Rückzahlung von Krankengeld bei voller Erwerbsminderungsrente: Was Betroffene jetzt wissen müssen

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Wenn jemand längere Zeit krank ist, zahlt zunächst die Krankenkasse Krankengeld. Wird später eine volle Erwerbsminderungsrente bewilligt, oft sogar rückwirkend, stellt sich regelmäßig eine belastende Frage: Muss das

Krankengeld zurückgezahlt werden?

Die kurze Antwort lautet: In der Regel nein. Trotzdem ist die Rechtslage manchmal komplex, und es gibt wichtige Ausnahmen, Fristen und finanzielle Folgen, die man kennen sollte.

Dabei geht es ausdrücklich um die Situation, in der eine volle Erwerbsminderungsrente bewilligt wird, während zuvor Krankengeld bezogen wurde. Diese Konstellation ist sehr verbreitet, weil die Erwerbsminderungsrente häufig erst nach Monaten oder sogar Jahren entschieden wird.

Viele Betroffene leben in dieser Zeit vom Krankengeld. In etlichen Fällen wird die Rente dann rückwirkend bewilligt, also für einen Zeitraum in der Vergangenheit, der sich mit dem Krankengeld überschneidet.

Warum es überhaupt zu Überschneidungen kommt

Der Ablauf ist typischerweise so: Nach Ablauf der Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber zahlt die Krankenkasse Krankengeld. Das Krankengeld beträgt grob gesagt rund 70 Prozent des Brutto-Entgelts, höchstens aber 90 Prozent des Netto-Entgelts, gedeckelt durch gesetzliche Höchstbeträge. Das Krankengeld kann grundsätzlich bis zu 78 Wochen wegen derselben Erkrankung gezahlt werden.

Parallel läuft – häufig erst auf Anraten der Krankenkasse – ein Reha-Antrag oder ein Rentenantrag. Hintergrund ist die sogenannte „Reha vor Rente“-Logik des Sozialrechts: Erst soll geprüft werden, ob durch medizinische oder berufliche Rehabilitation die Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt werden kann. Wenn das nicht gelingt oder nicht mehr zu erwarten ist, kommt als letzter Schritt die Rente wegen voller Erwerbsminderung (EM-Rente) ins Spiel.

Die volle Erwerbsminderung liegt dann vor, wenn jemand krankheitsbedingt auf nicht absehbare Zeit weniger als drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann. Diese Voraussetzung ist in § 43 SGB VI geregelt.

Das Problem: Bis die Deutsche Rentenversicherung (DRV) darüber entscheidet, vergeht oft viel Zeit. Wird die volle Erwerbsminderungsrente schließlich bewilligt, passiert das häufig rückwirkend für einen Zeitraum, in dem bereits Krankengeld gezahlt wurde. Genau an dieser Stelle beginnen die Erstattungs- und Rückzahlungsfragen.

Zahlt man persönlich Krankengeld zurück?

Die klare Kernbotschaft: In aller Regel muss die versicherte Person das Krankengeld nicht aus eigener Tasche an die Krankenkasse zurückzahlen, nur weil nun rückwirkend eine volle Erwerbsminderungsrente bewilligt wurde.

Das gilt ausdrücklich auch dann, wenn das Krankengeld höher war als die spätere Erwerbsminderungsrente. Diese Schutzwirkung ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V in Verbindung mit der speziellen Erstattungsregel des § 103 SGB X.

Sozialrechtlich gesprochen: Der Anspruch auf Krankengeld entfällt für Zeiträume, in denen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung geleistet wird.

Aber: Das bedeutet nicht, dass die Krankenkasse Geld direkt vom Versicherten zurückfordern darf. Sie darf sich das Geld stattdessen von der Rentenversicherung holen. Diese Konstruktion schützt den oder die Versicherte vor einer plötzlichen Rückforderungswelle.

Das Bundessozialgericht hat schon früh klargestellt, dass der Versicherte die sogenannte Differenz – häufig „Spitzbetrag“ genannt, also den Betrag, um den das ausgezahlte Krankengeld höher war als die später festgestellte Rente – grundsätzlich nicht an die Krankenkasse zurückzahlen muss.

Mit anderen Worten: Dass das Krankengeld vielleicht finanziell „zu hoch“ im Vergleich zur später anerkannten Erwerbsminderungsrente gewesen ist, führt normalerweise nicht zu einer persönlichen Rückzahlungsverpflichtung.

