden sind und für Leistungsberechtigte erreichbar bleiben. Ob diese Voraussetzung überall erfüllt wird, ist offen und muss an der Realität des Arbeitsmarkts gemessen werden.

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Mehr „Fordern“: Strengere Mitwirkungspflichten geplant

Parallel zur Neuordnung der Freibeträge rückt der Reformkurs das Prinzip „Fordern“ stärker in den Mittelpunkt. Für erwerbsfähige Leistungsberechtigte zeichnen sich folgende Punkte ab:

Verbindlichere Teilnahme an Maßnahmen, engere Überprüfung der Arbeitsbereitschaft und Möglichkeiten für Sanktionen, wenn zumutbare Angebote wiederholt abgelehnt werden.

Die geplante Grundsicherung verknüpft finanzielle Unterstützung damit noch deutlicher mit der Erwartung, jede realistische Beschäftigungschance zu nutzen. Für Betroffene bedeutet dies mehr Druck, aber auch mehr Klarheit, welche Pflichten gelten.

Regelsätze 2026: Nullrunde trotz steigender Belastungen

Für das Jahr 2026 soll der Regelsatz für alleinstehende erwachsene Leistungsberechtigte nach aktuellem Stand bei 563 Euro im Monat bleiben. Hintergrund sind die gesetzlichen Berechnungsvorgaben, die rechnerisch keine Erhöhung, aber auch keine Absenkung ergeben.

Für Betroffene entsteht damit eine faktische Nullrunde, obwohl Ausgaben für Wohnen, Energie und Lebensmittel weiter steigen.

In dieser Situation gewinnen Zuverdienstmöglichkeiten an Bedeutung. Ein Modell, das kleine Jobs abwertet und vor allem höhere Einkommen begünstigt, trifft jedoch besonders diejenigen, die aus gesundheitlichen, regionalen oder familiären Gründen nur eingeschränkt arbeiten können.

Was bereits feststeht – und was noch veränderbar ist

Für die Einordnung ist wesentlich, dass es sich bei den Vorschlägen des Wissenschaftlichen Beirats lediglich um Empfehlungen handelt, die noch keine verbindliche Rechtslage darstellen.

Die Einführung einer neuen Grundsicherung ab Mitte 2026 wird zwar politisch vorbereitet, doch insbesondere die konkrete Ausgestaltung der Freibeträge und Anrechnungsregeln ist weiterhin Gegenstand von Verhandlungen. Bis ein entsprechendes Gesetz endgültig beschlossen ist, gelten die derzeitigen Bürgergeld-Regelungen unverändert fort.

Für Leistungsberechtigte ist wichtig: Planungen auf Basis der neuen Modelle sollten immer mit dem Hinweis erfolgen, dass Änderungen im Gesetzgebungsverfahren möglich sind. Nur der endgültige Gesetzestext entscheidet darüber, wie Zuverdienst ab 2026 tatsächlich angerechnet wird.

Was Betroffene jetzt konkret tun können

Wenn Sie Bürgergeld oder künftig die neue Grundsicherung beziehen, lohnt ein genauer Blick auf Ihre Einkommenssituation. Prüfen Sie, ob sich Ihr aktueller Nebenverdienst unter den bestehenden Regeln rechnet, und beobachten Sie die weitere Entwicklung der Reform, besonders die Frage, ob ein Freibetrag für Minijobs bleibt oder entfällt.

Planen Sie neue Jobs, Arbeitszeiterhöhungen oder Umschulungen möglichst mit dem Ziel einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, da diese im Reformmodell klar begünstigt wird, und nutzen Sie unabhängige Beratungsangebote, wenn Jobcenter-Berechnungen unklar sind oder Sie aufgrund neuer Regeln finanzielle Nachteile befürchten.

So sichern Sie sich Handlungsfähigkeit in einem System, das stärker auf Eigenverantwortung setzt und zugleich das Risiko birgt, bestimmte Gruppen zusätzlich zu belasten.