Wer erstattet wem? Der Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X

Auch wenn die versicherte Person selbst meist nichts zurückzahlen muss, passiert im Hintergrund sehr wohl eine finanzielle Verrechnung zwischen den Sozialleistungsträgern.

Sobald die volle Erwerbsminderungsrente rückwirkend bewilligt wird, prüft die Krankenkasse, ob für denselben Zeitraum Krankengeld gezahlt wurde. Ist das der Fall, macht sie bei der Deutschen Rentenversicherung einen sogenannten Erstattungsanspruch geltend. Rechtsgrundlage ist § 103 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Vereinfacht gesagt läuft das so: Die Rentenversicherung hätte eigentlich für diesen Zeitraum zahlen müssen, hat das aber noch nicht getan, weil die Rente erst später bewilligt wurde. Stattdessen ist in dieser Zeit die Krankenkasse „in Vorleistung“ gegangen, indem sie Krankengeld gezahlt hat.

Deshalb kann die Krankenkasse verlangen, dass die Rentenversicherung aus der später bewilligten Rentennachzahlung den entsprechenden Betrag direkt an sie auszahlt. Genau dafür existiert der Erstattungsanspruch.

In der Praxis bedeutet das: Die Rentenversicherung zahlt die rückwirkende EM-Rente für die Überschneidungsmonate nicht an die betroffene Person aus.

Stattdessen überweist sie diese Summe – bis zur Höhe des gezahlten Krankengeldes – an die Krankenkasse. Die Krankenkasse bekommt also ihr Geld zurück. Die oder der Versicherte sieht diesen Anteil der Rentennachzahlung nie, weil er gar nicht erst ausgezahlt wird. Dieses Vorgehen ist in einer Verwaltungsvereinbarung zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und der Deutschen Rentenversicherung geregelt und seit vielen Jahren eingespielt.

Wichtig ist: Das ist kein „Zurückzahlen“ durch die betroffene Person, sondern eine Verrechnung zwischen den Behörden. Für die Versicherten wirkt es aber oft so, als ob man „keine Nachzahlung bekommt“, weil die erwartete hohe Rentennachzahlung plötzlich niedriger ausfällt oder sogar komplett aufgezehrt wird.

Was passiert mit der Rentennachzahlung?

Ein häufiger Erwartungsfehler ist, dass viele Betroffene mit einer hohen Rentennachzahlung rechnen, wenn die volle Erwerbsminderungsrente endlich bewilligt wird. In sehr vielen Fällen fällt diese Nachzahlung jedoch deutlich kleiner aus als gedacht oder sogar ganz weg.

Der Grund ist genau die eben beschriebene Erstattungskette: Die Deutsche Rentenversicherung rechnet als erstes mit der Krankenkasse ab. Die Rentennachzahlung wird also genutzt, um das bereits gezahlte Krankengeld auszugleichen. Erst wenn nach dieser Verrechnung noch etwas übrig bleibt, wird dieser Restbetrag an die versicherte Person ausgezahlt.

Das kann dazu führen, dass trotz erfolgreicher Bewilligung einer vollen Erwerbsminderungsrente kaum oder gar kein Geld „auf einen Schlag“ beim Versicherten ankommt. Diese Vorgehensweise basiert auf dem Prinzip, dass die Rentenleistung für denselben Zeitraum nicht doppelt an zwei verschiedene Stellen fließen soll.

Die Rechtsprechung spricht hier von einer „Erfüllungsfiktion“, weil die Rentenversicherung so tut, als hätte sie die Leistung bereits erbracht, indem sie sie an die Krankenkasse weiterleitet.

Aus Sicht der Betroffenen ist das bitter, denn man hat häufig mit dieser Nachzahlung gerechnet. Rein rechtlich ist das aber keine Rückforderung des Krankengeldes gegen die Person, sondern eine interne Abrechnung zwischen Sozialversicherungsträgern.

Muss ich jemals doch selbst etwas zurückzahlen?

Es gibt Konstellationen, in denen eine persönliche Rückforderung denkbar ist, sie sind aber selten. Sie betreffen vor allem Fälle, in denen trotz der bestehenden Rechtslage doch doppelt Geld beim Versicherten angekommen ist, also einmal Krankengeld und später zusätzlich die volle Rentennachzahlung für exakt denselben Zeitraum.

Der Normalfall ist, wie oben beschrieben, dass die Rentenversicherung gar nicht erst an die versicherte Person zahlt, sondern direkt an die Krankenkasse. Dadurch wird genau diese Doppelzahlung vermieden. Sollte es ausnahmsweise doch zu einer doppelten Auszahlung gekommen sein – etwa durch einen Bearbeitungsfehler oder eine zeitliche Überschneidung, die nicht rechtzeitig erkannt wurde –, kann die Krankenkasse unter Umständen verlangen, dass der überzahlte Betrag erstattet wird.

Dann stützt sie sich auf die allgemeinen Regeln zur Rückforderung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen. Solche Fälle sind aber nicht der Regelfall, sondern eher Ausnahme- oder Fehlerlagen, weil die Behörden normalerweise direkt miteinander verrechnen.

Für Betroffene bedeutet das: Solange alles ordnungsgemäß abgewickelt wurde, droht keine Rückzahlungsforderung im Alltagssinn. Stattdessen wird lediglich die erwartete Rentennachzahlung niedriger ausfallen oder ganz entfallen.

Ab wann endet der Anspruch auf Krankengeld?

Sobald die volle Erwerbsminderungsrente beginnt, ruht der Anspruch auf Krankengeld für denselben Zeitraum. Juristisch gilt der Krankengeldanspruch dann für diese Zeit nicht mehr. Praktisch zahlt die Krankenkasse ab Rentenbeginn kein Krankengeld mehr. Das gilt selbst dann, wenn die Krankenkasse bis dahin gezahlt hat und der Rentenbescheid erst später kommt.

Wenn die Rente rückwirkend bewilligt wird – zum Beispiel ab dem 1. März, der Bescheid aber erst im Oktober ergeht –, dann wird so getan, als hätte von März an ein Rentenanspruch bestanden.

Für März bis Oktober hätte es also eigentlich gar kein Krankengeld mehr geben dürfen. Die Krankenkasse hat in diesem Zeitraum aber trotzdem gezahlt, weil die Rente ja noch nicht feststand.

Genau deshalb fordert sie jetzt Erstattung von der DRV. Für die versicherte Person endet der Krankengeldanspruch rückwirkend, aber ohne eigene Rückzahlungsverpflichtung.

Wichtig ist hier die Unterscheidung zwischen dem Ende des Anspruchs und der Pflicht zur Rückgabe. Der Anspruch endet rückwirkend, aber die Pflicht zur Rückgabe trifft nicht automatisch die versicherte Person, sondern wird über den Erstattungsanspruch zwischen den Kassen gelöst.

Was bedeutet das für laufende Beiträge zur Rentenversicherung?

Während des Bezugs von Krankengeld zahlt die Krankenkasse Rentenversicherungsbeiträge für die versicherte Person. Das dient dazu, Lücken im Versicherungsleben zu vermeiden, weil Krankengeld als sogenanntes Entgeltersatzleistung behandelt wird. Diese Beiträge wirken sich grundsätzlich rentensteigernd aus.

Kommt es nun rückwirkend zu einer vollen Erwerbsminderungsrente, wird der Zeitraum des Krankengeldbezugs möglicherweise anders bewertet. Hintergrund: Wenn die Krankenkasse sich das Krankengeld von der Rentenversicherung erstatten lässt, kann das in Einzelfällen dazu führen, dass die damals gezahlten Beiträge zur Rentenversicherung neu geprüft oder korrigiert werden.

In der Praxis interessiert Betroffene dann vor allem, ob ihnen dadurch später Rentenansprüche verloren gehen. Die Deutsche Rentenversicherung stellt klar, dass die versicherte Person durch diese Korrekturen nicht entrechtet werden soll. Die Zeiten bleiben in der Regel als rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt, weil sowohl Krankengeldbezug als auch die Zeit einer vollen Erwerbsminderungsrente an sich rentenrechtlich relevant sind.

Allerdings kann die konkrete Bewertung einzelner Monate, insbesondere bei mehrfachen Zuständigkeiten (Krankenkasse, Arbeitsagentur, Rentenversicherung), kompliziert werden. Wer einen Rentenbescheid erhält, sollte deshalb die beigefügte Anlage mit dem Versicherungsverlauf sorgfältig prüfen. Wenn bestimmte Monate plötzlich anders bewertet werden als erwartet, kann sich daraus ein Widerspruchs- oder Klärungsbedarf ergeben.

Was passiert, wenn die Erwerbsminderungsrente niedriger ist als das Krankengeld?

Eine häufige Sorge lautet: „Ich habe vom Krankengeld gelebt. Jetzt bekomme ich rückwirkend eine volle Erwerbsminderungsrente, die aber viel niedriger ist. Muss ich die Differenz zahlen?“ Die Antwort ist: Grundsätzlich nein.

Der sogenannte Spitzbetrag, also der Unterschied zwischen dem höheren Krankengeld und der niedrigeren Rente wegen voller Erwerbsminderung, muss nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts von der versicherten Person nicht zurückgezahlt werden.

Die Krankenkasse kann nur bis zur Höhe der später festgestellten Rente Erstattung verlangen, nicht darüber hinaus. Das schützt Versicherte davor, plötzlich mit Schulden konfrontiert zu werden, nur weil die Rente niedriger ausfällt als die Lohnersatzleistung Krankengeld.

In der Praxis heißt das: Wer etwa 1.500 Euro Krankengeld pro Monat bekommen hat, und später stellt sich heraus, dass die volle Erwerbsminderungsrente für denselben Zeitraum eigentlich nur 1.000 Euro pro Monat betragen hätte, muss die Differenz von 500 Euro nicht an die Krankenkasse zurückgeben. Für viele Betroffene ist genau diese Information die wichtigste Entwarnung.

Zeitpunkt des Rentenantrags wichtig

Ein Detail, das oft unterschätzt wird, ist der Zeitpunkt, ab dem die Rente tatsächlich beginnen soll. Die Erwerbsminderungsrente beginnt rechtlich frühestens mit dem Monat, der auf den Rentenantrag folgt, wenn alle Voraussetzungen der vollen Erwerbsminderung erfüllt sind. Sie kann aber auch dadurch „rückdatiert“ werden, dass ein Reha-Antrag als Rentenantrag gilt, wenn feststeht, dass die Erwerbsfähigkeit dauerhaft aufgehoben ist. Das nennt man die sogenannte Rentenantragsfiktion.

Das kann dazu führen, dass der Rentenbeginn deutlich früher liegt, als man selbst erwartet hätte. Je früher der Beginn festgelegt wird, desto länger ist der Zeitraum, der sich mit dem gezahlten Krankengeld überschneidet.

Und je länger diese Überschneidung ist, desto größer ist der Erstattungsbetrag, den sich die Krankenkasse bei der Rentenversicherung holt. Für den oder die Betroffene bedeutet das wiederum, dass die eigene Rentennachzahlung entsprechend kleiner ausfallen kann.

Praktisch kann es daher sinnvoll sein, frühzeitig zu klären, welcher Zeitpunkt als Beginn der vollen Erwerbsminderung angenommen wird, und welche Unterlagen die Rentenversicherung hierfür verwendet.

Wer eine Reha macht oder medizinische Befundberichte einreicht, sollte wissen, dass diese Unterlagen später Einfluss auf den angenommenen Rentenbeginn haben können, und damit indirekt auch auf die finanzielle Verrechnung zwischen Krankenkasse und Rentenversicherung.

Fazit: Keine Panik vor einer persönlichen Rückforderung – aber rechnen Sie mit einer kleineren Rentennachzahlung

Zusammengefasst gilt Folgendes: Wenn jemand Krankengeld bezieht und später rückwirkend eine volle Erwerbsminderungsrente bewilligt bekommt, muss diese Person das bereits gezahlte Krankengeld normalerweise nicht aus eigener Tasche an die Krankenkasse zurückzahlen. Der finanzielle Ausgleich läuft stattdessen über einen Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X direkt zwischen der Krankenkasse und der Deutschen Rentenversicherung. Die Krankenkasse holt sich also ihr Geld von der Rentenversicherung, nicht vom Versicherten.

Der Haken ist ein anderer: Die große Rentennachzahlung, auf die viele gehofft haben, kommt oft nicht oder nur in deutlich reduzierter Höhe an, weil sie mit dem vorher gezahlten Krankengeld verrechnet wird.

Auch wenn das emotional enttäuschend ist, verhindert diese Konstruktion immerhin, dass Menschen plötzlich Schulden bei der Krankenkasse haben. Und selbst wenn das Krankengeld höher war als die spätere volle Erwerbsminderungsrente, muss die betroffene Person die Differenz im Normalfall nicht erstatten.

Wichtig bleibt trotzdem, jeden Rentenbescheid und jede Aufstellung zur Verrechnung aufmerksam zu lesen. Denn auch wenn man selbst nichts „zurückzahlt“, entscheidet die Art der Verrechnung darüber, wie viel Geld man am Ende tatsächlich ausgezahlt bekommt – und ab wann.